„Göttingen braucht Raum für Dynamik“ – Jens Düwel im Interview

Die GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen ist dafür bekannt, ruhig und professionell zu arbeiten. Daran wird sich auch mit dem neuen Geschäftsführer Jens Düwel nichts ändern, der seit dem 1. Dezember die GWG leitet. Im Gegenteil: Ihm ist als Nachfolger von Ursula Haufe ein geräuschloser Übergang wichtig – erst Göttingen und die hiesigen Player kennenlernen und dann schauen, wo er neue Akzente setzen kann, um die nationale und internationale Sichtbarkeit zu erhöhen.

Herr Düwel, was motiviert Sie, morgens aufzustehen?

Grundsätzlich bin ich ein sehr optimistischer, lebensfroher und neugieriger Mensch, der sich überraschen lässt, was der Tag bringt. Im Beruflichen habe ich das Glück, einen tollen Job zu haben, in dem man extrem viel gestalten kann. Das motiviert ungemein, auch wenn das heißt, dass ich quasi immer bei der Arbeit bin – selbst auf Reisen werde ich permanent inspiriert und sammle Ideen für neue Projekte.

Wer oder was inspiriert Sie denn?

Reisen sind für mich per se immer eine Inspiration. Im Urlaub möchte ich das Land und die Menschen kennenlernen. Das bringt viele neue Impulse mit sich. Inspiriert werde ich aber grundsätzlich durch Gespräche mit Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen und Berufsgruppen – das klingt banal, ist aber tatsächlich so. Wichtige Ansätze erhalte ich auch von meiner Frau und meinen Kindern, die durch ihre Berufe einen anderen Blickwinkel auf die Dinge haben.

Sie waren zuletzt in Nordrhein-Westfalen in der Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung tätig. Gibt es besondere Erfahrungen, die Sie von dort mit im Gepäck haben und hier nun einbringen wollen?

NRW ist riesig und zeichnet sich durch große Unterschiede aus. Einerseits gibt es Städte wie Köln und Düsseldorf, die ohne Ende expandieren und nicht wissen, wohin mit ihren Menschen und Unternehmen. Andererseits gibt es viele Städte, in denen ein extremer Strukturwandel stattfindet und die dringend neue Impulse setzen müssen. Es gibt zudem viele Städte auf engem Raum, und jede versucht, ein Alleinstellungsmerkmal für sich zu schaffen. Von dieser Konkurrenzsituation kann man lernen, wie man sich national und auch international gut positioniert. In Südniedersachsen und Nordhessen gibt es nicht diese Städtedichte, aber Göttingen kann sicherlich noch an seiner Positionierung arbeiten.
Vergleichen wir Göttingen mal mit anderen kleineren Uni-Städten. Göttingen hat einen guten Ruf, aber keinen besonders hervorstechenden. In Freiburg beispielsweise ist das anders, dort haben sie sehr früh auf das Thema Nachhaltigkeit, regenerative Energien und innovative Wohnquartiere gesetzt und so ein Alleinstellungsmerkmal gewonnen. Freiburg steht jetzt gut da, jeder will nach Freiburg. Davon kann man sich einiges abgucken. Göttingen als Stadt und mit seinem Umfeld hat eine sehr hohe Lebensqualität. Das Potenzial ist riesig.

Die Stadt wirbt ja schon seit vielen Jahren mit dem Slogan ,Stadt, die Wissen schafft‘. Was sagen Sie: Funktioniert dieser enge Ansatz noch?

Ich finde den Slogan an sich super, aber er spiegelt vermutlich nicht die Vielfalt Göttingens wider. Die Universität ist großartig, aber das eigentlich Besondere sind ja die Menschen, die in Göttingen leben. Hier werden alle möglichen Sprachen gesprochen, es ist total international, ich spüre eine große Lebensfreude und Quirligkeit – das macht in meinen Augen Göttingen aus. Das muss stärker wahrgenommen werden, denn mit der Uni verbindet man viel, aber mit der Stadt eher weniger. Heidelberg zum Beispiel setzt derzeit ein großes Stadtentwicklungsprojekt auf einer alten Bahn-Fläche um. Auch solche Projekte sind wichtig, um zumindest national, aber auch international für positive Aufmerksamkeit zu sorgen.

Damit sind wir direkt bei einem für Göttingen neural­gischen Punkt angekommen: dem Platzmangel. Wo ­sehen Sie nach Ihren bisherigen Einblicken und ­Gesprächen Entwicklungspotenziale?

Das ist ein Spagat zwischen ökologischen Aspekten und dem vorhandenen Flächenbedarf. Selbstverständlich gilt Innenentwicklung vor Außenentwicklung, gerade beim Thema Wohnen. Aber Göttingen braucht Raum für seine Dynamik. Ich habe in vielen Städten gearbeitet, in denen diese Dynamik nicht da ist. Wenn ich dann in einer Stadt bin, die wächst und sich positiv entwickelt, muss man sich dem Thema Flächenentwicklung stellen. Die Lebensqualität stammt unter anderem aus den vielen Angeboten für die Menschen, etwa im Kulturbereich. Das muss bezahlt werden, und dafür brauche ich gesunde, wachsende Unternehmen und die entsprechenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

Wie beurteilen Sie die Leistungsfähigkeit der GWG, die sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass sie durch Gebäudemanagement und Projektentwicklung große Handlungsmöglichkeiten hat?

Es ist ein riesiger Vorteil für die Stadt, wenn sie eine Tochter mit solchen Kompetenzen hat. Die Möglichkeit, eigene Bauvorhaben realisieren zu können, wenn man eine besondere Zielsetzung hat oder der private Markt das nicht kann, schafft Gestaltungsfreiräume, die ihr sonst entgehen.

Und wie sieht Ihre persönliche Zielsetzung aus? Können Sie schon einen kleinen Einblick geben, welche Akzente Sie in Zukunft setzen möchten?

Die GWG arbeitet sehr erfolgreich – und das soll sie weiter tun. Deswegen hat ein möglichst geräuschloser Übergang Priorität. Ich werde intensiv und mit Ruhe erstmal die GWG und den Standort Göttingen kennenlernen, und in einem Jahr können wir darüber sprechen, welche neuen Wege ich einschlagen möchte. Der Standort Göttingen hat mich jedenfalls überzeugt. Ich komme ursprünglich aus Hannover und kenne Göttingen seit Langem. Ich fand seine Lage, die Größe und Dynamik sowie die junge Bevölkerung immer spannend. Große Städte wie Frankfurt sind zwar auch reizvoll, aber die mittleren Städte wie Göttingen haben in meinen Augen zukünftig mehr Potenzial – und das mitzugestalten, begeistert mich.

Sie bringen einiges an Erfahrung mit. Was haben Sie aus bisherigen beruflichen Rückschlägen lernen können?

Dass man gerade in der Projektentwicklung viel Beharrlichkeit braucht und sich immer wieder hinterfragen muss, ob man mit dem Projekt auf dem richtigen Weg ist. Wenn man davon überzeugt ist, muss man den Weg konsequent bis ganz zu Ende gehen und immer wieder neue und gute Argumente finden, um die Rückschläge zu überwinden.

Wie schwer ist es, sich im Spannungsfeld zwischen Politik und Verwaltung zu bewegen?

Ich mache das seit über 25 Jahren und ja, das ist nicht immer einfach. Es gilt aber auch das zuvor Gesagte: Wenn ich von einer Idee überzeugt bin, muss ich auch andere davon überzeugen. Wenn in einem Aufsichtsrat fünf Fraktionen sitzen, die alle ihre eigenen Interessen haben, muss ich Mehrheiten finden wie in der Politik. Ehrlichkeit und Respekt spielen dabei für mich eine zentrale Rolle, um herauszufinden, was den einzelnen Akteuren wichtig ist.

Es gibt in der Region viele Akteure, die sich mit der regionalen Entwicklung befassen – vielleicht zu viele?

Diese Konstellation gibt es eigentlich überall. Insbesondere spielt für uns das Miteinander von Stadt, Kreis und Region eine maßgebliche Rolle. Ich arbeite für die Stadt Göttingen, klar. Aber ihr geht es nur besonders gut, wenn es auch dem Umfeld gut geht. Wir können nur zusammen erfolgreich sein. Vernetzung ist daher das A und O.

Und was ist für Sie ein Gradmesser des Erfolgs?

Ein richtig gutes Gefühl habe ich tatsächlich dann, wenn ich Menschen von einer Idee überzeugen kann und merke, dass sie sich trotz anfänglicher Skepsis begeistern lassen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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