Die Landschaftsarchitekturbüros Wette + Gödecke und Wette + Küneke (WGK) aus Göttingen haben sich weit überregional einen Namen gemacht – unter anderem mit innovativen ökologischen Ansätzen, die mehr Grün ans Gebäude bringen. Und das nicht nur horizontal.
Schönheit in der Gestaltung reicht heute nicht mehr aus, Ökologie und Ästhetik sind kein Widerspruch“, sagt Wolfgang Wette, der sich 1993 selbstständig machte und in der Folge die beiden oben genannten Büros gründete. Er beschreibt damit eine Entwicklung, für die sich Wette gemeinsam mit Henning Gödecke und Ulrich Küneke, den anderen beiden Mitinhabern, schon seit Langem einsetzt und die nun endlich auch in der Praxis im größeren Stil Einzug hält. Gemeint ist Nachhaltigkeit bei der Gestaltung der Grünflächen in Bauprojekten, und das bedeutet insbesondere eine hohe Biodiversität.
„Wir haben uns aus eigenem Anspruch und Überzeugung heraus schon immer bei jedem Projekt Gedanken darüber gemacht, wie wir es im Rahmen des Budgets nachhaltiger umsetzen können“, so Küneke. Einfaches Beispiel ist der Umgang mit Niederschlagswasser – lässt sich das vor Ort versickern und kann entsprechend weniger versiegelte Fläche mehr sein? Was der gesunde Menschenverstand nahelegt und bereits seit Jahrzehnten diskutiert wird, hat nun auch in die Köpfe der Planungsbehörden und Investoren Einzug gehalten. „Wir erleben ein Umdenken. Das sehen wir daran, dass es zunehmend mehr Anfragen von Bauherren und Projektentwicklern gibt, wie wir in unseren Planungen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen.“ Insektensterben, Klimawandel, Ressourcenschonung sind Stichworte, die den Diskurs prägen. Dieser Mentalitätswandel wirkt sich auf viele Bereiche aus. Regenversickerung ist einer, andere sind biodiverse Anpflanzungen sowie Fassaden- und Dachbegrünungen. „Wir werden oft schon im Vorfeld bei der Ausgestaltung von Bebauungsplänen, die diese allgemeinen Rahmenbedingungen festlegen, miteinbezogen“, so Gödecke. „Früher war das ein hoffnungsloser Kampf, so etwas wie Dachbegrünungen dort hineinzuschreiben – zu teuer.“ Versucht haben es die Architekten und Ingenieure von WGK trotzdem immer wieder und sich so langsam über wegweisende Projekte ein Know-how und ein sehr gutes Renommee für nachhaltige Landschaftsgestaltung aufbauen können.
Heute sind die Göttinger mit ihrem zwölfköpfigen Team aus zum Teil langjährigen Mitarbeitenden verschiedener Disziplinen von Hamburg bis Frankfurt in der Republik unterwegs und als ein fachlich kompetenter Partner in der Landschaftsgestaltung geschätzt – seien es Parks, Friedhöfe, Schulen und Kindergärten, gewerbliche Projekte oder historische Anlagen, sei es bei der Erstellung von Umweltgutachten, Bebauungsplänen oder der Gestaltung und Umsetzung von Projekten. Gemeinsam mit ihrem Team decken Wette als Landschaftsarchitekt, Gödecke als Biologe und Küneke als Agraringenieur ein sehr breites Spektrum ab und ergänzen sich gut.
„Es ist ein schönes Gefühl zu sehen, dass das Interesse an der Erhöhung von Biodiversität da ist und man Leute damit begeistern kann“, so Küneke. „Beides ist nötig, denn zum Nulltarif gibt es das leider nicht.“ Drei aktuelle Göttinger WGK-Referenzprojekte zeigen in beispielhafter Weise, was möglich ist, wenn der Auftraggeber diese Begeisterung teilt und die Mittel dafür zur Verfügung stellt. Dann lässt sich auch mit innovativen Methoden vertikal in die Höhe gärtnern.
Norderweiterung des Sartorius-Campus (Fertigstellung 2023)
Im Gewerbegebiet Grone hat Sartorius sein Werk nach Norden hin erweitert. WGK war hier von Anfang bis Fertigstellung eingebunden. Angefangen mit der Feldhamstersuche für das Umweltgutachten für den Bebauungsplan bis zur Realisierung der Grünflächen. Die umfangreichen landschaftlichen Anlagen, die dort realisiert wurden, stellen eine Besonderheit dar, denn die Vorgaben von Sartorius orientierten sich nicht an Mindeststandards, sondern legten Wert auf hohe ökologische Sinnhaftigkeit.
Nach der Umverlegung des Elliehäuser Bachs wurde dieser naturnah gestaltet mit dem Ziel, eine möglichst hohe Biodiversität zu erreichen und vor allem auch zu erhalten. Dieser hohe Anspruch einer hohen
Artenvielfalt gilt auch für die begrünten Dachflächen, selbst wenn sie keiner sieht: Statt einer sonst üblichen niedrigen Bepflanzung mit mehr oder weniger stark sukkulenten Dickblattgewächsen wurden hier zusätzlich kleine temporäre Wasserflächen, Sandlinsen, Stein- und Totholzhaufen, biodiverse Staudenpflanzungen sowie naturnahe Wiesenflächen mit Bewässerung angelegt, um für vielfältige Insektengruppen Ansiedlungsmöglichkeiten zu schaffen. Zusätzlich wurden Teilbereiche der oberen Fassaden mit Hopfen und Clematis begrünt. Für WGK war das Sartorius-Projekt in den Worten von Henning Gödecke „ein echter Leckerbissen“.
Amedes Kompetenzzentrum (Fertigstellung 2024)
Das von der EBR Projektentwicklung GmbH entwickelte InnovationsQuartier Herbert-Quandt-Straße in Göttingen ist ein Leuchtturmprojekt für nachhaltiges Bauen und urbane Ökologie. Es zeigt, wie Funktionalität, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung miteinander verbunden werden können.
Bereits in der Vorplanung zeichnete WGK für die Grünanlagen des Neubaus von Amedes verantwortlich. Was die Anlagen jedoch so besonders macht, ist die Fassadenbegrünung. Die bereits im Konzept der EBR Projektentwicklung GmbH entwickelte Fassadenbegrünung hat WGK auf 400 Quadratmetern geplant: eine vertikale Wand, die der eigentlichen Fassade vorgelagert frei hängt und über bis zu vier Geschosse und die ganze Fläche geht – eine aufwändige Lösung, die am gewerblichen Bau sehr selten ist. Anders als bei den meisten Fassadenbegrünungen wurzeln die Pflanzen nicht im Boden und ranken hoch, sondern sind über die komplette Höhe in der Wand verwurzelt, sodass die Konstruktion nicht zu erkennen ist.
Rund 35 verschiedene Pflanzenarten wurden sorgsam aufeinander abgestimmt und ermöglichen ein Höchstmaß an Biodiversität. Ebenso war eine ausgiebige Technikrecherche notwendig, um das ideale System für diese Lösung zu finden. Die Überwachung sowohl der Nährlösung als auch des Wasserflusses, der die Pflanzen versorgt, erfolgt digital. Die Grünfassade hat auch kleinklimatische Effekte, indem Auskühlung im Winter und Erhitzung im Sommer abgemildert werden. „Technisch haben wir hier das beste System verbaut, das es auf dem Markt gibt. Das ist High-End-Vertikalbegrünung“, so Wolfgang Wette.
BioDiversum, Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (Fertigstellung 2022)
Auch das Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften am Fassberg handelte aus Überzeugung, als es WGK damit beauftragte, den Großteil der Freiflächen mit dem Leitgedanken der Biodiversitätserhöhung umzugestalten und den Landschaftsarchitekten dabei sehr viele Freiräume ließ. Unter anderen gehörte die herausfordernde Anlage eines Teiches in Hanglage dazu. Der Umfang der neu entstandenen Habitate macht das Projekt an sich schon bemerkenswert, doch beim MPI kommt noch hinzu, dass die Entwicklung der umgestalteten Flächen auch wissenschaftlich begleitet wird. Im Rahmen eines mehrjährigen Monitorings wird exemplarisch an Wildbienen, Großinsekten, Fledermäusen und Vögeln untersucht, ob sich die Artenanzahl und Individuendichte tatsächlich positiv beeinflussen lässt. Ob also die ökologisch gut klingenden Ansätze auch in der Praxis das erreichen, was man sich davon verspricht. Wie sich inzwischen sehr überzeugend zeigt, ist dies tatsächlich auch der Fall.
WGK begleitet das Projekt weiterhin intensiv, denn auch die Pflege muss entstehende Veränderungen berücksichtigen. Da die Art und Weise der Pflege einen erheblichen Einfluss auf die Vegetationsbestände und damit die Artenvielfalt hat, gilt es diese immer wieder zu bewerten und gegebenenfalls zu optimieren, um eine möglichst große Artenvielfalt zu erhalten. „Die Anlage des BioDiversums beim MPI ist ein echter Glücksfall, weil wir mit engagierten Menschen zusammenarbeiten und sich uns die Möglichkeit bot, ein Mosaik verschiedener Habitate herzustellen und deren Entwicklung zu begleiten“, sagt Ulrich Küneke.
WETTE + KÜNEKE GbR
Landschaftsarchitektur
WETTE + GÖDECKE GbR
Landschaftsplanung
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