Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat bei vielen Menschen und Unternehmen in Südniedersachsen eine enorme Spenden- und Hilfsbereitschaft geweckt: großzügige Geldspenden, Hilfsgüter, die mit betriebseigenen LKW von Göttingen in die ukrainisch- polnische Grenzregion gefahren wurden, offene Haustüren für Geflüchtete. Ein besonders markantes Beispiel kommt aus Harste  – hier hat der Renovierungs-Discounter tedox seine geplanten Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum komplett abgesagt und den dafür vorgesehenen Betrag gespendet. Eine beachtliche Entscheidung, wenn man bedenkt, dass tedox bundesweit 120  Filialen zählt und derzeit etwa 3.000 Mitarbeiter beschäftigt, die zur großen Feier geladen waren. Eckart Pottebaum hat  gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung die Entscheidung zur Spende wesentlich mit vorangebracht. Der Diplom-Agraringenieur arbeitet bereits seit 1994 bei tedox – seit  2006 als Geschäftsführer im Bereich Verkauf, seit 2015 als Sprecher der Geschäftsführung – und weiß sehr wohl um die gesellschaftliche Verpflichtung eines Unternehmens mit rund 500 Millionen Euro Jahresumsatz.

Herr Pottebaum, würden Sie sagen, es gibt so etwas wie eine ,Spendentradition‘ bei tedox?

Natürlich gibt es die regelmäßigen Spenden für Vereine in der Region unseres Stammsitzes Harste und auch mal Naturalspenden wie etwa Bastelmaterial für Kindergärten. Spendentradition –  das hört sich für mich jedoch zu groß an. Aber es gibt bei uns durchaus ein Bewusstsein dafür, wie es ist, direkt vom Unglück getroffen zu werden: 2013 zum Beispiel sind wir selbst Flutopfer

geworden, als wir an der Elbe im Ort Fischbeck in der Nähe von Stendal eine komplette Filiale im Hochwasser verloren haben. Auch unsere Mitarbeiter, die dort ihr Zuhause haben, waren  betroffen – dies auch im Nachgang, weil wir die Filiale mittelfristig nicht mehr weiterbetreiben konnten. Hier gab es eine große Spendenaktion der anderen Kollegen. 2021 haben wir dann  gemeinsam für die Flutopfer in Nordrhein-Westfalen gespendet: das Unternehmen 20.000 Euro, die Inhaberfamilie Rehkopf denselben Betrag. Auch hier haben viele Filialen auf ihr  alljährliches Sommerfest verzichtet oder ihre Trinkgeldkassen aufgelöst, um die Beiträge zu spenden: am Ende waren es mehr als 60.000 Euro. Insgesamt sind wir uns unserer Verpflichtung zu  Unterstützung und Hilfeleistung also durchaus bewusst und prüfen jeweils im konkreten Bedarfsfall unsere Möglichkeiten.

Wie kam es dann konkret zu der Idee, die geplante Jubiläumsfeier in diesem Jahr sausen zu lassen?

Begonnen hatte alles Anfang März, kurz nach Ausbruch des Krieges, als wir eine Sachspende für die Ukraine geliefert und das intern kommuniziert hatten. In diesen Tagen begannen auch die  Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zu unserem 50. Jubiläum, die für den Juni zeitgleich in allen Filialen vorgesehen waren. Dafür wollten wir einen bestimmten Betrag pro Person zur Verfügung stellen und haben die Mitarbeiter gebeten, eine entsprechende Planung für die regionalen Feiern vorzunehmen. Unmittelbar darauf kamen in der Verkaufsleitung bereits die ersten  Anfragen einzelner Filialen an, ob sie das Geld unter Verzicht auf die Feier auch spenden dürften. Es hat sich dann schnell gezeigt, dass sehr viele Mitarbeiter eine Spende unterstützen  möchten. Meine Geschäftsführerkollegen Gregor Sperfeld in der Verwaltung und Volker Hornberg im Einkauf haben in ihren Bereichen denselben Eindruck gewonnen.

Viele Mitarbeiter werden sich auch auf das gemeinsame Event gefreut haben. Gab es über den Vorschlag kontroverse Diskussionen?

Wir haben in der Geschäftsleitung zunächst über die Initiative unserer Mitarbeiter diskutiert, und auch bei mir haben dabei zwei Herzen in der Brust geschlagen. Einerseits ist ein halbes  Jahrhundert Unternehmensgeschichte ein ganz toller Anlass zu feiern. Andererseits haben wir selbstverständlich den großen Bedarf an Unterstützung Unterstützung für die Menschen in der  Ukraine gesehen. Am Ende sind wir schnell übereingekommen, dass wir die Anregung unserer Mitarbeiter geschlossen unterstützen wollen. Das ist letztlich auch Teil unserer  Unternehmenskultur: deren Interessen mit einzubinden. Mitarbeitern gut zuzuhören, hat uns noch nie geschadet. So haben wir beschlossen, die Feierlichkeiten komplett abzusagen. Die  Familie Rehkopf, als Inhaberin des Unternehmens, hat diese Entscheidung vollumfänglich unterstützt und den Betrag selbst noch einmal deutlich aufgestockt. So sind wir auf insgesamt  200.000 Euro gekommen, die wir noch im März gespendet haben. Darüber hinaus gibt es aktuell viele Einzelinitiativen zur Unterstützung von Kollegen, die selbst aus der Ukraine stammen und derzeit auf verschiedenen Ebenen im Einsatz sind. Bei Spenden gibt es ja immer die Unsicherheit, dass man nicht genau weiß, ob sie ankommen.

Wie haben Sie sich für eine Spendenart entschieden?

Das ist tatsächlich nicht ganz einfach, zur Auswahl stehen in der Regel ganz kleine Organisationen bis hin zu ganz großen, von unbekannten bis namhaften. Wir wollten von vornherein auf ein Bündnis von namhaften Organisationen setzen, denen wir zutrauen, dass sie die Mittel gut und vor allem breit gefächert, aber gezielt in der humanitären Hilfe einsetzen – sodass möglichst viele Menschen schnell davon profitieren. Deswegen ist unsere Spende an das ,Aktionsbündnis Katastrophenhilfe‘ gegangen, dem Caritas International, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie  Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland angehören. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Hilfe für Kinder, Bereitstellung von Unterkünften, medizinische Versorgung und Nahrungsversorgung  – alles, was sofort bei den Menschen ankommt. Werden die 50 Jahre tedox dennoch auf andere Weise oder zu einem anderen Zeitpunkt gewürdigt? Natürlich wird das Jubiläum ausreichend  gewürdigt: Ein halbes Jahrhundert ist ein großer Meilenstein in der Unternehmensgeschichte! Aber wir haben uns zugunsten der Spende verpflichtet, keine Jubiläumsfeier zu machen – und  das heißt auch keine Feier. Wir treffen uns nicht mit der Geschäftsleitung, um heimlich zu feiern. Das steht uns nicht an, und ich fände es auch eher beschämend. Es wird hoffentlich in den  kommenden Jahren wieder Anlässe geben, die wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern feiern können. Darauf freue ich mich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Alciro Theodoro da Silva
TOP

entdeckt, entwickelt & erzählt Erfolgsgeschichten