Hans Georg Näder über das neue ottobock., Pläne für 2012 und seinen Burn-Out

Herr Näder, auf dem Weg zu Ottobock ist uns aufgefallen: Der Ottobock-Schriftzug verändert sich. Warum eine neue Wortmarke?

Ottobock ist ein Unternehmen des 21. Jahrhunderts – das wollen wir zeigen. Der alte Schriftzug stellte uns vor allem in den ‚emerging markets‘ wegen seiner Lesbarkeit vor Probleme. Das neue Logo „ottobock.“ ist mit dem Punkt außerdem an Internet und Online-Kommunikation angelehnt.

Sehen Sie eine Gefahr darin, die – ohnehin leicht modernisierte – Signatur Ihres Großvaters zu ersetzen?

Ganz im Gegenteil. Markenkern sowie Grundwerte, etwa Lebensqualität und Unabhängigkeit, bleiben erhalten. Der Kampf um die Talente macht aber einen zeitgemäßen Auftritt nötig.

Welche Rolle spielt für die Marke’ottobock.‘ das Engagement bei den Paralympischen Spielen 2012 in London?

Sicher profitieren wir davon: 18 Stunden Filmmaterial über uns sind bei den vergangenen Spielen weltweit in den Medien aufgetaucht. Aber wir sind seit Seoul 1988 dabei, und die Paralympic Games sind auch ein emotionales Engagement für uns. Sie sind Teil unserer DNA.

Was bringt 2012 noch für das Unternehmen?

Zehn Millionen Euro sollen in ein neues Verwaltungsgebäude in Duderstadt fließen. Auch ein Museum für Orthopädietechnik – eine kleine Version des Berliner Science Center Medizintechnik – planen wir hier. Investitionen sind ein Teil von Fortschritt: Im laufenden Jahr haben wir am Standort Königsee – unterstützt durch das Land Thüringen – sieben Millionen Euro investiert. Nach Wien sind etwa 30 Millionen geflossen. Der Ausbau unserer Kapazitäten dient auch dem Plan, den Konzern-Umsatz bis 2020 auf 1,6 Milliarden Euro zu steigern. Übrigens werden wir 2011 erneut das beste Ergebnis unserer Geschichte erzielen: Mit knapp 700 Millionen Euro Umsatz liegen wir bei etwa zehn Prozent Wachstum gegenüber 2010.

Was planen Sie in Berlin mit der ehemaligen Bötzow-Brauerei?

Das Areal ist eine nicht wachgeküsste Perle. Bereits 2009 haben wir das Science Center am Potsdamer Platz eröffnet, das großen Zuspruch erhält. Die Bötzow-Brauerei wird sich dem Design-Trend anschließen – das Vorbild sind urbane Szeneviertel wie die New Yorker Chelsea Markets. Arbeit und Leben sollen modern gestaltet zusammenfließen. Auch unsere eigene Kreativabteilung wird sich dort niederlassen. Wir haben zwar keine Probleme, Fach- und Führungskräfte für Duderstadt zu gewinnen – wir haben aber Probleme, Kreative hierher zu holen.

Welche Rolle nimmt Duderstadt im Vergleich zu Berlin für Sie ein?

Berlin ist mein Zuhause, ich verbringe zwei Drittel meiner verfügbaren Zeit dort. Duderstadt ist meine Heimat. Die Weiterentwicklung des Standorts liegt mir ebenso am Herzen wie die des Unternehmens. Außerdem ist die Region Südniedersachsen nach wie vor ein guter Lebens- und Arbeitsraum.

Trägt dazu auch der Masterplan Duderstadt 2020 bei?

Mit dem einmaligen Projekt, begleitet von einem interdisziplinären Team der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), wollen wir Duderstadt langfristig als Marke positionieren. Schon jetzt ist die Stadt in aller Munde, bietet ein verlässliches Umfeld, günstigen Wohnraum und ist durch Ottobock bundesweit ein Begriff. Mit mir hat das Projekt einen bekannten Vertreter und Förderer, es lebt aber von der sehr guten Bürgerbeteiligung, weshalb wir den Masterplan tatsächlich bis 2020 fortführen wollen. Uns ist wichtig, dass er nicht im politischen Dschungel hängen bleibt.

Mit der politischen Situation scheinen Sie ohnehin wenig zufrieden zu sein?

Ich bin besorgt und persönlich stinksauer. Drei Dinge müssen klar sein: Die Euro-Krise ist vor allem eine politische Krise, erst danach eine der Finanzmärkte und Banken. Das Hauptproblem ist auch nicht Griechenland, sondern Frankreich. Und es ist ein Skandal, dass es nach wie vor Hedgefonds und Leerverkäufe gibt: Kein Risiko ohne Haftung. Es braucht jetzt Menschen, die der Politik ganz plakativ die Richtung vorgeben.

Gehört ein solches Voranschreiten zu dem Typ ‚Bürgerunternehmer‘, den Sie einfordern?

Familienunternehmen sind die Spitze der Wirtschaft, stabiles Fundament der Gesellschaft und ehrliche Partner. Der ‚Bürgerunternehmer‘ geht darüber hinaus, nimmt aktiv gesellschaftliche und politische Verantwortung wahr. Konkret heißt das: Nicht schimpfen, sondern mitgestalten. So wäre auch in der Region noch viel Potenzial zu heben.

Waren es auch Ihre eigenen, vielfältigen Aktivitäten, die Sie an Ihre Grenzen gebracht haben?

In 2010 war ich 200 Tage unterwegs, so viel wie noch nie. Vor Weihnachten kumulierte vieles, Körper und Seele haben nicht mitgespielt. Ich hatte mit einem harten Burn-Out zu kämpfen – nicht mit der modischen Light-Variante aus den Magazinen. Ich war mehrere Monate massiv eingeschränkt und musste professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es hat mir Angst gemacht. Aber ich habe immer fest daran geglaubt, dass ich diese Zeit überwinde: Wer krank ist, kann auch gesund werden. Beruhigend war, dass es im Unternehmen auch ohne mich ging. Ich habe einen guten Co-Piloten und ein gutes Management-Team. Dank ihnen sehe ich mich eher in der Rolle des Inspirators, der voran marschiert.

Was haben Sie aus dieser Zeit für sich mitgenommen?

Eine gewisse Achtsamkeit. Das Unterwegssein ist ein Leben, an dem ich wenig ändern will, aus dem ich Kraft und Kreativität ziehe. Statt wie früher pausenlos zu reisen, nehme ich mir jetzt Auszeiten und bleibe z.B. für Museumsbesuche einen Tag länger in New York. Statt mir nach fünf Terminen tagsüber auch abends Arbeit aufzulasten, lasse ich das sein.

Womit geht es jetzt für Sie weiter?

Als nächstes stehen die Seychellen auf meinem Plan… (schmunzelt) … um den Dialog mit Wasserschildkröten zu suchen.

Also Erholung…

Nicht ganz. Ich möchte ein Buch schreiben.

Wir sind gespannt und danken für das Gespräch!

Foto: Alciro Theodoro da Silva
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