So funktioniert das Immunsystem

„Keime müssen draußen bleiben“ – so lautet das Grundgesetz der Körperpolizei. Doch wie es so ist im Leben: Es gibt immer welche, die sich nicht an die Gesetze halten. Gegen diese Gesetzlosen hat der menschliche Organismus eine raffinierte, leider aber nicht absolut sichere Abwehr entwickelt.

Das ,Wunderwerk Immunsystem‘ arbeitet mit seinen eigenen, wie in einem Orchester aufeinander abgestimmten Instrumenten, um unsere Gesundheit zu schützen. Doch wie macht es das, wer spielt im Orchester mit, wer ist der Dirigent? Und warum erwischt es uns doch immer wieder? Um all das zu verstehen, müssen wir in das komplexe System unseres Körpers eintauchen.

Abwehr lernt ein Leben lang

Verschiedene Abwehrmechanismen müssen harmonieren, damit sich unser Körper vor krankheitsauslösenden Bakterien, Viren oder Pilzen schützen kann. Glücklicherweise ist uns eine angeborene, auch unspezifisch genannte Grundimmunität genetisch mitgegeben, wenn wir auf die Welt kommen. So kann der kleine Babykörper sich schon gegen einige Erreger schützen. Doch dieses System reicht nicht aus. Es muss wachsen, um den vielfältigen Bedrohungen standhalten zu können. Diese erworbene oder auch spezifische Abwehr ist uns zwar auch angeboren, muss aber lebenslang lernen. Die meisten von uns stärken sie zudem mit gezielten Impfungen. Denn nur so kann der Körper reagieren und Infektionen vermeiden oder – wenn es zu spät ist – bekämpfen und letztlich hoffentlich mit seinen passgenauen Abwehrzellen und Antikörpern besiegen.

Wächterzellen sind die Brücke zwischen dem spezifischen und dem unspezifischen Immunsystem. Ob man es glaubt oder nicht, diese dendritischen Zellen knabbern ständig an den Substanzen in ihrer Umgebung herum. So entdecken sie beispielsweise Bakterien und Viren, die über eine Verletzung, die Atemwege oder die Nahrungsaufnahme in den Körper eingedrungen sind. Haben sie solche erkannt, können sie manche selbst unschädlich machen oder auch Helfer herbeirufen, die sich um die Einbrecher kümmern.

Angriff auf den eigenen Körper

Woher weiß das Wächtersystem aber, welche Strukturen körpereigen sind und welche nicht? Für diese Unterscheidung ist der Thymus zuständig. Er bildet die Abwehrzellen zu den wichtigen T-Zellen aus, die am Ende für einen erfolgreichen Immunschutz verantwortlich sind. Problematisch wird es immer dann, wenn Erreger zu  körperähnlich sind, dann kann es zu den gefährlichen Autoimmunreaktionen wie etwa beim Typ-1-Diabetes oder beim Heuschnupfen kommen. Das heißt, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet und dort auch Schäden verursachen kann.

Experten raten vor allem, dem eigenen System keinen unnötigen Schaden zuzufügen. Dies sei das beste Mittel, um Autoimmunreaktionen vorzubeugen. Um solche Stressfaktoren zu eliminieren, sollte man natürlich wissen, wo das eigene Abwehrsystem seine Kraft hernimmt. Die im Schaubild (Seite 54) aufgeführten wichtigen Bestandteile der Abwehr stellen  anatomische Barrieren für die Eindringlinge dar. Bevor sie bei uns Schnupfen, Husten, Heiserkeit verursachen, müssen sie erstmal an Flimmerhärchen, Schleimhäuten oder der Haut vorbei. Das gelingt glücklicherweise den meisten nicht.

Gesunde Lebensführung stärkt die Immunabwehr

Verletzungen oder Schäden durch Rauchen und Alkoholgenuss schwächen diese Barrieren jedoch und öffnen quasi die Schleuse in den Körper. Die Keime, die dann ungeschoren an den Enzymen in Speichel, Urin oder Tränenflüssigkeit sowie dem Schleim der Atemwege oder der ätzenden Magensäure und der schützenden Darmflora vorbeikommen, können sich aber noch längst nicht sicher sein, dass sie uns niederstrecken. Denn jetzt treffen die Fieslinge zunächst auf die oben erwähnte unspezifische Abwehr, also die von Botenstoffen gesteuerten Fresszellen (Makrophagen, Monozyten und Granulozyten) und im Blut aufgelöste Eiweiße mit Abwehrfunktion. Je mehr Erfahrung der Körper dann gesammelt hat, desto mehr kann er sich auf die spezifische Abwehr verlassen: B-Lymphozyten, also weiße, im Knochenmark gebildete Blutkörperchen, die sich in Lymphknoten und Milz sammeln, entwickeln angepasste Antikörper. Diese heften sich an den Erreger. So markiert, kann er schnell von den Fresszellen gefunden und vernichtet werden. Gleichzeitig bilden sich B-Zellen, die bei einer erneuten Infektion zur Stelle sind, um rechtzeitig alles abzusichern. Da diese spezifische Schutzfunktion oft ein paar Tage braucht, um ihre volle Kraft zu entfalten, ist es gegebenenfalls schon zu einer Erkrankung gekommen. Das ist zwar unschön, doch immerhin schützt das immunologische Gedächtnis das System nach den meisten Infekten anschließend für mehrere Jahre.

Was lässt sich also tun, um diesem fein aufeinander abgestimmten Orchester die nötige Unterstützung zukommen zu lassen? So schwierig ist es zum Glück gar nicht: Bewegung an der frischen Luft, Saunagänge sowie eine nährstoff- und vitaminreiche Ernährung, die neben viel Obst und Gemüse auch die Spurenelemente Zink und Eisen enthält, gewährleisten schon eine gute Basis für einen effektiven Immunschutz. Den Rest übernehmen die unzähligen Orchestermitglieder in unserem Körper – hoffentlich…ƒ

Aus der regionalen Wissenschaft

Plasmawundheilung als Immunschutz
Unsere Haut ist ein wichtiger Schutzfaktor für das Immunsystem. Umso bedeutender sind die Fortschritte, die der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen in den vergangenen Jahren im Bereich der Plasmaforschung gelungen sind: Chronische Wunden, die sich kaum oder gar nicht mehr schließen ließen,
werden durch eine direkte Kaltplasmaanwendung deutlich stimuliert. Die Wundheilung verbessert sich signifikant und der Verlauf wird positiv beeinflusst. Bei bereits austherapierten Wunden kann die Therapiefähigkeit wiederhergestellt werden. Dabei stellt sich das Plasma als antimikrobiell und hochwirksam heraus, auch bei multiresistenten Keimen. Das alles komplett schmerzfrei, in minimaler Anwendungszeit und nahezu ohne bekannte Nebenwirkungen.

Catch me if you can – die Antikörperflucht
Impfungen zum Schutz unserer Gesundheit sind nicht erst seit der Corona-Pandemie in aller Munde, haben aktuell jedoch eine größere Brisanz denn je. Denn Impfstoffe schützen vor einer schweren Erkrankung und die Antikörperantwort gegen diese Impfstoffe trägt wesentlich zum Schutz bei. Auf diesem Gebiet leistet derzeit das in Weende ansässige Deutsche Primaten Zentrum (DPZ) Pionierarbeit: Die Forschenden haben festgestellt, dass sich neue Varianten des SARS-CoV-2, insbesondere die Omikron-Variante, teilweise der Antikörperantwort entziehen, was den Impfschutz vermindert – hier spricht man von Antikörperflucht. Gegenwärtig wird erforscht, wie wirksam neue Varianten, die demnächst das Infektionsgeschehen dominieren könnten, durch Antikörper gehemmt werden. Dabei steht zum einen die Frage im Vordergrund, ob bestimmte Varianten gegebenenfalls resistent gegen alle therapeutischen Antikörper sind, zum anderen jene, wie gut die Infektion durch Antikörper, die durch angepasste Impfstoffe induziert wurden, gehemmt wird.

Buchtipp

Hendrik Streeck, 1977 in Göttingen geboren und aufgewachsen, ist heute einer der gefragtesten Virologen und medialen Gesichter der Corona-Pandemie. Beim 31. Göttinger Literaturherbst stellte er sein neuestes Werk vor: ,Unser Immunsystem – Wie es Bakterien, Viren & Co. abwehrt und wie wir es stärken. Das umfassende Gesundheitsbuch mit praktischen Tipps für unsere Gesundheit‘. Piper Verlag: 22 Euro

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