Die Übersetzerin

Mit Dinah Stollwerck-Bauer hat eine erfahrene Frau die Geschäftsführung der Arbei­t­geberverbände in Göttingen übernommen: Sie kennt sich aus in lokaler Politik, der Region Südniedersachsen und darin, wie Wirtschaft und Politik enger zusammenarbeiten können.

Der Arbeitgeberverband Mitte (AGV) und der Verband der Metallindustriellen – Bezirk Süd (VMNS) haben seit Oktober 2023 ein neues Gesicht an der Spitze und damit vermutlich ruhigeres Fahrwasser erreicht: Dinah Stollwerck-Bauer hat die Geschäftsführung der beiden in Göttingen ansässigen Verbände übernommen, nachdem ihr unmittelbarer Vorgänger in dieser Rolle, Stefan Zammit, nach nur wenigen Monaten die Verbände wieder verlassen hat. 

Generell war 2023 für den AGV und VMNS ein Jahr des großen Umbruchs, weil es größere Personalveränderungen gab und damit die Aufgabe bestand, das Team zu verjüngen und mit dem Augenmerk auf fachliche Qualifikation einen Know-how-Verlust auszuschließen. „Solche Veränderungsprozesse treffen früher oder später jeden“, sagt Stollwerck-Bauer. „Ich sehe das grundsätzlich sehr positiv, weil solche Prozesse auch neue Ideen reinbringen.“ Gemeinsam mit dem Präsidium konnte der Übergang gut gestaltet werden, und inzwischen hat die neue Geschäftsführerin auch den Raum, eigene Akzente zu setzen: „Ich bin gerade viel dabei, mich zu vernetzen und den Verband in verschiedenen Themen als Akteur zu platzieren.“

Dinah Stollwerck-Bauer ist in Südniedersachsen keine Unbekannte, sie hat immer mäandert zwischen ihrer Tätigkeit in Rechtsanwaltskanzleien, in der Wirtschaft und vor allem einem Engagement in der Politik. Als Bürgermeisterin von Adelebsen von 2006 bis 2014 und als Landesbeauftragte für Regionale Landesentwicklung für den Bereich Leine-Weser von 2019 bis 2022 blickt sie auf eine reiche politische Erfahrung zurück. 

Nach dem Ende der Behördenleitung mit immerhin 180 Mitarbeitern Ende 2022 erscheint der AGV eine vielleicht ungewöhnliche Wahl, zumal Stollwerck-Bauer im April zunächst als normale Syndikusanwältin begann, als von der Geschäftsführung noch keine Rede war. Doch ihre Entscheidung für den AGV und für die Region, die ihr mit und nach dem Studium zur neuen Heimat geworden ist, fiel bewusst.

„Als ich als Landesbeauftragte im Zuge des Regierungswechsels aufhören musste, gab es mehrere ­Optionen“, so Stollwerck-Bauer. Darunter wieder eine Tätigkeit in der Wirtschaft oder in einer Anwaltskanzlei. „Aber beim Arbeitgeberverband hat mich gereizt, dass ich hier alle meine verschiedenen Erfahrungen einbringen kann.“ Aus der Politik kommt das Wissen um bestimmte Abläufe und Entwicklungen – in der AGV-Arbeit geht es um die Arbeit mit Unternehmen und entsprechend wirtschaftliche Fragestellungen und dies alles in einem stark juristischen Arbeitskontext. „In der Politik ist man ja oft Übersetzer für die Zusammenhänge und dafür, dass man weiß, welche Schräubchen man drehen muss, damit etwas funktioniert. Diese Erfahrung wollte ich nicht verlieren, sondern gewinnbringend einsetzen.“

Für Stollwerck-Bauer „ist es auch schön zu sehen, welche Spuren man hinterlassen hat“. Eines ihrer liebsten Beispiele dafür ist vergleichsweise winzig: die Eisenbahnschranke in Erbsen. „Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die sich freut, wenn die Schranke runtergeht.“ Weil es rund 25 Jahre gedauert hat, ehe sie sie in ihrer Amtszeit bauen durfte. „Das ist so ein Beispiel für vernetztes Arbeiten, für die vertrauensvolle Zusammen­arbeit mit Leuten, die man kennt. Ohne den Kontakt zu einem Göttinger Bahnmanager wäre das nicht umzusetzen gewesen, weil es insgesamt nicht so einfach ist, mit der Bahn zu verhandeln. Aber gemeinsam kriegen wir das hin.“

Darin sieht sie auch ihre künftige Auf­gabe als Netzwerkerin und Unterstützerin von Unternehmen. Corona mit seinem starken Digitalisierungs­impuls war wie ein großer Einschnitt. Das betrifft neue und andere Themen, aber auch die Strukturen, wie diese vermittelt und diskutiert werden. „Also: Wie bekommen wir Vernetzung und Austausch zu spezifischen Themen auch jenseits von klassischen Veranstaltungen hin, sodass wir genau die erreichen, die es interessiert? Da wollen wir unseren Mitgliedern mehr Unterstützung liefern, anstatt nur den 15. Arbeitskreis zu gründen“, sagt Stollwerck-Bauer. An Themen, welche die Mitgliedsunternehmen umtreiben, mangelt es nicht: KI und Robotik, Energieversorgung, die veränderte Arbeitswelt allgemein mit den Themen Familie und Beruf, Pflege, Fachkräftesicherung, Migration. „Diese Themen können wir nicht mehr isoliert betrachten, sie gehören vielmehr zusammen.“ Von einer stärker wahrzunehmenden Scharnierfunktion spricht Stollwerck-Bauer. Wie das genau umgesetzt werden kann, daran tüftelt der AGV noch. 

Der Verband, der dieses Jahr 75 Jahre alt wird, blickt auf eine vielversprechende Vergangenheit zurück. „Der AGV war immer schon innovativ. Nach der Wende war er einer der Ersten, der im regionalen Wirtschaftsgeschehen über die Landesgrenzen nach Thüringen und ­Sachsen-Anhalt geschaut hat und in vernetzten Wirtschaftsräumen gedacht hat“, erzählt Stollwerck-Bauer. Aus diesem Gedanken heraus erfolgte auch die Umbenennung in Arbeitgeberverband Mitte. „Für mich ist beeindruckend, wie konsequent die Region gedacht wurde und dass nicht an Grenzen haltgemacht wurde. Daran will ich anknüpfen.“ Und deswegen soll auch stärker noch das Gespräch mit anderen Wirtschaftsakteuren gesucht werden, um Unternehmen bestmöglich zu unterstützen. 

Flache Hierarchien, ein offener Stil und proaktiv Themen zu besetzen, ist Dinah Stollwerck-Bauer wichtig. Und auch die gute Laune wird dabei nicht zu kurz kommen – sie ist ebenfalls noch Mitglied im Freundeskreis der Kölsche Funke rut-wieß von 1823 und der Karnevalsgesellschaft Große Kölnern von 1882. Für interessierte Südniedersachsen organisiert sie jedes Jahr zur fünften Jahreszeit eine Fahrt in die alte Heimat Köln – Menschen zusammenzubringen, macht ihr halt Spaß. In Köln erinnert auch noch manches an das 1839 gegründete ehemalige Familienunternehmen Stollwerck. Der international tätige Schokoladenspezialist hat Dinah Stollwerck-­Bauers Kindheit noch mitgeprägt, bevor er verkauft wurde. Mit diesem Hintergrund bringt sie auch ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Nöte der Wirtschaft mit in ihre Arbeit im Arbeitgeberverband Mitte ein. ƒ 

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