Der Routinier
Mit Wolfgang Brück hat die Universitätsmedizin Göttingen in diesem Jahr einen erfahrenen neuen Sprecher des Vorstandes bekommen. Der gebürtige Mainzer kümmert sich ab sofort nicht nur intensiv um die Kommunikation nach innen, sondern macht sich auch für die Vertretung der UMG-Interessen bei der Landesregierung in Hannover stark.
Ende Juli 2019 ging in Göttingen eine kleine Ära zu Ende: sieben Jahre Heyo K. Kroemer – der langjährige Chefsprecher der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) verabschiedete sich, um sich einer neuen Herausforderung zu widmen. Er leitet heute den Vorstandsvorsitz der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Als Medizinmanager mit deutschlandweitem und internationalem Renommee hat Kroemer in den vergangenen Jahren überzeugend demonstriert, dass er komplexe Prozesse erfolgreich führen kann, er engagierte sich an wichtigen Projekten von Stadt und Region und hinterließ große Fußstapfen. Dennoch war sich die Findungskommission, die über seine Nachfolge entscheiden musste, recht schnell einig, wer der geeignete Mann ist, um diese Stapfen auszufüllen: Wolfgang Brück, Facharzt und langjähriger Direktor des Instituts für Neuropathologie an der UMG, leitet nun seit einigen Monaten die Amtsgeschäfte im Ressort Forschung und Lehre und spricht für den dreiköpfigen Vorstand.
„Ich denke, ich habe den Vorteil, dass ich die Prozesse und Personen der UMG ganz gut kenne und daher relativ schnell das Amt ausfüllen kann“, erklärt der gebürtige Mainzer – bereits ein Routinier in den Führungs- und Leitungsämtern der UMG, weshalb auch der Wechsel aus der Forschung in das Management für ihn kein Neuland war. So leitete Brück in den vergangenen zwei Jahrzenten bereits zweimal kommissarisch das Vorstandsressort Krankenversorgung und einmal kommissarisch das Vorstandsressort Forschung und Lehre. Er war Forschungsdekan der Medizinischen Fakultät, amtierte als Stellvertreter des Vorstands Ressort Krankenversorgung, und seit April 2011 war Brück Dekan für Infrastruktur und Entwicklung und auch Stellvertreter des Vorstands Forschung und Lehre der UMG.
Aber hat eine Hausberufung nicht immer ein Geschmäckle? „Natürlich hat ein von extern neu Berufener auch seine Vorteile“, sagt Brück dazu. Allerdings sei es bei Vorstandspositionen durchaus üblich, sie aus dem eigenen Haus zu besetzen. Sebastian Freytag, Vorstand des Ressorts Wirtschaftsführung und Administration der UMG, war bereits eine interne Besetzung – ebenso, wie es aktuell der Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover ist.
Management statt Forschung
Doch der endgültige Weg raus aus der Wissenschaft, rein in das Management eines Großklinikums – auch für Brück ein großer Schritt. „Früher hätte ich mir das niemals vorstellen können“, sagt Brück. Zu sehr lag ihm die Praxis in der Forschung am Herzen. Aber das sei eine Frage des Lebensabschnitts. „Ich bin jetzt 58 Jahre alt, und da kann man noch einmal wechseln. Das ist ein guter Höhepunkt für die Karriere. Ich hätte allerdings keine Ambitionen gehabt, in ein vergleichbares Amt an einer anderen Universität zu wechseln. Der Standort Göttingen ist für mich am reizvollsten.“ Auch der Abschied aus seinem Institut und von der Arbeit in der Multiple-Sklerose-Forschung ging schnell und für Wolfgang Brück deutlich einfacher als gedacht. „Das Gebiet ist an der UMG inzwischen so etabliert, dass es durch meinen Wechsel nicht mehr zur Disposition stand.“ Seine wissenschaftlichen Meriten hat sich Wolfgang Brück mit der Erforschung der Multiplen Sklerose (MS), einer Erkrankung des Zentralnervensystems, erworben. Unter seiner Leitung hat sich das Institut für Neuropathologie der UMG zu einer der weltweit führenden Einrichtungen im Bereich der MS-Forschung entwickelt – mit Kooperationen mit zahlreichen führenden, internationalen Forschungszentren. Zudem leitete er bereits zwei Jahre als Direktor das Institut für Multiple-Sklerose-Forschung, eine gemeinsame Einrichtung der UMG und der Gemeinnützige Hertie-Stiftung, war vier Jahre Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie und ist seit 2009 Vorstandsmitglied des bundesweiten Kompetenznetzwerks Multiple Sklerose. Für seinen engagierten Einsatz wurde er in der Vergangenheit auch schon mehrfach ausgezeichnet: mit dem Hans-Heinrich-Georg-Queckenstedt-Preis, dem Hans-Georg-Mertens-Preis für innovative Forschung in der Neurologie sowie mit dem Kohn Award der British Society of Toxicological Pathologists.
Die Forschung in der Neuropathologie – ein Job, der für Brück mehr Berufung als Beruf war. „Das war schon mein Lebensinhalt. Mir hat die Arbeit unheimlich Spaß gemacht – viel Diagnostik und vielfältige internationale Kontakte. Überhaupt hat das mein vorheriges Berufsleben gekennzeichnet: Ich war sehr viel unterwegs.“ Jedes zweite Wochenende, so Brück, war er auf Kongressen und hat Vorträge gehalten. Zuletzt in Stockholm. „Das war wohl einer meiner letzten Vorträge, und vielleicht werde ich das etwas vermissen.“ Ein ganz anderes Leben, das eines globalen Wissenschaftsreisenden, sei das gewesen. „Doch jetzt habe ich eine neue Aufgabe, in die ich mich voll reinstürzen kann. Jetzt stehen Göttingen und Hannover beziehungsweise Südniedersachsen klar im Vordergrund.“
Aus dem Wissenschaftler wird ein Manager, aber auch ein politischer Akteur. Statt eines kleinen Institutsbudgets geht es jetzt um dreistellige Millionenbeträge, die verantwortungsvoll geplant und eingesetzt werden wollen. Hinzu kommt die strategische Ausrichtung der UMG. „Es ist ein sehr spannendes Feld, die Entwicklung der UMG mit zu steuern“, so Brück. „Vor allem macht es Spaß, mit den unterschiedlichsten Berufsgruppen zusammenzuarbeiten.“
UMG an erster Stelle
In seiner neuen Rolle sieht Brück für sich ganz wesentlich zwei Adressaten: jene innen in der UMG, also das gesamte Personal in seiner ganzen Breite und Vielfalt, und die außen, die Landesregierung sowie regionale Akteure. „Heyo Kroemer hat seine Rolle nach außen sehr stark wahrgenommen, vor allem auch bundespolitisch – und das war auch von großer Bedeutung für die UMG“, sagt Brück. „Für meine Tätigkeit sehe ich beides in einem Gleichgewicht.“ Für ihn steht die UMG an erster Stelle – „und das ist eine klar regionale Sache, da wir uns in Südniedersachsen gut vernetzen müssen.“ Auch der Gesundheitscampus Göttingen, der zusammen mit der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst aufgebaut wurde, muss ebenso vorangebracht werden wie die Krankenversorgung an sich.
Einer der wichtigen Punkte regional ist dabei die zunehmende Vernetzung. „Die UMG ist in dieser Region der einzige Maximalversorger, aber auch der kann nicht alle Versorgungsleistungen abdecken“, so Brück. „Wir brauchen ein Basisangebot der medizinischen Versorgung in zum Beispiel Duderstadt, Northeim, Einbeck und Hann. Münden. Aber dafür müssen wir uns untereinander absprechen, wer was macht, damit wir uns nicht gegenseitig schaden. Das hilft niemandem, am wenigsten den Menschen in dieser Region.“ Über entsprechende Abstimmungen ließen sich Verantwortlichkeiten regeln. Mit der Gesundheitsregion Südniedersachsen bestehe bereits eine gute Grundlage dafür.
Aber während es in der Region gut zu regeln sei, seien die Voraussetzungen in Göttingen selbst schwieriger. „In unmittelbarer Nähe befinden sich vier Krankenhäuser, zwischen denen es logischerweise auch einen Wettbewerb um die Versorgung von Patienten gibt“, so Brück realistisch und doch zuversichtlich, auch wenn das sicher schwieriger zu lösen sei, als die regionale südniedersächsische Problematik.
Wolfgang Brück ist angekommen, an der richtigen Position als UMGler durch und durch, und in Göttingen. Seiner alten Heimat Mainz ist er aber zumindest noch in einer Hinsicht verbunden geblieben: „Mein Lieblingsverein ist und bleibt der Mainz 05.
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