Stiftung UMG add on fördert Medizinprojekte in Göttingen

Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat eine neue Stiftung ins Leben gerufen: UMG add on. Hochkarätige Unterstützer aus der Region helfen der Privatstiftung dabei, flexibler Gelder einzuwerben. Finanziert werden sollen zunächst zwei Projekte in der Onkologie und Kardiologie.

Die Situation für die Hochschulen in Niedersachsen ist nicht ganz einfach. Zuletzt kürzte die Landesregierung 2020 gegen den Bundestrend den Wissenschaftsetat deutlich. Die zusätzlichen finanziellen Belastungen durch die Pandemiemaßnahmen und die starken Kostensteigerungen aufgrund der Energiekrise lassen die zukünftigen Finanzierungsperspektiven nicht besser aussehen.

Wer aber weiter international in der Forschungsspitze mitspielen will, braucht große Investitionen. Mit denen sieht es in Göttingen auch unabhängig von der Tagespolitik nicht unbedingt rosig aus. Das Land Niedersachsen baut in Oldenburg derzeit sein drittes Uni-Klinikum auf, Forderungen nach einem vierten Uni-Klinikum in Braunschweig gibt es ebenfalls. Bei begrenzten Mitteln ist die Folge klar: Kannibalisierung oder Warteschleife der bestehenden Standorte.

„Gerade Forschungsgebäude sind extrem schwierig zu finanzieren“, erklärt Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes der UMG. Bund und Länder müssen diese gemeinsam finanzieren, die Kosten liegen aber schnell im mittleren zweistelligen Millionenbereich. „Daher werden wir nur alle fünf bis zehn Jahre berücksichtigt.“ Dem stehen 60 verschiedene Kliniken und Institute gegenüber, die in den Forschungsschwerpunkten der UMG gute Arbeit leisten. Das heißt, viele Forschungsgebäude sind alt und haben bauliche Mängel. Das Hauptgebäude der UMG stammt noch aus den 1970er-Jahren. Das vom Land bereitgestellte Sondervermögen für den Neubau finanziert aber nur den Krankenhausbetrieb, nicht Forschung und Lehre. Auch eine voll ausgestattete Forschungsprofessur ist mit rund 2,5 Millionen Euro nicht ganz günstig. „Deswegen brauchen wir neue Finanzierungsquellen“, so Brück.

Stiftung für Großspenden-Fundraising

Die UMG hat sich daher für einen weiteren Ansatz entschieden: Als Universität und Universitätsmedizin Göttingen 2003 in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt wurden, war damit nicht nur die Absicht verbunden, organisatorisch flexibler zu werden, sondern auch Stifter und Spender zu gewinnen. Immer mehr Vorhaben konnten mithilfe privater Spenden umgesetzt werden. „Wir haben seit 2004 über das zentrale Fundraising rund 21 Millionen Euro eingeworben“, so Wolfgang Brück. Mit dem Erfolg reifte die Entscheidung, Fundraising zum besten Bestandteil der UMG zu machen. Die Fundraising-Aktivitäten sind vielfältig, sodass es zum einen das zentrale Fundraising abbildet, welches sich um die Bedarfe des wissenschaftlichen und klinischen Alltags kümmert und die im Jahr 2021 ins Leben gerufene Stiftung privaten Rechts UMG add on. Die neu errichtete Stiftung übernimmt das Großspenden-Fundraising und richtet sich gezielt an vermögende Privatpersonen, Institutionen und Unternehmen.

„In den USA und Israel gibt es eine andere Spendenkultur, dort sammeln die Hochschulen und Kliniken sehr hohe Beträge ein“, erklärt Brück. „Die UMG add on ist der Versuch, auf ähnliche Weise erfolgreich zu sein.“ Beispiele aus Deutschland zeigen, dass es geht. „Sehr erfolgreich agiert die TU München“, sagt Alice Schütze, die die Geschäftsstelle der UMG add on und deren Fundraising leitet. Die deutsche Muster-Uni, die in vielen Belangen Vorreiterin ist, verfolgt den Stiftungsansatz bereits seit über 20 Jahren und hat dafür einen großen Mitarbeiterstab aufbauen können. „Am Beispiel der TU München sieht man auch, dass der Stiftungserfolg einem Triathlon gleicht: Es geht nicht von heute auf morgen, man braucht ein kontinuierliches Bemühen über einen langen Zeitraum.“

Um die Bedarfe der UMG, die nicht über die öffentliche Hand finanziert werden können, zu decken, verfolgt die UMG add on einen dreigleisigen Ansatz, der bundesweit agiert: Zum einen sollen Alumni aktiv angesprochen werden, die inzwischen auf wichtigen Posten sitzen, beispielsweise in der Pharmaindustrie. Zum anderen werden, zunächst auf Niedersachsen begrenzt, gezielt Unternehmer angeschrieben. Der dritte Weg sind die persönlichen Kontakte, die insbesondere über die Gremienmitglieder der UMG add on als Multplikatoren geknüpft werden sollen. Das Vorgehen ist dabei immer eine direkte Ansprache, um für die Ziele der UMG add on zu begeistern. Aus den diskreten Gesprächen erwachsen wiederum neue Kontakte. Deswegen wurden auch bekannte Persönlichkeiten wie der tedox-Gründer und Unternehmer Karl-Heinz Rehkopf, Vorstandsmitglied der Sparkasse Göttingen Michael Birlin und Burkhard Balz, Vorstand der Deutschen Bundesbank, für eine Stiftungsmitwirkung angesprochen und gewonnen. Auch faktor-Herausgeber Marco Böhme unterstützt im Beirat. In den zurückliegenden Gesprächen mit potenziellen Unterstützern, die wir dieses Jahr geführt haben, haben wir die Erfahrung gemacht, dass für die Menschen Gesundheit das Wichtigste überhaupt ist“, so Alice Schütze. „Und wenn man Gesundheitsförderung unter Betrachtung des Menschen als Ganzes vermitteln kann, dann stößt man schnell auf Spendenbereitschaft.“

Fokus auf individuelle medizinische Therapien

Die ersten Fördergelder sollen entsprechend auch in zwei Stiftungsprofessuren fließen, die dem Leitgedanken der personalisierten Medizin folgen. Statt davon auszugehen, dass in Behandlungsansatz allen Menschen gerecht wird, stehen zunehmend auf den individuellen Patienten abgestimmte Therapien im medizinischen Fokus. Die UMG will hierbei an ihren Schwerpunkten in der Krebs-, Herz-Kreislauf- und neurowissenschaftlichen Forschung anknüpfen und über interdisziplinäre Pionierprojekte Therapien entwickeln und schneller an den Patienten bringen. Langfristig, wenn sich die UMG add on etabliert hat, soll es aber auch um größere Projekte wie etwa Forschungsgebäude gehen. Auf der Bedarfsliste steht ein Krebsforschungszentrum. „Wir gehen das pragmatisch an“, sagt Alice Schütze. „Im nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro für die Ausstattung einer kompletten Stiftungsprofessur einzuwerben, wäre wunderbar, ist jedoch eher illusorisch. Wir werden aber nicht warten, bis wir eine solche Summe zusammenhaben, sondern werden sukzessive in Bedarfe investieren.“ Das könne beispielsweise ein besonderes Mikroskop sein, das benötigt wird. So werde auch schnell sichtbar, welchen Beitrag die Spenden leisten können

„Genau darauf kommt es auch an“, betont Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender der Sartorius AG und Kuratoriumsmitglied der Stiftung. „Natürlich versteht man, dass es um Gesundheit allgemein geht und hier enorme Innovationssprünge gemacht werden, aber anhand konkreter Projekte und Erfolge wird das greifbar – und das motiviert viel stärker zum Engagement.“ „Für alle Stifter ist ebenfalls wichtig, dass das Engagement nach außen sichtbar wird“, sagt Professor Wolfgang Lehmann vom Vorstand der UMG add on. Lehmann selbst hat von seinen Eltern eine Stiftung geerbt und bringt entsprechende Erfahrung mit. „Wir müssen ein Konzept entwickeln, wie wir das schaffen – dann wäre ich optimistisch, dass es uns auch gelingt, Großspender zu gewinnen.“ Olaf Feuerstein, Geschäftsführer des Hotels Freizeit In und ebenfalls Kuratoriumsmitglied, hat in seinem privaten wie geschäftlichen Umfeld häufig die Erfahrung gemacht, dass „viele Menschen gerne etwas spenden wollen, aber nicht wissen, wofür. Dafür brauchen wir eine zeitgerechte Ansprache. Ich bin zuversichtlich, dass wir als  Netzwerker allein schon in der Region Südniedersachsen erfolgreich sein können.“

Obwohl die UMG add on noch in der Wiege liegt, konnten schon die ersten Großspenden eingeworben werden. Das bekräftigt, dass die Idee gut ist und die Stiftung langfristig wirken soll. Zunächst werden Mittel für zwei dringend benötigte Stiftungsprofessuren aus dem Bereich der Onkologie und Kardiologie eingeworben. Bis es so weit ist, dass tatsächlich in Gebäude investiert werden kann, geht Wolfgang Brück gegenwärtig aber noch von bis zu zehn Jahren aus. Schließlich ist das Etablieren einer Stiftung – insbesondere auch angesichts der Konkurrenz und der gesamtgesellschaftlichen Lage – harte Arbeit, die nicht von heute auf morgen erledigt ist. ƒ

Stiftungsmitglieder über die UMG add on

Wolfgang Brück
Vorstandsvorsitzender UMG add on – Sprecher des Vorstandes der UMG
„Wir haben in Südniedersachsen eine enorme Kompetenz in der Gesundheitswirtschaft und der Biotechnologie. Für die Landesregierung ist aufgrund der Bedeutung von Volkswagen das hauptsächliche Schwerpunktthema Mobilität, der Rest wird noch nicht so prioritär gesehen. Das Potenzial, der Wachstumsmarkt für Biotechnologie, wenn man Göttingen, Braunschweig und Hannover international konkurrenzfähig ausbauen würde, ist jedoch gigantisch.“

Andreas Philippi
Beirat – Bundestagsabgeordneter für Göttingen, SPD
„Ich habe selbst in Göttingen Medizin studiert, die Entwicklung der UMG ist mir daher eine Herzensangelegenheit. In Berlin bin ich gesundheitspolitisch unterwegs – daher stimme ich mich eng mit der UMG ab, um über diesen kurzen Weg etwas für den Standort zu bewegen. Die neue Stiftung tut angesichts der Finanzierungsprobleme not. Wir müssen sie jedoch langfristig anlegen. Wenn wir jetzt starten, werden wir die Früchte in 10, 15 Jahren ernten. Das ist letztlich wie Prävention in der Medizin.“

Joachim Kreuzberg
Kuratorium – Vorstandsvorsitzender Sartorius AG
„Die Universitätsmedizin als Spitzenversorger ist aus meiner Sicht ein extrem wichtiger Faktor in der Region und für die Stadt. Das machen sich vielleicht einige Menschen nicht klar. Man kann daher nur ein Fan der Unimedizin sein. Gleichzeitig hat sie eine riesige Herausforderung vor sich. Deswegen will ich gerne dazu beitragen, dass die UMG auch in Zukunft so erfolgreich wie bisher sein kann. Eine erfolgreiche Stiftung darf aber nicht dazu führen, dass sich die Politik mittel- bis langfristig weiter aus der Finanzierung zurückzieht.“

Wolfgang Lehmann
Vorstand – Direktor der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie
„Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurde beispielsweise die Kinderklinik zu einem großen Teil durch Spenden finanziert. Wir sehen, dass es eine große private Spendenbereitschaft gibt. Wir müssen es nur schaffen, dass wir die Spendenzwecke sichtbar und konkret machen, damit wir dafür Begeisterung wecken können.“

Olaf Feuerstein
Kuratorium – Geschäftsführer Freizeit In, CDU-Stadtratsmitglied
„Ich habe ein Helfersyndrom, aber Zeit habe ich eigentlich gar nicht – deswegen schaue ich genau hin, wofür ich mich engagiere. Was mir am Stiftungskonzept gefiel und weshalb ich mich dort einbringe, ist zweierlei: Erstens die klare, kernige und effiziente Struktur – keine Verwaltung, keine Politik, sondern eine konkrete, sachliche Zielorientierung. Zweitens bringt der Kreis der für die Stiftungsgremien gewonnenen Personen eine hohe Energie mit. Das ist erfolgversprechend.“

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