„Inflation ist Gift“

Burkhard Balz, Vorstand der Deutschen Bundesbank, engagiert sich in der Förderstiftung der Universitätsmedizin Göttingen UMG add on. Im Interview mit faktor spricht er über Geld und darüber, warum Kryptowährungen für ihn Spekulationsobjekte sind, sowie über das, was ihn heute noch mit Südniedersachsen verbindet.

Die Bankenlandschaft verändert sich rasant. Die Digitalisierung und der demografische Wandel machen es möglich – die Menschen haben heute nicht mehr die Verbindung zu ihrer Bank wie früher. Welche Chancen und Gefahren sehen Sie in dieser Entwicklung?

Ob diese Entwicklungen eher Chance oder Gefahr darstellen, hängt vom Angebot der Banken und Zahlungsdienstleister ab. In den vergangenen Jahren haben Online­bezahlverfahren wie PayPal oder mobile Wallets von Google oder Apple Marktanteile ausgebaut. In Europa engagieren sich jetzt Banken in der vor Kurzem gegründeten ,European Payments Initiative‘, um eine europaweit einheitliche Wallet-Lösung bereitzustellen. Bei einem Erfolg dieser Initiative besteht die Chance, die ­direkte Verbindung zwischen Bank und Kunde im digitalen Raum deutlich zu stärken. Ein hoher Bedienkomfort und eine gute Übersicht über die Ausgaben sind die Kernpfeiler für erfolgreiche Lösungen. Darüber hinaus können Banken und Zahlungsdienstleister die digitale Transformation der Wirtschaft unterstützen, indem sie Zahlungen und Leistungen noch besser verknüpfen. So könnte ein Vertrag, der eine Versicherung begründet, mit der entsprechenden Prämienzahlung im Onlinebanking der Verbraucher verknüpft werden. Durch einen höheren Automatisierungsgrad könnten sich für Unternehmen Einsparpotenziale ergeben, während Verbraucher einen besseren Überblick über ihre digitalen Zahlungen und Verträge erhalten. Hier gibt es bereits erste Ansätze im Markt – es bleibt also spannend.

Wir zahlen immer mehr bargeldlos. Menschen verlieren den direkten Kontakt zum Geld und verschulden sich zunehmend. Welche Chancen und Risiken sehen Sie im bargeldlosen Zahlungsverkehr?

Das hängt von den Marktteilnehmern ab. Sicherlich besteht bei der Vielfalt der digitalen Zahlungsmöglichkeiten, insbesondere bei den immer beliebter werdenden ,buy-now-pay-later‘-Modellen, das Risiko einer zunehmenden Verschuldung. Mehr Transparenz und eine digital unterstützte Finanzplanung können hier helfen, einen besseren Überblick über die persönlichen Ein- und Ausgaben zu schaffen. Die Vorteile des digitalen Zahlungsverkehrs sind sicherlich, dass er immer schneller, einfacher und bequemer wird. Der Bezahlvorgang fügt sich nahtlos in den zugrunde liegenden Kaufprozess ein. Schon heute nutzen einige Unternehmen den von der Kreditwirtschaft bereitgestellten GiroCode-Standard. Dabei wird aus den Daten des Überweisungsträgers ein QR-Code erstellt. Wird dieser zum Beispiel mithilfe der Onlinebanking-App ­gescannt, entfällt das umständliche Eintippen der Empfängerdaten wie Name und IBAN. Und dank Echtzeitüberweisungen können Zahlungen mittlerweile auch online innerhalb weniger Sekunden auf dem Empfängerkonto sein. Wer jedoch das Gefühl hat, mit Münzen und Scheinen in der eigenen Geldbörse einen besseren Überblick über die eigenen Ausgaben zu haben, der sollte darauf nicht verzichten. Am Ende geht es darum, dass jeder nach eigener Präferenz entscheiden kann, welches Zahlungsmittel für ihn das richtige ist.

Die Inflation führt zu einer Entwertung unserer ­Vermögen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Die hohe Inflation verringert die Kaufkraft des Geldes, und darunter leiden alle – insbesondere die Menschen, die ohnehin schon jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Auch Vermögende spüren die Geldentwertung, sofern sie finanzielle Vermögenswerte haben, die vor Infla­tion schlecht geschützt sind. Wer verschuldet ist, kann der Inflation vielleicht aktuell etwas abgewinnen. Aber wir wissen alle: Hohe Inflation ist Gift für ein planvolles Vorsorgen für die Zukunft und damit auch Gift für die Gesellschaft. Deshalb ist klar, dass die Teuerungswelle rasch beendet werden muss. Mit seiner geldpolitischen Straffung sorgt der EZB-Rat für nachlassenden Preisdruck. Allerdings wirken geldpolitische Maßnahmen immer erst mit einer gewissen Verzögerung.

Die USA mit der Fed bestimmen unsere Wirtschaft sehr stark, andere globale Player wie China versuchen, ihren ­Einfluss auf Zinsen etc. geltend zu machen. Welche Rolle spielen die Bundesbank und die EZB?

Die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank hat zwar Ausstrahleffekte auf den Rest der Welt, schließlich ist der Dollar weiterhin die globale Reservewährung, dennoch bestimmt das Eurosystem die heimische Zinsentwicklung und kann damit die Inflation im Euroraum wirksam bekämpfen. Der EZB-Rat hat der Inflation entschlossen den Kampf angesagt und wird nicht lockerlassen, bis zeitnah Preisstabilität wiederhergestellt ist. Die Bundesbank als Teil des Eurosystems setzt sich mit Nachdruck dafür ein. Stabilität zu wahren, gehört zu unserer DNA.

Wie sehen Sie Kryptowährungen? Wie werden sich diese entwickeln?

Das kommt darauf an, wie eine Kryptowährung definiert wird: Eine Währung ist aus Sicht der Bundesbank eine Geldeinheit, die entweder staatlich reguliert oder aber von staatlichen Akteuren herausgegeben wird, wie zum Beispiel unser Euro. Hier arbeiten wir derzeit im Eurosystem an einer digitalen Variante des Euro, die auf Zentralbankgeld basiert und eine Grundlage für die weitere Digitalisierung der Wirtschaft darstellen könnte. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Bitcoin, Ethereum und Co. als Kryptowährung bezeichnet. Sie sind aber alles andere als wertstabil. Daher würde ich hier eher von Spekulationsobjekten sprechen. Anders mag es sich bei den sogenannten Stablecoins verhalten, die von privaten Anbietern herausgegeben werden und in der Regel mit Sicherheiten unterlegt sind. Die einzelnen Ausgestaltungen können sich aber stark unterscheiden. Nicht alle Angebote, die auf den ersten Blick seriös erscheinen, sind es auch. In der EU wurde jüngst ein neues rechtliches Rahmenwerk zur Regulierung von Krypto­assets verabschiedet, das nächstes Jahr in Kraft tritt und mehr Sicherheit für Nutzerinnen und Nutzer schaffen soll. Im Zuge dessen könnte es zu mehr Emissionen regulierter Kryptoassets kommen.

Sie haben in Göttingen studiert – welche Erinnerungen verbinden Sie damit?

Nur gute! Ich habe eine sehr schöne Studienzeit in Südniedersachsen verbracht und während meines Studiums in Göttingen viele Menschen kennengelernt, die zu Freunden wurden. Diese Verbindungen bestehen bis heute fort. Besonders gerne denke ich an die Begegnungen bei dem einen oder anderen Kaltgetränk im Café Gartenlaube am Markt zurück.

Was haben Sie in dieser Zeit gelernt, das Ihnen heute noch hilft?

Durch das Studium habe ich insbesondere meine Fähigkeit zum strukturierten Denken ausgebaut. Auch einen ,langen Atmen haben‘ war hier oft wichtig. Dies hilft mir bis heute bei beruflichen Herausforderungen.

Warum engagieren Sie sich in der UMG add on?

Gesundheit ist ein hohes Gut, und die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zukunft der Medizin aktiv mitzugestalten. Das kommt letztlich uns allen zugute. Außerdem möchte ich der Region etwas zurückzugeben, die mir während meines Studiums viel ermöglicht hat.

Herr Balz, vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Tim Wegner

 

Zur Person
Burkhard Balz wurde 1969 in Lemgo geboren. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Commerzbank AG in Hannover studierte er von 1991 bis 2000 Jura in Göttingen. Danach war er in verschiedenen Positionen bei der Commerzbank tätig. Von 2009 bis 2018 war Balz Mitglied des Europäischen Parlaments (CDU), ab 2014 Koordinator (finanzpolitischer Sprecher) der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Seit September 2018 ist Burkhard Balz Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Am 14. Juli spricht er auf Einladung von UMG add on
in Göttingen zum Thema Gestalt des Geldes.

Zur Stiftung UMG add on
Die UMG add on ist eine Förderstiftung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Ihr einziger Zweck besteht darin, die personalisierte Medizin mit großen Schritten voranzubringen – in allen Bereichen, in denen die UMG schon heute international führend ist. Initiator und Vorstandsvorsitzender der UMG add on ist Wolfgang Brück, der zudem Sprecher des Vorstandes der UMG ist. Unterstützt wird er u. a. von prominenten Weggefährten wie Sartorius-CEO Joachim Kreuzburg, Unternehmer Karl-Heinz Rehkopf (tedox), Carl Graf von Hardenberg und Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Auch faktor-Herausgeber Marco Böhme unterstützt im Beirat.

Weitere Informationen: www.umg-add-on.de
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