Der neue HAWK-Präsident Marc Hudy baut die Kontakte zur Wirtschaft persönlich aus und erzählt,  wie er sich von seinen zwei Jobs beim Schleifen und Lackieren erholt.

Seit Dezember vergangenen Jahres ist Marc Hudy neuer Präsident der HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Nach zehn Jahren als Hauptberuflicher Vize präsident an der Hochschule für angewandte Wissen schaft und Kunst wechselte der gebürtige Hannoveraner nun in die erste Reihe. Im Interview spricht der Jurist und Wissenschaftsmanager, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, darüber, warum er bislang eigentlich nur den Platz, nicht aber seine Position gewechselt hat, warum ihm die Lehre so wichtig ist, über Ausbau und Profi lierung der HAWK und über seine große Leidenschaft, das Segeln.

Herr Präsident, schaut man sich in Ihrem Büro um, hängen hier einige Grafiken von HAWK-Dozenten und noch mehr Bilder vom Meer. Haben Sie Ihrem neuen Büro bereits einen eigenen Stempel aufgedrückt?

Nicht direkt, denn ich habe die neue Position mit in mein altes Büro genommen. Das Büro ist hell und nicht zu warm. Und der Blick auf den tollen Walnussbaum vor meinen Fenstern mit seinen Eichhörnchen und Eichelhähern macht gute Laune. Am meisten Entspannung finde ich allerdings am Meer. Das Bild mit den Segelschiffen hinter meinem Schreibtisch zum Beispiel begleitet mich, seit ich berufstätig bin. Wenn ich es zeitlich schaffe, dann gehe ich liebend gerne mit der Familie segeln. Wir haben ein kleines Boot, an dem wir viel selbst arbeiten – schleifen, lackieren und so weiter, und inzwischen kann ich sogar den 50 Jahre alten Motor ein- und ausbauen oder das Getriebe reparieren. Das ist viel Arbeit, aber auch Teil des Hobbys und sehr schön, weil ich am Ende des Tages anfassbare Ergebnisse sehe. Das ist in der Hochschulleitung nicht immer so.

Als Kanzler waren Sie für Finanzfragen und Personal zuständig – und nun die Wahl zum Präsidenten. Das bringt doch viele neue Gestaltungsmöglichkeiten mit sich oder nicht?

Die Besonderheit meiner neuen Position ist, dass ich gleichzeitig auch noch meine alte innehabe, weil die Stelle des Hauptberuflichen Vizepräsidenten noch nicht nachbesetzt ist. Und vor meiner Wahl war ich bereits ein Jahr kommissarisch Präsident. Dadurch haben sich für den Moment die Gestaltungsmöglichkeiten massiv erweitert, aber sie werden sich letztlich natürlich verschieben. Zusammengefasst: Als Hauptberuflicher Vizepräsident ist man deutlich mehr ,Innenminister‘, der den inneren Rahmen gestaltet. Als Präsident ist man insbesondere dafür zuständig, dass Wissenschaft und Know-howTransfer in der Region lebendig sind – und natürlich für die Gestaltung der äußeren Rahmenbedingungen, die Strategie und die Finanzierung.

Mehrere Jobs zur gleichen Zeit, das ist für Sie ja nicht neu. Sie sind seit Ihrer Promotion – auch während Ihrer Leitungstätigkeiten in der niedersächsischen Landesverwaltung und als Präsidiumsmitglied – immer auch der Lehre treu geblieben. Warum dieser Aufwand?

Weil es wirklich Spaß macht, das Wissen weiterzugeben, das man sich selbst erarbeitet hat. Und weil die Rückmeldungen und Fragestellungen von Studierenden das eigene Denken bereichern und neue Blickwinkel eröffnen. Ein ganz wichtiger Grund ist auch, dass ich so den Kontakt zu den jungen Menschen nicht verliere, für die wir als Hochschule schließlich da sind. Durch Gespräche mit den Studierenden erfahre ich, was sie beschäftigt. Natürlich muss ich als Präsident die Lehre etwas zurückfahren, aber aufgeben werde ich sie nicht.

Sie verfassen zudem auch noch juristische Kommentare …

Ja, ich schreibe mit anderen an einem Kommentar zum Niedersächsischen Hochschulgesetz mit, der erstmals online erschienen ist und alle drei Monate aktualisiert wird. Der Kommentar wird vor allem auf der Ebene der Hochschul- und Personalleitungen viel genutzt. Aber selbst aus den Reihen der Landesregierung werde ich gelegentlich als Ratgeber in Auslegungsfragen kontaktiert. Auch dieser Austausch ist natürlich sehr wertvoll.

Ein Blick nach vorne: Welche Schwerpunkte würden Sie gern in ihrer ersten Amtszeit von sechs Jahren setzen?

Ich glaube, eine große Stärke gerade von Fachhochschulen ist, dass wir sehr schnell auf regionale Bedarfe reagieren können. Das werde ich ausbauen. Eines der gegenwärtigen Hauptthemen ist die Fachkräfteentwicklung. Nehmen wir das Land Niedersachsen, das dringend Mitarbeiter im allgemeinen gehobenen Verwaltungsdienst sucht. Wir können relativ schnell unser Know-how bündeln und ein passendes Studienangebot einrichten. Ein weiterer wichtiger Punkt wird der Wissenstransfer in die Region hinein sein. Wir sind bereits seit zehn Jahren Problemlöser und Ideenlieferant für unsere Regionen. Ich möchte, dass das noch bekannter wird und in fünf Jahren Wirtschaft oder Politik automatisch sagen: „HAWK, mit denen mach ich was.“

Lässt sich denn bereits eine Zunahme der Anfragen an die Hochschule feststellen?

Ja, sogar eine deutliche. Auch die Zahl der Kooperationen ist gestiegen, ebenso die Entwicklung der Drittmittel. Neben großen Forschungsprojekten sind auch viele kleine Aufträge von Mittelständlern dabei. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen ist ein deutlich präsenteres Thema geworden. Auf Netzwerktreffen höre ich viel häufiger: „Ich habe folgendes Thema, wollen wir nicht zusammenarbeiten?“ Wir sind also ein attraktiver Partner geworden.

Als Fachhochschule haben Sie ja ohnehin schon eine große Nähe zur Wirtschaft – wie lässt sich diese noch ausbauen?

Zunächst über feste Netzwerke wie den Südniedersachsen Innovationscampus, das Fachkräftebündnis oder Technologieverbünde wie das Measurement Valley. Und dann natürlich durch persönliche Kontakte. Ich selbst bin ganz bewusst vor Ort und treffe mich mit den Entscheidungsträgern. Sie brauchen einen direkten Ansprechpartner, den sie sofort erreichen können, statt sich lange durch die Institution zu wühlen. Neben mir als Ansprechpartner gibt es auch unseren Vizepräsidenten für Forschung und Transfer sowie unsere Technologieberatungsstelle, die wir gerade ausbauen. Solch eine Transferkontaktstelle soll es für jeden unserer Standorte geben. Das beschleunigt die Abläufe dann noch einmal.

Und welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie insbesondere für den Standort Göttingen?

In Göttingen entwickelt sich der Gesundheitscampus sehr dynamisch. Gerade ist der Bereich Mediziningenieurwesen dazugekommen, das ist sehr spannend. Der Gesundheitscampus, der an unserer Fakultät Naturwissenschaften und Technik angedockt ist, ist eine innovative Kooperation zwischen einem Universitätsklinikum und einer Fachhochschule. Das ist meines Wissens bundesweit immer noch einmalig. Im nächsten Schritt werden wir uns in Richtung gesundheitsbezogenes Versorgungsmanagement weiter profilieren. Auch die neuen Studienangebote der Fakultät Ressourcenmanagement verzeichnen eine steigende Bekanntheit und Nachfrage. Im Ergebnis werden wir etwa 600 Studierende mehr haben als bisher. Das ist eine gute Zahl, aber dabei wird es dann auch erst einmal bleiben. Wir setzen auf Qualität und nicht auf unbegrenzte Quantität.

Ein bemerkenswerter Höhepunkt der letzten Jahre war sicher die Gründung des Fraunhofer-Anwendungszentrums in Göttingen. Wie entwickelt sich diese
Einrichtung?

Zunächst einmal bekommen wir dadurch, dass die Fraunhofer-Flagge neben der HAWK-Flagge weht, natürlich ganz andere Anfragen auf anderen wissenschaftlichen Niveaus und aus Kreisen, die man sich sonst nicht erschlossen hätte. Das ist ganz wichtig für uns. Die Zusammenarbeit zwischen Fraunhofer und der HAWK wurde nach der ersten befristeten Phase gerade evaluiert – und zwar sehr positiv. Jetzt arbeiten das Ministe rium, Fraunhofer und die Hochschulleitung daran, das Anwendungszentrum zu verstetigen.

Niedersachsen hat eine neue Landesregierung. Wie sähe Ihre Wunschliste an das Wissenschaftsministerium aus?

Was die dauerhaften Aufgaben angeht, können wir sagen, dass wir gut ausgestattet sind. Problematisch ist die Lage bei der Infrastruktur. Wir haben zwar das große Glück, in Hildesheim einen neuen Campus bekommen zu haben, aber wir haben aktuell auch zwei Gebäude in Hildesheim und Holzminden, schöne Altbauten, die aus baulichen Gründen komplett gesperrt sind. Unser Unterhaltungs-, Bau- und Instandsetzungsbedarf ist inzwischen auf rund 35 Millionen Euro angewachsenen. Dem steht ein Bauunterhaltungsetat von 550.000 Euro pro Jahr gegenüber. Mein vordringlichster Wunsch wäre daher ein schnelles, starkes Hochschulinfrastrukturprogramm – und Hochschulbau, Technik und Digitalisierung stehen meines Wissens auch auf der Prioritätenliste der Landesregierung.

Herr Präsident, vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Alciro Theodoro da Silva
Zur Person

Marc Hudy, Jahrgang 1968, stammt aus Hannover und studierte dort Rechtswissenschaften. Er promovierte anschließend am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. zum Thema Elektronische Fußfessel. Nach verschiedenen Leitungstätigkeiten in der niedersächsischen Landesverwaltung wechselte Hudy 2007 als Hauptberuflicher Vizepräsident an die HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst. Im November 2017 wurde er zum Präsidenten der HAWK ernannt. Der leidenschaftliche Segler ist verheiratet, hat ein Kind und wohnt mit seiner Familie in Hannover.
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