PFH-Präsident Frank Albe und Markus Steinhoff, neuer Geschäftsführer der Göttinger Hochschule, sprechen über ihre positiven Erfahrungen mit dem digitalen Semester und betonen zugleich die Vorteile, die das Campusleben für Studierende mit sich bringt.
Seit Dezember 2019 gehört die Private Hochschule Göttingen (PFH) zur international aufgestellten Firmengruppe der Galileo Global Education. Damit eröffnen sich für die Hochschule, die ihrer Kernidentität – bestehend aus Campus- und Fernstudium – treu bleiben will, neue Chancen zur Weiterentwicklung. Neue Impulse bringt hier Markus Steinhoff ein, der seit Februar als Geschäftsführer der PFH tätig ist. Gemeinsam mit Präsident Frank Albe spricht er im Interview über die Erfahrungen mit der Online-Lehre, den Plan, im kommenden Semester trotz Corona wieder Veranstaltungen am Campus anzubieten, und die positiven Auswirkungen, die der Verkauf an Galileo – Europas größte Hochschulgruppe – mit sich bringt.
Herr Albe, Herr Steinhoff, ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Semester mit der Umstellung auf reine Online-Lehre gemacht?
Frank Albe: Wir hatten bereits einen Kompetenzvorsprung in der Online-Lehre, weil wir als hybride Hochschule unseren starken Fernstudienbereich haben. Für unsere Campusstudierenden blieb die Semesterplanung bestehen – nur mit dem Unterschied, dass wir uns in virtuellen Räumen getroffen haben. Für uns war insbesondere wichtig, dass wir den interaktiven Austausch mit den Studierenden beibehalten. Und das Feedback der Studierenden dazu ist bislang sehr gut. Wir haben durch eine erste Befragung jedoch auch Bereiche identifiziert, in denen wir noch lernen können. Zum Beispiel ist das Belastungsgefühl bei den Studierenden durch den Online-Unterricht höher.
Markus Steinhoff: Für mich war die Erfahrung besonders spannend, weil ich erst einen Monat im Amt war, als alle Mitarbeiter ins Homeoffice gegangen sind. Und es war fantastisch zu sehen, wie gut die Organisation und die Lehre funktioniert haben. Letztlich haben wir die sehr wesentliche Erfahrung gemacht, dass man eben nicht nur im Büro arbeitet, sondern auch von zu Hause aus, und ich hoffe, dass wir deutschlandweit nicht wieder in alte Muster zurückfallen. Wir wollen an der PFH diese Flexibilität bewahren, indem wir den Mitarbeitern in Zukunft mehr Freiraum geben, von zu Hause aus zu arbeiten. Das Serviceniveau wird darunter nicht leiden.
Gab es besonders von der Krise betroffene Gruppen?
Albe: Bei uns waren das vor allem diejenigen, die gerade ihre Bachelor-Arbeit schreiben, weil sie die Bibliothek nicht nutzen konnten. Ebenso konnten Auslandssemester bei Partneruniversitäten nicht stattfinden. Gegenwärtig stellen wir fest, dass Praktika von den Unternehmen abgesagt werden, weil sie selbst nicht wissen, wo die Reise hingeht. Das sind Pflichtpraktika in den vorlesungsfreien Zeiten ab August, und wir arbeiten mit Hochdruck daran, Lösungen für diese Situation zu finden. Trotz Pandemie sollen die Studierenden deswegen nicht länger studieren müssen.
Wenn der Online-Unterricht so gut läuft – wie werden sich die gemachten Erfahrungen künftig auf die Lehre auswirken? Oder anders gefragt: Gibt es noch Argumente für ein Präsenzstudium?
Steinhoff: Von diesen Argumenten gibt es eine Menge. Ein Präsenzstudium bietet eine größere Vielschichtigkeit an, etwa den unmittelbaren Kontakt zu den Lehrenden und – ganz wichtig – ein Studentenleben. Das ist eine Sache, die mich hier in Göttingen absolut begeistert: Ich habe in Berlin und Darmstadt studiert, aber beim Studiergefühl schlägt Göttingen alle um Längen. Wir werden uns aber intensive Gedanken machen, welche Konsequenzen wir aus den Erfahrungen mit diesem Semester ziehen und etwa auf den Prüfstand stellen, wie wir multimedialer werden und welche Inhalte auf welchem Kanal besser ausgespielt werden können.
Albe: Es ist wichtig, dieses Campusgefühl zu vermitteln, und die Studierenden wollen das auch. Uns als PFH machen in der Lehre der Kleingruppenansatz aus, die Überschaubarkeit, die Nähe und der stete Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden. In der Orthobionik studieren nie mehr als 20 Personen pro Semester, in der Psychologie und den Management-Studiengängen zwischen 30 und 50. Die Hygieneregeln sind auch bei diesen Größen eine Herausforderung, aber sie sind bewältigbar. Wir haben deshalb ein Konzept entwickelt, um den Campusunterricht im Wintersemester wieder anbieten zu können. Eine Lösung könnte beispielsweise sein, dass wir Veranstaltungen doppelt lesen werden.
Nach 25 Jahren erfolgreicher Entwicklung haben sich die Gesellschafter der PFH entschlossen, sich der Galileo-Gruppe anzuschließen, um die Entwicklung der Hochschule zu beschleunigen und ihre Führungsrolle im Fernstudium zu stärken. Welche Folgen hat der Verkauf mittelfristig für Göttingen und den weiteren Standort in Stade?
Steinhoff: Wenn man sich das Portfolio der Galileo-Gruppe anschaut, dann umfasst das 40 Hochschulen und Bildungseinrichtungen in 13 Ländern. Allein in Frankreich gibt es ca. 20 Hochschulen im Galileo-Portfolio, die alle unter ihrer eigenen Marke bestehen bleiben. Da wird viel Luft für die eigene Identität gelassen. In Deutschland gehört die Macromedia mit sieben Standorten zu Galileo – und nein, die PFH wird nicht Macromedia, weil beide Hochschulen sich ganz unterschiedlich positioniert haben. Unsere Strategieentwicklung findet bei uns statt, und wir denken darüber nach, wie wir in beiden Bereichen – Campus und Fernstudium – wachsen können. Für die Galileo-Gruppe sind wir zwar das Kompetenzzentrum für Fernstudien, aber das heißt nicht, dass wir das Campusstudium vernachlässigen. Wir leben von dessen Impulsen in das Fernstudium, und ich hielte es für grundlegend falsch, das zu ändern. Gleichzeitig lernen wir in der Gruppe aber auch voneinander und nutzen Synergien.
Was hat sich durch die neue Geschäftsführung bereits geändert?
Albe: Die Hochschule war bisher durch die Gesellschafter geprägt, die sie gegründet und 25 Jahre gelenkt haben. Seitdem haben wir eine enorme Entwicklung durchgemacht. Mit 3.800 Studierenden und 130 Mitarbeitern sind wir heute in einer Größenordnung, in der sich parallel zu der Nachfolgefrage auch die Organisation weiterentwickeln musste. Wir sind mit der neuen Geschäftsführung von einem Start-up mit Gründerführung zu einem größeren Mittelständler geworden, dessen Leitung, wenn Sie so wollen, aus angestellten Hochschulmanagern besteht. Das verändert den Umgang hin zu einer offeneren Kommunikation.
Steinhoff: Für mich heißt das, Verantwortung an die Experten zu delegieren, die sich am besten mit einer Sache auskennen. Die Führung wird viel weniger zentralistisch, sondern soll die Motivation der Mitarbeiter stärken. Damit sind etwas andere Rollen und klare Verantwortungen für unsere Kernprodukte verbunden. Strategisch überlegen wir zurzeit gemeinsam, wie wir das nicht-akademische Fortbildungsgeschäft ausbauen können. Da gibt es sicherlich noch ein großes Potenzial. Ein weiteres Thema wird der engere Austausch mit den Hochschulen der Galileo-Gruppe werden, um vom tollen Content der Partner stärker profitieren zu können.
Die PFH hat sich immer sehr mit ihrem unternehmerischen Ansatz identifiziert. Wie wichtig ist Ihnen das Thema Unternehmertum künftig?
Steinhoff: Ich halte das Zentrum für Entrepreneurship für eine ganz große Stärke. Von dieser Kompetenz und den Start-ups, die wir betreuen, profitieren wir unglaublich. Das werden wir weiterentwickeln, indem wir einen Vertiefungsstudiengang Entrepreneurship anbieten. Die Nachfrage für so eine Spezialisierung ist bei den Studierenden da. Entsprechend werden wir auch an anderen Stellen schauen, was der Markt will und wie neue Studiengänge und Vertiefungen aussehen können. Dazu zählt auch, dass wir den Austausch mit der regionalen Wirtschaft intensivieren und neben unseren engen Verbindungen zu beispielsweise Ottobock und Airbus weitere Partner in unser Netzwerk integrieren werden.
Albe: Ich kann das nur doppelt unterstreichen. Bereits in den Management-Gesprächen im Laufe des Akquisitionsprozesses im Jahr 2019 zwischen Galileo und der PFH wurden die Stärken in einer unternehmerisch erfolgreich geführten, innovativen und vernetzten Hochschule gesehen.
Herr Albe, Herr Steinhoff, vielen Dank für das Gespräch!