Ungeniert und heimatverbunden – wie Jungunternehmerin Mareille Willmann mit ihren ,Zwiebeleien‘ von Mühlenfeld die Region erobert

Ein würziger, aromatischer, fast lieblicher Duft zieht durch das sonnendurchflutete Haus. Es riecht nach einer exotischen Mischung aus Ingwer und Curry und nach kräftigem Bier – doch da ist noch etwas: diese kleine beißende Note. Es schießen einem nicht sofort die Tränen in die Augen, doch die Assoziation, die der leicht scharfe Geruch hervorruft, ist eindeutig: Hier sind Zwiebeln im Spiel.

Mareille Willmann empfängt ihre Gäste stets dort, wo alles angefangen hat: in der Küche, dem Herzstück ihres Hauses in Holzminden. Neben dem Herd stehen ihre Zwiebeleien, wie sie sie nennt. Kochen ohne ihre Produkte ist für die Jungunternehmerin mittlerweile undenkbar. Die kleine Frau mit der starken Stimme und dem herzlichen Lachen braucht eigentlich nie Zeit zum Warmwerden. Sie redet einfach los.

„Ich bin Verkäuferin, Einkäuferin und Messehostess, packe Kartons, übernehme Botendienste – bin eben Mädchen für alles“, berichtet die Gründerin aus ihrem Alltag, während sie vor sich in einem großen Topf liebevoll feine Zwiebelstückchen mit frischen Tomaten zu einer sämigen Konsistenz einrührt. Der Küchentisch, an dem sie ihre Rezepturen mischt und kleine Probechargen zusammenstellt, ist gleichzeitig ihr Schreibtisch. Er zeugt von arbeitsreichen Tagen, denn ihr Notebook, das Handy, zahlreiche Unterlagen und die Post sind zu einem überschaubaren Chaos angeordnet. Alleine im Januar war sie zwanzig Tage auf Reisen.

Ob auf großen Messen wie der Grünen Woche in Berlin oder eben auch auf regionalen Märkten – Willmann ist dort, wo es um Essen und Trends geht, um ihre Marke und ihre Produkte unters Volk zu bringen: ,Mühlenfeld‘ kombiniert die Zwiebel mit vielen Zutaten aus der Region Weserbergland. Kein Chutney, kein Confit, keine Delice, sondern eine universelle Würze. Als herzhafter Brotaufstrich, als Dip, als Marinade oder als Sauce zu Gegrilltem, Gebratenem oder zu Salat.

An ihrem Stand reicht sie zum Probieren ihrer regionalen Delikatessen selbstgebackenes Brot oder zur Adventszeit aus Pizzateig ausgestochene Sterne. Ideen hat Willmann mehr als genug, sie sprudeln einfach aus ihr heraus. „Wer spinnt, gewinnt“, erklärt sie voller Überzeugung und lächelt strahlend. „Man muss sich einfach den Raum zum Spinnen geben.“ Und so entstand vor drei Jahren auch ihr kleines Unternehmen. Damals kehrte eine enge Freundin im Frühjahr nach dem Studium aus Schottland zurück und schwärmte von köstlichen Chutneys: pikanten Pasten aus Früchten und Gemüse, die sie als Dip, Brotaufstrich oder Marinade kennengelernt hatte. „Warum gibt es so etwas Leckeres nicht bei uns?“, war die Frage, deren Antwort die beiden gemeinsam auf den Grund gingen. Stundenlang standen sie in der Küche, kochten, tüftelten, probierten, bis sie mit den ersten Ergebnissen zufrieden waren. Willmann war schnell klar, dass sie diese Idee fortführen wollte. Als ihre Freundin ausstieg, fand sie dennoch den Mut, noch in demselben Sommer im Alleingang die Mühlenfeld GmbH zu gründen.

„Ich wurde aufs Großdenken getrimmt“, erklärt sie rückblickend auf ihre Zeit bei Symrise, dem international agierenden Hersteller von Duft­ und Geschmacksstoffen in Holzminden. Dort war sie nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau lange Zeit in der Unternehmenskommunikation tätig – auch nach ihrer Gründung – und vertrieb nebenbei ihre Zwiebeleien. Den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit und damit in eine ungewisse, aber spannende Zukunft ging sie im vergangenen Juli. Sie verließ Symrise und widmet sich seitdem gänzlich ihrem eigenen, kleinen Unternehmen.

„Gutes von hier“, sagt Willmann voller Überzeugung und erklärt ihren Slogan. „Meine Produkte sind einfach, regional und authentisch. Viele Chutneys sind eher sämig, meine Zwiebeleien hingegen haben Biss – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Von Anfang an betrachtete sie ihre Produktidee als regional gesamtheitliches Konzept. Deshalb kommen die Öle und der Essig für ihre Zwiebeleien aus der Ölmühle Solling, abgefüllt wird in Gläser aus der Glashütte Noelle + von Campe, beide Unternehmen sind in Boffzen im Landkreis Holzminden angesiedelt. Die Lagerung und den Transport übernimmt die Spedition TKN aus Holzminden, und den wichtigsten Bestandteil – die Zwiebeln und auch den Ingwer – bezieht sie vom Fruchthof Northeim. Nur für die Produktion musste die 33-Jährige nach Hövelhof im Kreis Paderborn ausweichen. Für diesen regionalen Grundgedanken erhielt Willmann bereits die ‚ECHT‘-Zertifizierung der Solling-Vogler- Region. Ob sie auch alle Kriterien für eine Mitgliedschaft im Regionalen Erzeugerverband ,Kostbares Südniedersachsen‘ erfüllt, wird derzeit noch geprüft.

Mittlerweile gibt es die Zwiebeleien von Mühlenfeld in vier Geschmacksrichtungen: mit Ingwer- Curry, Rotwein-Rosmarin, Tomate und mit Allersheimer Baltic Porter. Letzteres ist die neueste Sorte, die vor einigen Monaten in enger Zusammenarbeit mit der Brauerei Allersheim in Holzminden entstand. Willmanns Produkte sind nicht nur regional, sondern auch vegan oder vegetarisch, frei von Geschmacksverstärkern oder Konservierungsstoffen. Mittlerweile – immerhin noch kein komplettes Jahr im Vollerwerb – haben es ihre Gläser in zahlreiche Supermärkte und Feinkostläden in Südniedersachsen geschafft, sind aber auch bei größeren Händlern verfügbar wie zum Beispiel im Onlineshop oder in den Warenhäusern von Manufactum.

Und auch an Plänen für die Zukunft mangelt es ihr nicht. „Klar würde ich gern die Welt erobern“, sagt sie mit einem lauten Lachen, „aber ich bin im deutschsprachigen Raum Zuhause. Für mich als Eine-Frau-Unternehmen ist der Lebensmittel-Einzelhandel bereits ein großer Markt“, so Willmann. Eine kleine Produktionsstätte gründen, ein paar Mitarbeiter einstellen und neue Arbeitsplätze für ihre Heimat schaffen – all das sind Gedanken, die die Gründerin jetzt schon in sich trägt. Um diese Ziele zu erreichen, wird sie nicht müde, ihre Zwiebeleien auszustellen und zum Probieren anzubieten, dabei viele Hände zu schütteln und Visitenkarten zu tauschen.

„Ich habe einfach Lust, hier etwas zu bewegen“, ergänzt sie mit vor Tatendrang glitzernden Augen. Raus in die große weite Welt abseits des Weserberglands – klar hat sie mit diesem Gedanken früher einmal gespielt. Aber in ihrer Heimat hat sie alles, was sie braucht: Freunde, Familie, Beziehungen. Hier kennt man sich, und die Wege sind kurz. Die Gründerin ist ein echtes Original. „Menschen, die mich kennenlernen, bezeichnen mich manchmal als vorlaut und derb“, erzählt Willmann herzlich ungeniert. Ein gemütlicher Samstag besteht für sie aus Currywurst und Pommes auf dem Holzmindener Marktplatz und endet beim Schnacken – wie sie es nennt – oder mit ebenfalls verwurzelten Freunden bei einem Cappuccino in ihrem Lieblingscafé.

Sie lebt die Regionalität, die sie in ihren Produkten verkauft, und das spiegelt sich auch in den zahlreichen Ehrenämtern, die sie bekleidet, wider. Sie ist die Kreissprecherin der Wirtschaftsjunioren Holzminden, den jungen Machern der lokalen Wirtschaft. Viele Mitglieder sind für sie Geschäftspartner, aber auch Freunde. Darüber hinaus engagiert sie sich beim Forschungsprojekt ‚H!iergeblieben‘ des Zukunftszentrums Holzminden- Höxter, das seit über zwei Jahren erforscht, wie junge Menschen in der Region gehalten werden können. Die Gründerin wirkt als sogenannte Botschafterin mit und ist eines der Gesichter des Projekts. Einfach authentisch. Gutes von hier eben.

Foto: Alciro Theodoro da Silva
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