Packende Lösungen

Nachhaltige Verpackungen sind heute wichtiger denn je. Worauf es ankommt, diskutieren vier Experten aus dem VerpackungsCluster Südnieder­sachsen gemeinsam bei Naturkost Elkershausen und sind sich sicher: Der Pioniergeist der Branche macht’s möglich.

Die Themen Nachhaltigkeit und der bewusste Umgang mit den endlichen Ressourcen der Welt sind aktueller denn je. Immer mehr Verbraucher achten deshalb beim Einkauf besonders darauf, wie die Produkte verpackt sind. Verschie­dene Untersuchungen, wie zum Beispiel die Studie ­,Nachhaltige Verpackungen‘ des Beratungsunternehmens ­Inverto, belegen dieses zunehmende Bewusstsein für das Material. Verpackungs- und Konsumgüterhersteller sowie Händler gingen deshalb davon aus, dass der Bedarf an solchen Verpackungen steigen werde. Die Studie identifiziert allerdings zwei Probleme, die auf eben diese drei Gruppen zukommen: Zum einen forderten Verbraucher zwar verstärkt nachhaltige Lösungen, die Mehrkosten dafür würden sie aber nicht tragen wollen. Zum anderen sei nicht klar, welche Kriterien eine Verpackung erfüllen müsse, um als nachhaltig zu gelten. Diesen und anderen Fragen rund um das Thema nachhaltige Verpackungen geht faktor zusammen mit Experten aus dem VerpackungsCluster Südniedersachsen bei einem Treffen in den Räumlichkeiten bei Naturkost Elkershausen nach.

Umweltschonende Verpackungen in der industriellen Nutzung oft nicht einfach

Gleich zum Start zeigt Thomas Schiewe, Vorstandsmitglied des VerpackungsClusters, einen Punkt auf, der die öffentliche Diskussion erschwert: „Es ist wichtig, auch den Blick auf die verschiedenen Anforderungen der Verbraucher und der Industrie bei der Nutzung von Verpackungen zu haben“, sagt er. Während für Verpackungen, die ausschließlich Endverbraucher nutzen, einfacher alternative, umweltschonendere Materialien gefunden werden könnten, sei das in der industriellen Nutzung nicht so einfach. „Dort treten ganz andere Belastungen auf.“ Der 64-Jährige weiß, wovon er spricht. Rund 15 Jahre Erfahrung in der Branche bringt er mit. Zuletzt war er fast zehn Jahre geschäftsführender Gesellschafter bei TopStrap in Northeim, einem Produzenten textiler Spannbänder für die Abfallwirtschaft und Verpackungsindustrie, den er 2021 an einen Marktbegleiter verkaufte.

„Im industriellen Umfeld ist Verpackung kein Selbstzweck, sie soll Produkte beim Transport oder bei der Lagerung verlässlich und langfristig schützen“, erklärt Jan-Christoph Moog, Geschäftsführer der Excor Korrosionsforschung, ein 1991 vom Spezialisten Knüppel Verpackung und dem amerikanischen Technologie-­Unternehmen NTIC gegründetes Joint Venture mit Sitz in Hann. Münden. In diesem Spannungsfeld sei das ­Verständnis von Nachhaltigkeit ein anderes als bei Endverbrauchern, der Fokus verschiebe sich etwas. Grundsätzlich ginge es bei Nachhaltigkeit darum, nicht mehr Rohstoffe zu verbrauchen, als nachwachsen könnten. „Wenn es um industriell genutzte Verpackungen geht, steht der Einsatz von so wenig Material wie möglich im Hinblick auf den Einsatzzweck im Vordergrund“, so Moog. Und genau diesen Einsatzzweck bei den Kunden müsse man als Hersteller möglichst gut kennen, die Prozesse gut verstehen, damit Schritte in Richtung nachhaltigerer Lösungen gegangen werden könnten. So habe Excor beispielsweise eine Hochleistungsfolie entwickeln können, die nur noch die Hälfte des Materialeinsatzes wie die vorhergehende Lösung benötige.

Gut durchdachte Mehrwegsysteme

„Es gibt aus meiner Sicht mittlerweile so viele gute Lösungen, dass jedes Unternehmen etwas beim Thema nachhaltige Verpackung tun und seine Prozesse verbessern kann“, sagt Hermann Heldberg, Geschäftsführer des Bio-Großhändlers Naturkost Elkershausen. Sein Unternehmen wickle beispielsweise heute keine Folie mehr um Waren auf Paletten, sondern nutze stabile Roll­container und Spannbänder. Insgesamt sei Folie im Bio-­Bereich allerdings noch sehr weit verbreitet. „Natürlich hinterfragen das die Hersteller – doch leider haben die nun mal die Maschinen bei sich stehen, nicht selten mit Krediten finanziert. Da ist eine Ablösung immer eine Frage des Geldes.“ Wenn es bei nötigen Investitionen um Nachhaltigkeit ginge, müsse aus seiner Sicht jede Lösung außerdem ganzheitlich bewertet werden. „Wenn ein Mehrwegglassystem zum Beispiel in Deutschland nur eine Spülstelle zur Reinigung hat, wird es schwer, das noch als nachhaltig zu bezeichnen, wenn wir den Transport der Gläser durch das ganze Land mitbetrachten“, erklärt Heldberg.
Doch es gibt auch die gut or­ganisierten, durchdachten Mehrwegsysteme. Naturkost ­Elkershausen setzt für Gemüse auf ein solches, das ­weltweit mit Plastikboxen und strategisch sinnvoll verteilten Waschstraßen funktioniert. „Wir bekommen etwa 12.000 bis 15.000 dieser Boxen in der Woche mit Lieferungen rein. Ein Lastzug pro Woche geht dann von uns in Richtung der nächstgelegenen Waschstraße zurück“, berichtet Heldberg. Das sei besser als die früher genutzten Holzkisten, bei denen eine Menge Holzabfälle und viel Pappe angefallen sei.
„Aber machen wir uns nichts vor, auch dafür muss investiert werden, das können nicht alle leisten.“ Vor allem nicht, wenn Verbraucher nicht bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen.

An dieser Stelle bringt der Geschäftsführer des VerpackungsClusters Roland Marx die Themen Wiederverwendung und alternative Materialien wie Biokunststoffe ins Spiel und stellt die Frage, was die Anwesenden davon halten. „Wiederverwendung, also Recycling von Verpackungsmaterial, ist sicher wichtig und vor allem ist es möglich“, sagt Vorstandmitglied Thomas Schiewe. „Doch kann ich aus Erfahrung sagen, dass es leider oft noch günstiger ist, neue Verpackungsmaterialien einzukaufen als recycelte.“ Hinzu käme, dass recycelte Materialien gerade im Hinblick auf die von der Industrie benötigten Produkteigenschaften der Verpackung nicht immer das Niveau neuer Ware erreichten. „Das ist dann häufig ein wichtigeres Entscheidungskriterium als der Preis“, berichtet er. „Es braucht weitere Innovation, um bei nachhaltigeren Verpackungen preislich und in den Produkteigenschaften in Richtung der Standardware zu kommen.“

Das Urteil in Bezug auf Biokunststoffe als Verpackungs­material fällt negativ aus. „Gemachte Versprechen werden bei Biokunststoffen oft nicht gehalten“, sagt Excor-­Geschäftsführer Jan-Christoph Moog. „Tüten aus Biokunststoff sind zum Beispiel nicht, wie in der Produktwerbung kommuniziert wird, zu 100 Prozent kompostierbar.“ Dazu trage auch bei, dass die Kompostier­zyklen in den Anlagen meist kürzer seien als die 90 Tage, die von den Herstellern häufig für den Kompostiervorgang der Bioplastiktüten angegeben würden. Wie der NDR, der Norddeutsche Rundfunk, Anfang des Jahres berichtete, führt dieser Umstand dazu, dass viele Entsorgungsbetriebe in Norddeutschland solche Tüten nicht im ­Biomüll haben wollen – oder Biomülltonnen nicht leeren, wenn Tüten aus Bioplastik enthalten sind.
Der Grund für diese Maßnahme sei die nicht ausreichende DIN-Norm zur Kompostierbarkeit: Laut DIN-Norm dürfen Teile mit einer Größe von bis zu zwei Millimetern nach der Kompostierung in der Erde zu finden sein. „Die Rückstände finden sich dann in der Erde auf den Äckern der Landwirte wieder. Und am Ende in unserer Nahrungskette“, ergänzt Naturkost-Elkershausen-­Chef Hermann Heldberg.
Die Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz­orga­nisation Deutsche Umwelthilfe fordert sogar ein gesetzliches Werbeverbot zur Kompostierbarkeit von Bioplastikverpackungen und -produkten. Begründet wird diese Forderung mit der Täuschung von Konsumenten, die bewusst zu Bioplastikprodukten mit Aufdrucken wie ‚biologisch abbaubar‘ oder ‚kompostierbar‘ greifen würden, weil sie die Umwelt schonen wollten. Doch Tests belegten, dass kein einziges der kompostierten Produkte vollständig zersetzt sei, sondern bestenfalls in Einzelteile zerfiel, die den Kompost verunreinigten. „An der Stelle muss ein gesetzlicher ­Rahmen her, der Nachhaltigkeit wirklich regelt“, sagt Heldberg. „Vor allem, wenn wir daran denken, dass es genau genommen nur vier Großkonzerne sind, die den Lebensmittelmarkt kontrollieren und das Geld haben, die Kommunikation bei diesem Thema zu steuern.“ Im Kontext der globalen Lieferketten dieser Konzerne würde Nachhaltigkeit obendrein schnell zu einem sozialen Thema: Alle, die in dem Prozess beteiligt seien, sollten Löhne bekommen, die ausreichen und fair sind.

Umstellung auf nachhaltige Verpackungen braucht Zeit

Doch wie wird es schlussendlich mit nachhaltigen ­Verpackungen weitergehen? „Der fortschreitende Klima­wandel erhöht den Druck, auch beim Thema Ver­packung. Es wird sich viel verändern“, sagt Heldberg ­überzeugt. Die Frage sei vielmehr, wann es zu spät ist, um mit mehr Nachdruck Dinge zu verändern und die vorhandenen guten Ideen weiterzuentwickeln. „Aus Erfahrung weiß ich, dass es viel Zeit braucht. Wir sind vor mehr als 40 Jahren mit dem Bio-Handel gestartet. Da gab es kein Bio-Sortiment bei Aldi. Heute gibt es das – und wir sind erfolgreich unterwegs. Aber der Weg war sehr lang.“ Thomas Schiewe ergänzt: „Ich glaube als studierter Maschinenbauer allerdings fest daran, dass die Industrie Lösungen liefern wird. Die sind doch schon in Arbeit.“ Und dieser Meinung ist auch Jan-Christoph Moog: „Wir können auf die Wirtschaft vertrauen – der Pioniergeist, der uns groß gemacht hat, ist noch da.“ ƒ

Foto: Die Verpackungs-Experten Roland Marx, Jan-Christoph Moog, Thomas Schiewe und Hermann Heldberg (v.l.) stellen sich gemeinsam dem fortschreitenden Klima­wandel und blicken optimistisch in die Zukunft der Branche.

Foto: Alciro Theodoro da Silva
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