FlexBio aus Einbeck produziert aus Abwässern von Brauereien und der Landwirtschaft wertvolles Biogas. Vor zehn Jahren haben Wissenschaftler an der HAWK Göttingen das Unternehmen als Spin-off gegründet, in der Corona-Zeit ihre Forschungsergebnisse gerettet und am Heimatstandort den Grundstein für weiteres Wachstum gelegt.

Bei unserem Interview mit Marc Kerger, dem neuen Vorstand der Einbecker Brauhaus AG, für die
faktor-Winterausgabe haben wir eine Führung durch die Brauerei erhalten und stießen dabei neugierig auf große blaue Container. Das seien Biogasanlagen von FlexBio, wurde uns stolz erklärt.  Darin werden Abwässer gereinigt und wertvolles Biogas gewonnen. Dem wollten wir auf den Grund gehen und haben das Unternehmen am Ortseingang der Bierstadt besucht.  Das alles war nur möglich, weil die Gründer in der Pandemie unkonventionell gehandelt haben. 

Corona  war für die meisten Menschen auf der Welt eine riesige Herausforderung. Für Paul Bauer und Waldemar Ganagin stand gar ihr Lebenswerk auf dem Spiel. Die heutigen Geschäftsführer von FlexBio durften aufgrund der Kontaktsperre von einem Tag auf den anderen nicht zurück in ihre Büros. Sie taten es trotzdem und retteten Forschungsergebnisse und wertvolle Biomassen. Die Forscher experimentierten mit einem hochkomplexen System aus Bakterien und Software, welches sie heute kompakt verbauen. Das Ziel: Aus Abwasser, das beispielsweise in Brauereien, Schlachtbetrieben, der Landwirtschaft oder bei der Saftherstellung anfällt, gewinnen sie wertvolles Biogas. Was sonst in riesigen Anlagen zu Energie umgewandelt wird, passt nun in einen einzigen Überseecontainer.

2014 haben die heutigen Geschäftsführer
FlexBio als Spin-off aus der HAWK-Hochschule Göttingen gegründet. Erste Forschungen fanden schon 2009 statt, die erste Anlage wurde 2011 getestet. Bis 2020 wurde weiter geforscht, getestet und ausprobiert. Zwei weitere Anlagen sind entstanden und wurden verkauft. „Wir haben immer wieder optimiert und angepasst. Im Grunde ist der Aufbau aber heute noch so wie damals“, sagt Bauer Mit der Rettungsaktion aus den Büros startete das Projekt auch am Markt. Mittlerweile wurden laut Bauer mehr als 40 Anlagen verkauft und installiert. An die wertvolle Nahrung für die gaserzeugende Biomasse kommt die Anlage durch einen Reinigungsprozess. Das heißt auch: Nicht nur wird auf natürlichem Wege Energie erzeugt. Das Wasser ist im Anschluss so behandelt, dass es entweder direkt in die Kanalisation abgegeben oder sogar in einer weiteren Behandlungs­stufe zu Brauchwasser aufbereitet werden kann.

Das Prinzip von FlexBio ist auf der Welt nicht einmalig, viele Wettbewerber gibt es allerdings nicht, sagt Bauer. Den Unterschied mache wie immer die Effektivität. Die Besonderheit liegt beim Einbecker Unternehmen in der eingesetzten Software, welche die Abläufe innerhalb der Anlage nicht nur optimal an den Einsatzort anpasst, sondern die Anlage vor Ort quasi wartungsfrei macht. Außer einer regelmäßigen optischen Kontrolle der Hardware lässt sich der interne Betrieb der Anlage vollständig am Computer und sogar remote von der ganzen Welt aus überwachen, steuern und im Bedarfsfall sogar anpassen. Die Forschung und Entwicklung macht zu Beginn vor allem Betreiber landwirtschaftliche Betriebe neugierig. 2016 geht die erste Abwasserbehandlungsanlage an einer vorhandenen Biogasanlage in Betrieb.

Heute zählt die Industrie zu den Wunschkunden der Einbecker, erklärt Bauer. Vor allem, weil das Volumen größer ist als in der hiesigen Landwirtschaft: mehr Abwasser, mehr Energiebedarf, mehr Budget. Inzwischen bietet das Unternehmen modulare Lösungen an: Wasser­aufbereitung, Gas- und die Energieproduktion. Alles kompakt in Containern unterschiedlicher Größe. Entwickelt, geforscht und zusammengebaut wird komplett in Einbeck. 2020 beginnt der Bau der Produktionshalle an der Otto-Hahn-Straße. Die 900 Quadratmeter Produktions- und rund 450 Quadratmeter Bürofläche entstehen in prominenter Nachbarschaft: KWS wächst ringsherum. „Wir haben erstmal Platz genug für die nächsten zehn Jahre“, sagt Bauer. Doch auch das Nachbargrundstück gehört schon dem Unternehmen, Platz für weitere Expansion ist also vorhanden.

Spätestens jetzt ist FlexBio kein Startup mehr. 2022 folgen die ersten Qualitätssiegel nach DIN ISO 9001, 2023 gewinnt FlexBio den ,BVMW Unternehmerpreis Südniedersachsen‘. Aktuell arbeiten rund 50 Menschen an diesem Erfolg. Darunter Handwerker, Mon­teure, Elektriker, Installateure und Auszubildende. Verwaltung und Forschung halten dem Team den Rücken frei, das Marketing sorgt für die richtige Außendarstellung. Laut Bauer sind es rund 36 Vollzeitstellen am Standort Einbeck. Die meisten in der Produktion und unterwegs zur Montage am Einsatzort. Rund eine Woche dauert es inzwischen, dann sei eine Anlage verladefertig auf dem Lastwagen. Die fahren inzwischen vor allem in die Schweiz. Dort, sagt Paul Bauer, sei es für viele Betriebe im Vergleich zu Deutschland einfacher, entsprechende Förderanträge für die Anlagen zu stellen. Als Green-Tech-Unternehmen ist FlexBio für die Indus­trie ein Dienstleister für den nachhaltigen Wandel. „Viele Unternehmen wollen und müssen grüner werden, sonst kehren ihnen die Kunden den Rücken zu“, sagt Bauer. Die Anlagen von FlexBio seien dabei eine geeignete Lösung, um langfristig Kosten zu sparen.

Zur Feier des zehnten Geburtstags Ende des Jahres will sich FlexBio groß zeigen. Ein Galaabend sei angedacht, ein Tag der offenen Tür und ein Nachmittag für Freunde. Im Frühjahr aber stehen zunächst große Messen an. Dort wollen sie sich präsentieren und weiter von den Wettbewerbern absetzen. Dabei helfen ihnen auch Vorführanlagen im Mini-Format, die gerade auf einen Drei-Tonnen-Anhänger passen. Rund 50 Mal weniger effektiv als die gerade einmal doppelt so großen, ­finalen Anlagen. Aber gut, um zu zeigen, was die Technik kann. Und um vor Ort beim Kunden die Effektivität einer zukünftigen Anlage zu prüfen. „Damit stellen wir sicher, dass die Anlage das tut, was wir versprechen“, erklärt Bauer. Darauf müssen sich die Kunden einlassen, auch im eigenen Interesse. Denn FlexBio will weiter wachsen, sucht Kunden in ganz Europa und streckt die Arme weit nach Nordamerika aus. Dort warten die ersten Interessenten bereits auf die Innovation aus Südniedersachsen. Paul Bauer und Waldemar Ganagin aber bleiben der Region treu. „Wir suchen international vor allem Partner, die mit uns zusammenarbeiten.“ Einbeck bleibt ihr Zuhause. „Hier kommen wir her, hier sind wir aufgewachsen.“ ƒ

 

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