Gateway to Gründung

Für Bernhard H. Vollmar, der vor 13 Jahren das Format der Entrepreneur­ship School (ESS) ins Leben gerufen hat, war die diesjährige ESS mit ihren elf Teams, bestehend aus 13 Gründern, ein bemerkenswerter Erfolg. „Wir hatten das bislang stärkste Feld an lernwilligen Teilnehmenden, was sich insbesondere durch hoch innovative Projekte aus dem
Life-Science-Bereich ergab.“

Das illustrieren die drei Gewinner der ESS eindrucksvoll – alle haben ihren Schwerpunkt in den Life Sciences: Histomography auf dem ersten Platz entwickelt einen handlichen und vor allem einfach zu bedienenden Röntgentomographen, der Gewebeproben in 3D analysieren soll. Deep LS will mittels KI-Software die
Wirkstoffentwicklung für Medikamente unterstützen, und Gait Guardian entwickelt eine Fußheberorthese, die deutlich alltagstauglicher als bisherige Modelle ist und besser den Bedürfnissen der Patienten entspricht.

Die zweitägige Entrepreneurship School wurde seinerzeit gegründet, um jungen Gründern bei ihrem Start in die Selbstständigkeit zu helfen und damit zum Erfolg ihrer Ideen beizutragen. Elemente sind unter anderem Ansätze, die Methodenkenntnis zu vermitteln, das eigene Geschäftsmodell zu evaluieren und zu hinterfragen sowie Fachvorträge, bei denen es meist um Finan­zierung und Marketing geht. Dabei steht ein Anwalt für recht­liche Fragen zur Verfügung, und ebenso können die Gründer auf die IT-Kompetenz an der PFH zurückgreifen. Eine besondere Rolle nimmt die Einbindung von anderen erfolgreichen Gründern ein, die ihre Story erzählen und für den Austausch unter Gleichen zur Verfügung stehen. 

Wichtig ist aber auch die Einbindung von Experten und Unternehmern, welche die ESS begleiten. Ein geschätztes Format ist der Speedtalk. Dabei gibt es genauso viele Gründer wie Feedbackgeber. „Jeder Gründer hat dann zehn Minuten Zeit, seinem erfahrenen Gegenüber die eigene Idee zu vermitteln“, so Bernhard Vollmar. „Ich muss immer andere überzeugen, dabei authentisch sein und andere auf die potenzielle Reise mitnehmen. Es ist ein sehr guter Trainingseffekt des Talks, dass man lernt, ganz schnell und ganz einfach sein komplexes ­Geschäftsmodell oder Produkt zu erklären.“ Am Ende pitchen die Teams ihre Ideen einer Jury und müssen sich den kritischen Fragen stellen, bevor die ­Sieger ausgewählt werden.

Der Mehrwert und Spaß an der Sache ist keine Einbahnstraße. „Der Geschäftsführer von Sycor, Rüdiger Krumes, meinte zum Beispiel, dass er selbst auch Impulse aus diesen Gesprächen mitnehmen konnte“, so Vollmar. Überhaupt war dieses Mal die Chemie zwischen den Teilnehmern eine besondere: „Alle haben sich sehr gut verstanden und wollen den Kontakt halten. So stark ausgeprägt haben wir das noch nicht erlebt.“

1. Platz:
Histomography: beschleunigte Wirkstoffforschung

Das Team von Histomography entwickelt ein 3D-Röntgen­mikroskop für die Untersuchung von Gewebeproben und hat damit die Jury überzeugt. Wie sie ihre Idee – ,Einfacher als ein Toaster‘ – Forschern und Klinikern zur Verfügung stellen, lesen Sie auf Seite 48 in dieser faktor-Ausgabe

2. Platz:
Deep LS: beschleunigte Wirkstoffforschung

Der Einsatz von KI in der Wirkstoffforschung birgt viele Hoffnungen für Pharmaunternehmen, ihr Potenzial kam aber noch nicht voll zum Tragen. Die Entwicklung eines Medikaments kostet Milliarden und benötigt meist mehr als zehn Jahre. Das Team der Deep LS um ­Da­niel Sorić, Felix Kamieth sowie Stonia Thorand setzt hier an. Ihre Software GeneSys schlägt mithilfe generativer KI neue Medikamentenkandidaten vor, was den Bedarf nach ressourcenaufwendigen Experimenten verringert. Dabei optimiert Deep LS die Kandidaten bereits vorab. „Das von uns erzeugte 3D-Modell eines optimierten Wirkstoffkandidaten wird als Basis von Pharmaunternehmen genutzt, um daraus einen kompletten Wirkstoff zu entwickeln und schneller an den Markt zu bringen“, sagt Thorand.

Sorić, Kamieth und Thorand begreifen KI in der Wirkstoffforschung nicht als Wundermittel, sondern als ein Hilfsinstrument, das Entwicklungen unterstützen und ­beschleunigen kann. „Während in den Pharmaunternehmen schon länger mit Instrumenten der Bioinformatik
experimentiert wurde, haben Unternehmen wie Google Deepmind durch den Transfer modernster KI-Architek­turen in diesem Feld einen Quantensprung ermöglicht“, sagt Sorić. Daniel Sorić kommt aus dem Life-Science-
Bereich, Felix Kamieth aus der KI-Forschung bei Fraunhofer – sie gründeten ihr Unternehmen Deep LS Anfang 2022. Die Biochemikerin Stonia Thorand ergänzte das Team Mitte 2023.

3. Platz:
Gait Guardian: der Fußheber

Der Gait Guardian von Cornelius Loy setzt beim Krankheitsbild des Fallfußes an. In Deutschland sind von der Muskelschwäche oder -lähmung, die das Anheben des Fußes erschwert, etwa 800.000 Menschen betroffen. Auf das Krankheitsbild stieß Loy im Rahmen seines Orthobionik-Studiums an der PFH. Als Abschlussprüfung muss unter anderem ein Werkstück angefertigt werden, und Loys Patientin hatte einen solchen Fallfuß. „Meine Lösung war mechanisch gut, aber die Patien­tin hat sie im Alltag nicht getragen.“ 

Das ist ein gängiges Problem bei herkömmlichen Orthesen: Die anzulegenden Schienen sind groß, man muss klobige, unansehnliche Orthopädieschuhe tragen, weshalb Patienten die Produkte sehr oft nicht benutzen, aber auch, um nicht stigmatisiert zu werden. „Mein Augenmerk lag deswegen auf der Akzeptanz des Patienten“, so Loy. Seine Neuentwicklung sieht aus wie eine Sprunggelenksbandage, die an beiden Seiten ein Gelenk hat, das zudem mechanisch anders funktioniert. Der Gait Guardian passt nicht nur in herkömmliche Schuhe, die Erzeugung des Dreh­moments passt sich zudem dynamisch dem Bedarf an. „Dadurch wird der Gang effizienter, was gerade Patienten mit neurologischen Erkrankungen, bei denen Ermüdung eine große Rolle spielt, weiterhilft.“

Noch ist Cornelius Loy in der Prototypenphase, die Resonanz ist jetzt schon groß: Immer wieder erreichen ihn Anfragen von Betroffenen, die mit der bisherigen Lösung Probleme haben. 

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