Start mit Perspektive bei der Haberland Möbelspedition

In einer männerdominierten Branche sorgt eine Frau an der Spitze noch immer für Schlagzeilen. So wie Romina Weis. Die 27-Jährige übernimmt das Göttinger Umzugsunternehmen Haberland und hat dabei erfrischende Ideen im Gepäck.

Eine kleine, zierliche, junge Frau sitzt hinter einem großen massiven Holzschreibtisch, der vermutlich schon so lange an diesem Platz steht wie das Unternehmen selbst: 50 Jahre. Unzählige Geschäftsabschlüsse wurden an ihm besiegelt, viel Papier von rechts nach links geschoben, abgeheftet und geprüft. Die Frau hingegen ist erst seit wenigen Monaten in diesem Büro. Romina Weis ist 27 Jahre alt und seit November des vergangenen Jahres offiziell die neue Geschäftsführerin der Haberland Möbelspedition in Göttingen. Sie begrüßt uns mit offener Freundlichkeit und fester Stimme. „Der Schreibtisch wird bleiben“, sagt Weis bestimmt, „auch wenn sich sonst vieles ändern wird.“ Der erste Eindruck: Auch sie ist gekommen, um zu bleiben, und hier genau am richtigen Ort.

Doch Drehen wir das Rad der Geschichte noch einmal um zwei Jahre zurück. Der Inhaber Andreas Bubner leitet seit rund 30 Jahren eine der mittlerweile größten Möbelspeditionen der Region Südniedersachsen – die LKWs mit dem roten Schriftzug Haberland sind vielerorts zu sehen. Um auch die Zukunft des erfolgreichen Unternehmens zu sichern, entscheidet sich der damals 58-Jährige weitsichtig dafür, rechtzeitig mit der Nachfolgeregelung für seinen Betrieb zu beginnen. Interessenten gab es laut Bubner einige, sowohl aus der Branche als auch branchenfremde. Aber so richtig passen wollte es nicht. Die Chemie sollte stimmen. Und das tat sie dann schließlich auch: zwischen ihm und der damals gerade einmal 26-jährigen Romina Weis.

Zugegeben, da schleicht sich beim kritischen Betrachter zunächst schon ein wenig Skepsis ein, ob diese Entscheidung von beiden Seiten gut durchdacht war. Immerhin geht es hier um ein gestandenes Unternehmen mit einer großen Aufgabe: Bei Haberland werden pro Jahr zwischen 400 und 500 Umzüge von 16 Mitarbeitern, einer Mit­arbeiterin und einem Auszubildenden gestemmt – je nachdem, wie groß der Auftrag ist. Die größten gewerblichen Umzüge mit über 20 LKW-Ladungen dauern im Durchschnitt zwischen drei und vier Wochen, private hingegen werden mit Küchenaufbau meist an zwei Tagen erledigt. Neben Haushalts- und Büroumzügen können am Standort am Göttinger Salinenweg Möbel, Erbschaften und dergleichen in Containern eingelagert werden. Für ein paar Monate oder für die Ewigkeit. „Der schwerste Gegenstand, der jemals durch Haberland – mit einem Kran – umgezogen wurde, war übrigens ein 500-Kilo-­Tresor. Auch das machen wir möglich“, berichtet die frischgebackene Geschäftsführerin Weis nicht ohne Stolz, während sie gelassen in ihrem Chef­sessel sitzt. „Das Unternehmen floriert, mit einem Jahresumsatz von über einer Million Euro geht es Haberland selbst während der Corona-Zeit sehr gut. Denn umgezogen wird immer.“ Ein neuer Job in einer anderen Stadt, eine neue Liebe …, und schnell werden aus zwei Wohnungen eine, oder es steht als Familie mit Kindern ein Umzug ins eigene Haus an. Unser Leben ist ständig in Bewegung, und jeder Deutsche, so die Statistik, zieht im Durchschnitt 4,5-mal um.

Weis tritt selbstbewusst und entschlossen auf. Dennoch: Sie besitzt keinerlei Branchenerfahrung oder Geschäftsführerqualitäten. Und darüber hinaus ist sie eine Frau in einem männerdominierten Umfeld, wo der Ton auch schon mal etwas rauer ausfallen kann. Kann das gutgehen? „Ich habe im Leben immer wieder meinen Weg gefunden“, erzählt die gebürtige Eschwegerin in lockerem Ton, die vor der großen Aufgabe keine Angst zu spüren scheint. Mit einem Seitenblick über die Schulter sieht sie einen Speditionswagen auf den Hof fahren, geht zum geöffneten Fenster und ruft dem Fahrer in beinahe kumpelhaften Ton eine knappe, aber präzise Anweisung zu. Eine spaßige Retourkutsche, beide lachen. Sie gibt hier den Ton vor, ohne von oben herab zu agieren.

Freundlich sein, aber gleichzeitig Chefin. Vorgesetzte im Business-Blazer, ohne dass sie auf ihre Weiblichkeit verzichten muss. „Bevor ich hier angefangen habe, hatte ich schon ein wenig die Befürchtung, dass ich nicht ganz auf Augenhöhe empfangen werde“, sagt sie. „Umso mehr hat es mich gefreut, als ich auf das absolute Gegenteil stieß: eine offene Unternehmenskultur und viel Herzlichkeit.“ Gelassen nimmt sie wieder an ihrem großen Schreibtisch Platz und lächelt zufrieden. Es scheint, als hätte sie mehr Lebenserfahrung, als ihr junges Alter es vermuten lässt. Und in der Tat lernte sie früh, auf eigenen Beinen zu stehen.

Bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, machte Weis eine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherung und Finanzen, wobei sie schnell erkannte, dass sie sich in dieser Branche nie zu Hause fühlen würde. Durch einen Freund kam sie zum Göttinger Tageblatt und arbeitete dort drei Jahre als Mediaberaterin im direkten Kundenkontakt. Andreas Bubner war dort einer ihrer besten Kunden. „So kamen wir auch ins Gespräch, als er mir von seiner Nachfolgesuche berichtete und zunächst mit einem Augenzwinkern sagte: ,Eigentlich suche ich genau jemanden wie Sie.‘“, erzählt Weis. „Erst dachte ich: Das ist doch eine Schnapsidee, dass ich das Unternehmen übernehme. Aber dann dachte ich: Ja, aber eine gute.“ Sympathisch ist sie, wie sie lacht und plaudert und sich nicht hinter einer gespielten Abgeklärtheit versteckt. Verantwortung für sich zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen, war ihr auch vor dieser Position nicht fremd. Bereits mit 17 Jahren zog sie zu Hause aus, machte ihr Abitur und wusste, dass sie nicht studieren gehen würde. Sie wollte Geld verdienen und etwas Praktisches machen. Und irgendwie suchte der Wunsch nach Selbstständigkeit bereits damals in ihr nach Resonanz.

Inzwischen sind die Würfel gefallen. Im November vergangenen Jahres war der Notartermin, an dem der neue Gesellschaftervertrag von Weis unterzeichnet wurde. Seit diesem Tag trägt sie für das Unternehmen die volle wirtschaftliche Verantwortung. Bubner wird noch bis Ende 2022 als angestellter Geschäftsführer für eine saubere Übergabe sorgen. „Ein paar schlaf­lose Nächte hat es mich schon gekostet“, sagt Weis ganz offen heraus. „Das hier soll mein Lebenswerk sein, denn ich habe den Vertrag nicht nur für ein paar Jahre unterschrieben. Weitere 50 Jahre werden folgen!“

27 Jahre alt und Inhaberin einer Möbelspedition, ohne, dass sie als Erbnachfolge in diese Position hineingeboren worden wäre. Dass eine Frau in dieser Branche eine solche Position übernimmt, kommt nicht allzu oft vor. „Es stimmt. Wenn Frauen in Speditionsunternehmen Chefin werden, dann meist als Familienangehörige“, sagt Weis und weiß, wovon sie spricht. Denn die junge Unternehmerin hat sich bereits in Vorfeld intensiv mit ihrer neuen Rolle auseinandergesetzt. Überhaupt überlässt sie nicht gern viel dem Zufall.

Erst wenige Monate an Bord, steckt Romina Weis noch mitten im Prozess, sich in die Unternehmenskultur zu finden und gleichzeitig ihren eigenen Führungsstil zu entwickeln. „Es ist mir wichtig, dass ich hier meine Vorstellungen integriere und mich von dem, wie es bisher lief – wenn ich mich nicht damit identifizieren kann – auch teilweise abgrenze “, sagt sie, schaut ab und an auf ihre Notizen, welche die ehrgeizige Perfektionistin für das heutige Interview vorbereitet hat. Wie das Umzugsunternehmen der Zukunft aussehen kann? „Das wird sich zeigen“, so Weis. „Vieles hängt davon ab, wie Menschen in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren leben werden.“ Wie viele Möbel, wie viele Bücher, CDs oder ‚Kleinkram‘ wird die Wohnung der Zukunft füllen? Reicht uns ein E-Book-Reader anstatt meterlanger Bücherregale? Werden wir weiterhin für jeden Job umziehen müssen? Die Veränderungen durch Corona haben gezeigt, dass ganz viel Arbeit von daheim erledigt werden kann. Vielleicht werden wir mehr Dinge, von denen wir uns nicht trennen wollen, einfach einlagern und sie so ein Leben lang behalten? Vielleicht werden Umzüge rund um die Welt zur Normalität? Die längsten Umzüge von Haberland gingen bisher von Göttingen nach Mallor­ca, Madrid, Sevilla, Alicante, Schottland, Oslo, Italien und einige nach Paris. Werden die Menschen dank der Globalisierung vielleicht in Zukunft sogar noch mehr, noch weiter umziehen? Wir werden sehen.

Eines ist aber bereits heute sicher: Die Digitalisierung schreitet überall voran – auch in der Speditionsbranche. Am Standort wird sie in den nächsten Jahren in einigen Bereichen wie der Planung und der 3D-­Erfassung von Umzügen, bei der Dokumentation von Transporten und im Büroalltag mehr und mehr integriert werden. „Und gleichzeitig ist dies ein Job, bei dem der Mensch auch in Zukunft nicht komplett durch Roboter ersetzt werden kann“, sagt die junge Chefin bestimmt. Moderner soll ihr Unternehmen werden – ohne das zu verlieren, wofür es sich in der Vergangenheit einen Namen gemacht hat: Zuverlässigkeit und Vertrauen. Darin musste die ‚Geschäftsführer-Azubine‘, wie sich Romina Weis selbst mit einem Augenzwinkern nennt, schon ein paar Lehrstunden bei den erfahrenen Kollegen nehmen. „Ich erinnere mich an eine Umzugsbesichtigung, bei der ich völlig euphorisch mit meinem iPad die Digitalisierung einleiten wollte. Aber schnell merkte ich, darum kann es hier nicht gehen. Der Mensch bleibt bei aller neuen Technik der Mittelpunkt – es ist wichtig, im Gespräch zu sein.“

Und das kann sie. Denn was sie an ihren bisherigen Jobs am meisten mochte, war der Kontakt mit Menschen und das Netzwerken in der Region. Dazu gehört natürlich auch der tägliche Gang über das Gelände. Auf dem Weg zu den Einlagerungscontainern führt uns Weis über den Hof, redet kurz mit ihren ‚Jungs‘ über Organisatorisches – ihre Position füllt sie bereits gut aus. Noch liegen hier und da Altlasten wie ein ausgedienter LKW und ein Container herum. Umweltschutzgerechte Entsorgung und Nachhaltigkeit werden Themen für die Zukunft sein. „Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, bei Umzügen auch mit gemeinnützigen Organisationen zusammenzuarbeiten und so vielen Möbeln – statt dem Weg zum Sperrmüll – noch ein zweites Leben zu bieten“, sagt sie und blickt dabei zufrieden über ihr Areal.

Handfeste Pläne für die ,neue‘ Zukunft bei ­Haberland stehen jedoch noch aus. „Ja, ich bin sehr ­perfektionistisch und werde zunächst einmal genau analysieren, wie es im Unternehmen aussieht. Wo unsere Stärken und Schwächen liegen, in welchen Bereichen konkreter Handlungsbedarf besteht und – vor allem – wie es den Mitarbeitern geht und was ihnen guttut“, erklärt die Jungunternehmerin, deren erste Wochen beinahe ausschließlich mit persönlichen Einzelgesprächen mit sämtlichen neuen Kollegen gefüllt waren. Zufriedenheit im Team ist für sie die Grundlage für Erfolg. Wie sie das erreichen will? Indem sie authentisch ist und bestimmt im Handeln. Als neue Chefin sei es für sie daher wichtig, sich ständig selbst zu reflektieren, unvoreingenommen, authentisch und verbindlich zu sein. „Wenn ich ein Versprechen an die Mitarbeiter gebe, dann muss ich dies auch einhalten“, sagt Weis bestimmt. Eine Frau, ein Wort.
„Als Geschäftsführerin in einer Männerbranche sehe ich zudem meinen Vorteil darin, dass ich einen völlig neuen Blickwinkel miteinbringe – damit wäre ich auch gern Vorbild für andere Frauen und möchte Mut machen, den Schritt zu wagen.“

Und bei all diesen Aufgaben, die sich metaphorisch auf ihren großen alten Schreibtisch legen, ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. Schnell musste Weis lernen, sich gut zu strukturieren und Grenzen zu ziehen. „Wenn ich so weitermachen würde wie in den letzten Monaten, dann werde ich früh alt“, sagt sie lachend. Daher sollen zukünftig die Wochenenden auch wieder Wochenenden werden. Gemeinsam mit Freunden und ihrem Partner, mit dem sie im nahe gelegenen Groß Schneen lebt, einfach raus in die Natur – um zu wandern und einfach mal nur zu entspannen. Wenn sie sich nicht gerade beim Crossfit auspowert. Die anfängliche Skepsis ob ihres Alters und der Position im Unternehmen ist gewichen. Geblieben ist eine Neugier, wie es weitergehen wird, mit Haberland und mit ihr.

Zur Person

Romina Weis ist seit Anfang des Jahres die neue Geschäftsführerin der Haberland Möbelspedition. Sie ist 1994 in Eschwege geboren und lebt heute mit ihrem Lebens­gefährten in Groß Schneen. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherung und ­Finanzen und arbeitete danach als Mediaberaterin beim Göttinger Tageblatt. Dass sie eines Tages Unternehmerin sein würde, war aus ihrem beruflichen Werdegang nicht vorhersehbar. Die ehrgeizige 27-Jährige ist bereits in den wenigen Monaten in ihre neue Position hineingewachsen. Ausgleich findet sie vor allem in der Natur und beim Sport.

Zum Unternehmen

Die Haberland Möbelspedition wurde Ende 1970 von Anne und Peter Haberland gegründet. Im Jahr 1992 übernahm Andreas Bubner das Unternehmen und behielt den ursprünglichen Namen bei. Als Full-Service-Umzugsunternehmen übernehmen heute die 17 Mitarbeiter und ein Auszubildender alle Aufgaben – vom Ein- und Auspacken, Ab- und Aufbauen und Transportieren über Tischlerarbeiten und Elektroinstallationen bis hin zu Sondertransporten anspruchsvoller Umzugsgüter wie eines Tresors, Konzertflügeln oder Klavieren. Mit der Möglichkeit der Ein­lagerung von Möbeln und anderen Gegenständen in anmietbaren Überseecontainern besitzt das Unternehmen ein echtes Alleinstellungsmerkmal in und um Göttingen.

www.haberland-umzuege.de

Foto: Alciro Theodoro da Silva
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