kaltgepresst. heißgeliebt.

faktor geht auf eine Reise in die Welt des Olivenöls – und bringt mehr mit als die bloße Erkenntnis, dass es eines der besten Öle Italiens auch in Göttingen zu kaufen gibt.

Ein kleines Bergdorf am Rande der Alpen, in Ligurien, gerade mal einen 25-Kilometer-Steinwurf von der Küste, von San Remo und Monaco entfernt, in der Provinz Imperia. Die Gassen – zu schmal für ein deutsches Auto – sehen aus wie ein Kellergewölbe: ein endloses Labyrinth, das durch das ganze Dorf und doch nirgendwohin zu führen scheint. An jeder Ecke kleine Kunstwerke, die Wände nicht beschmiert – bemalt. Wie eine Kulisse aus einem Hollywoodstreifen. Als wäre die Zeit hier stehengeblieben. Und diese Ruhe… Im Zentrum ein bezauberndes Plätzchen, in der Mitte zusammengewürfelte Bänke und Stühle und natürlich – ein Olivenbaum. Hier findet das Leben statt.

Und vielleicht auch schon damals. Denn schon im 17. und 18. Jahrhundert lebte die Provinz von der Produktion von Olivenöl. Über 400 Ölmühlen standen überall dort, wo sie sich antreiben ließen, wo Wasser war. Im Jahr 1900 entschloss sich auch Giuseppe – Francos Urgroßvater –, eine Ölmühle zu mieten und begann mit dem Verkauf. Es war der Anfang einer langen Geschichte, die bis zum heutigen Tag andauert. Nach Giuseppe kamen Battista und Pippo ,Roi‘ – der Spitznamengeber. Heute ist Franco an der Reihe, der mit seinem mittlerweile verstorbenen Vater seine ganze Liebe und Zeit in eine Ölmühle investiert hat, die seit vier Generationen in Familienbesitz ist. „Bis zur Generation meines Vaters besaß unsere Familie gerade einmal 600 Bäume, und die Bauern brachten uns ihre Ernte. Als wir anfi ngen, das Öl zu exportieren, wurde mir das zu unsicher“, erklärt der sonnengegerbte Olivenbauer. „Um immer den gleichen Standard anbieten zu können, mussten eigene Haine her.“ So kaufte er – zum Entsetzen seines Vaters – spontan die ersten sechs Hektar Land, und sein Mut wurde belohnt.

Es ist diese Aura von Zuversicht und Gelassenheit, die einen sofort in den Bann dieses Mannes zieht. Diese innere Ruhe – als könnte ihn nichts und niemand aus der Bahn werfen – zeigt sich übrigens auch bereits auf dem Weg hinauf in einen seiner Olivenhaine. Keine zwei Meter Platz bieten die engen und unbefestigten Wege für einen PKW – oder zwei, denn auch hier ist Gegenverkehr nicht ausgeschlossen. Kein Grund für Franco, das Tempo zu drosseln.

Unaufgeregt und entschleunigt angekommen, sitzen und liegen wir zwischen den Bäumen in 400 Metern Höhe im ligurischen Hochland hinter der Blumenriviera.

Von der Höhe bei Badalucco schweift der Blick über die fruchtbaren Ölberge mit ihren immergrünen silbrig schimmernden Blättern.

Am Horizont erahnen wir das Meer vor Imperia. Frühlingstemperaturen Mitte November machen diesen Landstrich zu einem Garten Eden. Winterzeit ist in Ligurien Olivenzeit – und das war schon früher so. Verträumt mustert Franco einen seiner jungen Bäume, der sich gerade noch im Wachstum befi ndet – ein Jungspund, wie er es einmal war. Die Parallelen sind erstaunlich, wenn man weiß, dass Franco erst mit 27 Jahren fest in den Familienbetrieb einstieg und dass auch der Olivenbaum, der in den ersten Jahren noch keine Früchte trägt, sich ca. 30 Jahre im Wachstum befi ndet. Danach, bis zu seinem 150. Lebensjahr, hat der Olivenbaum die volle Reife erreicht. Er kann Jahrhunderte alt werden und hat auch im hohen Alter noch einen großen Ertrag. Er ist sehr robust – ein wahrer Überlebenskünstler.

„Als ich jung war, wollte ich zunächst die Welt sehen und zog mit dem Rucksack hinaus in ferne Länder“, erzählt der 54-Jährige glücklich. Finanziert habe er sich die langen Reisen – von manchmal 90 Tagen um die Welt – mit Gelegenheitsjobs und dem Geld, das er sich schon damals in der Ölmühle seines Vaters dazu verdiente. Nach der Erntezeit, im Frühling, versteht sich. Er fand Freunde rund um den Globus – faszinierend, wenn man bedenkt, dass er nicht ein Wort Englisch sprechen konnte. Das kann er übrigens noch heute nicht. Eine Marotte? Ein Fehler? Wohl eher einfach Franco.

Heute hat er nur noch den einen Wunsch: zusammen mit seiner geliebten Rossella Olivenplantagen zu bewirtschaften und aus seiner Mühle ein reines und ehrliches Olivenöl in die Welt hinaus zu schicken. Auch Rossellas Großeltern betrieben über mehrere Generationen eine Ölmühle in Badalucco – einer ihrer Hainberge liegt direkt zu unserer Linken, wie Franco schmunzelnd erzählt. Das klinge nach einer wahren Liebesgeschichte, sage ich und vermute, sie hätten ihre Familien wohl mit der Heirat sehr stolz gemacht, seien sie doch beide aus demselben Holz – nämlich Olivenholz – geschnitzt. Da muss Franco herzhaft lachen und erzählt: „Als ich Rossella geheiratet habe, hat ihr Vater drei Tage lang geweint und sich im Bad eingeschlossen. Ich war einfach der verrückteste Typ im Dorf.“ Ein Hippie mit langen Haaren und Bart sei nicht die richtige Wahl für seinen Schwiegervater gewesen. „Heute ist er mit der Wahl aber doch ganz zufrieden“, ergänzt er mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.

Und warum auch nicht. Er ist nicht nur ein prima Typ, sondern auch noch erfolgreich. Das ganze Jahr hat Franco gut zu tun. Denn die Qualität des Olivenöls fängt in den Hainen an. Die Pfl ege der Bäume ist entscheidend. Alle zwei bis drei Jahre müssen sie beschnitten werden. Zum einen, damit neue Triebe nachwachsen können, zum anderen, damit die Bäume nicht zu groß werden und man zur Olivenernte bis in die Baumkrone klettern muss … denn hier läuft alles per Handarbeit: In den steilen Hängen größere Geräte für die Aussaat oder die Ernte einzusetzen, geschweige denn eine Leiter ist schlicht nicht möglich. Kein ungefährlicher Job – müssen die Artisten doch so manches Mal allein mit Manneskraft hoch hinaus.

Im Frühjahr kommt frischer Humus auf die Felder – altes Laub aus dem Vorjahr. Im Oktober beginnt die Erntezeit mit dem Auslegen und Vernähen der Netze, die unter den Bäumen wie ein Schleier ausgebreitet werden. Sie dienen dazu, die herabfallenden Blätter und Früchte aufzufangen. Einen Monat vor Beginn der eigentlichen Ernte wird zunächst das alte Laub der Bäume entfernt. Hierzu laufen die fl eißigen Männer wie Gespenster unter den Netzen die Hänge hinunter und schütteln die Blätter bergab – die Schwerkraft am steilen Hang dient hier ganz klar als Vorteil. Klingt nach einer einfachen Arbeit, doch die Helfer von Franco haben auf den 20 Hektar gut zu tun.

Mit dem Trappa, einem leichten Stock aus Kastanien- oder Bambusholz, schlagen die Arbeiter dann im nächsten Schritt gegen die Äste der Bäume, und so fallen die grünen und schwarzen Oliven, die sich noch an den Zweigen festhalten, in die Netze. Auch sie werden anschließend talabwärts geschüttelt, um sie dort einsammeln zu können. Der perfekte Erntezeitpunkt ist übrigens, wenn ein Baum 40 Prozent grüne, unreife und 60 Prozent schwarze, reife Oliven trägt.

Die Gelassenheit der Helfer bei dieser doch nicht ungefährlichen Arbeit im Olivenhain entspricht einer der vielen Tugenden dieses langlebigen Baums, mit dessen Öl bereits im Altertum Könige gesalbt und Leiden kuriert wurden, das der Körperpfl ege diente, Licht spendete und beruhigend wirkte.

Auch auf Franco und uns wirkt dieser ,Künstler‘ beruhigend. Würde man es nicht besser wissen, so könnte man annehmen, der fröhliche und unbeschwerte Italiener, der neben mir seinen prickelnden ,Aperitivo‘ genießt, sei hier im Urlaub – doch weit gefehlt. Unten im Tal, keine 500 Meter Luftlinie, wartet vor seiner Mühle die Arbeit des Jahres auf ihn. Es ist Erntezeit in Badalucco und anderswo. In der Regel sollten die Oliven innerhalb von 24 Stunden nach der Ernte verarbeitet werden, sonst verlieren sie durch Fermentation ihren fruchtigen Geschmack und die gute Qualität.

Kein Grund zur Hektik für Franco. In aller Ruhe brechen wir auf, aber nicht direkt zur Mühle. Wir legen einen Zwischenstopp ein – so viel Zeit muss sein – und kehren ein in eine kleine steinerne Hütte mitten in seinem Olivenhain, die zum Unterstellen der Werkzeuge und als Pausenstation für die Mitarbeiter dient. Auf einem kleinen Herd in einem kleinen Kaffeebereiter, in dem sich scheinbar der Geschmack aus vier Generationen eingebrannt hat, macht Franco uns ein ,schwarzes Glück‘. Zwischen den gemauerten Terrassen und eingerahmt von malerisch knorrigen Stämmen genießen wir es. Über uns die grünen Netze über das Dach gespannt. Keine Olive soll für das flüssige Gold verloren gehen.

Aber was macht das Öl von Franco so besonders? Es ist wohl zum einen die Lage, deren klimatische Bedingungen die Vielfalt der Vegetation ermöglichen: Kastanien, Feigenbäume, Ginster, Gänseblümchen, Mimosen, Thymian usw. Sie alle sind mit entscheidend für den Geschmack, denn die Oliven saugen wie ein Schwamm die Düfte ihrer Umgebung auf. Viel entscheidender ist allerdings die Tatsache, dass es in dieser Region nur eine einzige Olivensorte, die Taggiasca- Olive, gibt. „Dieser Umstand ist einem Pater zu verdanken, der im 14. Jahrhundert nach Taggia – das benachbarte Dorf von Badalucco – kam“, erzählt Franco. Dieser erbaute dort ein Kloster, und die Benediktinermönche begannen mit dem organisierten Olivenanbau in den ligurischen Tälern und Höhen. Nur durch das Errichten von Terrassen in den steilen Hügeln war es überhaupt möglich, hier Olivenbäume zu pflanzen. Die Mönche kultivierten eine Olive, die auch in der eher unwirtlichen Gegend Liguriens gedeihen kann und eine Ernte erwirtschaften lässt. Daher gibt es in dieser Region praktisch nur diese eine Olivensorte und nur dadurch eine Qualität, die bei Kennern in der ganzen Welt anerkannt ist.

Keine schlechten Voraussetzungen also, um mit einem Öl aus dieser Ecke der Welt erfolgreich zu sein – doch ich frage mich zunehmend, ob das wahre Geheimnis des Erfolgs von ,Carte Noire‘ nicht vielleicht in diesem Italiener selbst liegt.

Auf dem Heimweg im Auto klingelt unentwegt Francos Handy. Der nächste Bauer aus der Gegend – ein Freund, natürlich – möchte heute noch sein Öl bei ihm pressen lassen, ob das denn heute wohl noch ginge. „No problema, si, claro.“ Mit keiner anderen Reaktion wurde hier gerechnet. „Ciao, Franco, Ciao!“ Ich verstehe kein Wort italienisch, doch man muss die Sprache nicht können, um die Selbstverständlichkeit herauszuhören. Vor der Mühle angekommen, warten bereits sechs weitere ,Freunde‘ mit ihren vollgepackten Kis ten und Säcken – beides gut geeignet für den Transport von Oliven, so kommt keine Luft an die sensiblen Früchte. „Jede Familie im Dorf besitzt mindestens 15 eigene Olivenbäume“, wie der Hausherr uns erzählt. „Das bedeutet, sie bringen ihre Oliven zu mir und lassen ihr eigenes Öl herstellen. Sie nehmen mit, was sie für ein Jahr brauchen und verkaufen mir den Rest.“ Der Tag in der Mühle wird also noch lang. Wir fühlen uns dennoch nicht fehl am Platz – im Gegenteil. Wir sind willkommen. Es scheint das Normalste der Welt, zu Gast bei Familie Boeri Roi zu sein, auch im geschäftigen Treiben in der Hochsaison. Rossella führt uns durch die Produktion.

Vor der Mühle werden die Oliven zunächst gewogen und die Blätter entfernt und per Maschine nach Größe sortiert: die großen als Ess-Oliven – sie werden später in Salzlake eingelegt –, die kleinen für das Öl. Das ,Carte Noire‘ wird übrigens nur aus perfekten, unbeschädigten Oliven gewonnen. Danach kommen die runden Früchte in die ,Waschmaschine‘ und wandern über eine Röhre ins Innere der Mühle. Dort umgibt uns ein Nebel aus Öl, der das Gefühl vermittelt, mit jedem Atemzug ein wenig mehr davon aufzunehmen.

Dank einer alten Steinmühle kann die Familie Boeri Roi das ,Carte Noire‘ – ein Tropföl – herstellen. „Die Oliven werden zwischen drei alten traditionellen Granitsteinen gemahlen“, erklärt Rossella den Vorgang. „Unser Öl stammt einzig und alleine aus der ersten kalten Pressung. Das bedeutet, dass die Pasten weder erhitzt werden noch später der Most mit warmem Wasser gemischt wird.“ Dieser Vorgang dauert gute 45 Minuten. Im Anschluss verteilt einer der Arbeiter die Olivenpaste mit der Hand auf runde Pressmatten.

Und nun setzt ein besonderer Vorgang ein, dessen Ergebnis das ganz besondere Öl – Francos Exportschlager – ist. Sind die Matten übereinander gestapelt, rinnt das Öl ohne Ausübung von Druck aus der Paste und wird aufgefangen. Dadurch ist es einzigartig fruchtig und mild im Geschmack.

Danach kommt der Stapel für 30 Minuten in eine Presse, bis auch der letzte Tropfen gewonnen ist. Dieses Öl wird zu guter Letzt noch in eine Zentrifuge geleitet, um die ,Spreu vom Weizen‘ zu trennen, denn aus der Olive kommen 40 Prozent Wasser, 40 Prozent Fruchtfl eisch bzw. feste Bestandteile und gerade einmal 20 Prozent Öl. Das fi nale Ergebnis, eine knallgrüne Flüssigkeit, kann man nach ca. 1,5 Stunden direkt am Ausgang der Maschinerie testen, wo es für den Abtransport fertig in einen großen Behälter läuft. Je grüner, desto fruchtiger! Es schmeckt frisch, ein wenig bitter und trotzdem mild und irgendwie grün. Und es schmeckt nach liebevoller Handarbeit. „Öl herzustellen ist schwer, es zu verkaufen noch schwerer“, sagt Franco mit einem Augenzwinkern auf die Frage, was er das restliche Jahr macht, wenn nicht gerade Erntezeit ist. „Besonders schwer, wenn es eine gute Ernte war, wie dieses Jahr 2013.“ Dabei hat er ein Lächeln im Gesicht, denn er hat ja auch gut lachen.

Heute verkauft er 97 Prozent seiner Erzeugnisse ins Ausland – in 22 Länder von Kanada bis Südafrika, nur drei Prozent in Italien. „In Italien ist Öl selbstverständlich“, erzählt uns einer, der es wissen muss: Remo Viani, Feinkostexperte und Importeur aus Göttingen, und wie könnte es anders sein, ein guter Freund von Franco. „Es gibt eine andere Wertschätzung im Ausland, Spitzenköche und gastronomische Trends haben dies mit sich gebracht.“ Vor 30 Jahren war Franco einer der ersten, die nach Deutschland exportierten. Als sein Importeur aus Frankfurt vor 15 Jahren starb, fragte er bei einem bekannten großen Pastaproduzenten in Italien nach, wer denn wohl der Beste in Deutschland für sein Öl sei. Darauf gab es nur eine Antwort: Familie Viani in Göttingen. Als Franco herausfand, dass die Familie nur eine Stunde von Badalucco entfernt ihre Wurzeln hat, war die Sache kurzerhand entschieden. Es war Freundschaft auf den ersten Blick und noch bis heute… „Überzeugend war auch, dass die Familie Viani italienisch spricht – und nicht nur Englisch.“

Für die Vianis zählte natürlich auch die Qualität. Auf die Frage, warum gerade Francos Öl für ihn zu den besten zählt, macht Remo Viani noch einmal die Besonderheit des ,Carte Noire‘ deutlich. „Es gibt sicherlich auch viele andere gute Olivenöle aus Italien“, sagt er, „doch neben dem außergewöhnlichen Klima, dem außergewöhnlichen Anbau direkt auf den erdarmen Granitböden der Hänge und der vielfältigen Pfl anzenkultur, die den Geschmack des Öls beeinfl ussen, ist es auch die Exklusivität.“ Von der ganzen Olivenölproduktion Italiens stammen gerade einmal 0,5 Prozent aus der Region von Imperia. „Franco hat den großen Wert der Taggiasca-Olive erkannt und die wertvolle Tradition vorheriger Generationen der guten und vor allem ehrlichen Handarbeit und eines reinen Produktes erkannt und auch genutzt“, erklärt Remo – und er muss es wissen.

Seit 1999 ist Remo Viani Gründungsmitglied und professioneller Verkoster des deutschen Olivenölpanels, um für die Verbraucher den Markt zu kontrollieren. „Denn diese“, so Remo, „haben einfach nicht das notwendige Wissen.“ So bedeute zum Beispiel ,Extra Vergine‘, also ,total rein oder jungfräulich‘, nichts anderes, als dass ausschließlich Oliven in der Flüssigkeit verarbeitet wurden. Über die Qualität der Oliven selbst sage dieses Label allerdings nichts aus. „Schlechtes Öl ist relativ einfach zu kaschieren“, erklärt uns Remo. „Gerade große Hersteller verschneiden schlechtes Öl im Handumdrehen.“ In Italien gibt es aus diesem Grund schon länger das Gütesiegel D.O.P., das belegt, dass ein Öl nach einer bestimmten Art und Weise hergestellt wurde und aus einem defi nierten Anbaugebiet kommt – eine harte Kontrolle. Remo gründete ein deutsches Kontrollgremium und verkostet und bewertet nun gemeinsam mit mindestens sieben weiteren ausgebildeten Experten die Öle in Deutschland – bzw. diejenigen, die zur Überprüfung eingereicht werden, denn dies läuft auf freiwilliger Basis. Sowohl in Deutschland als auch in Italien. Eine Frage der Ehre für Franco, sich dieser Prüfung zu unterziehen.

Zu dieser Ehre gehört es für den Italiener auch, seine Gäste im eigenen Wohnzimmer mit dem Besten zu verwöhnen, was die Küche hergibt. Wir sitzen mit Rossella und Franco an ihrer rustikalen Holztafel im Untergeschoss. Hinter uns an der Wand Zeichnungen und liebevolle Texte von vorherigen Besuchern, über uns rumort ohne Unterlass die alte Mühle. Es ist 22 Uhr abends und noch kein Ende in Sicht.

Rossellas einfacher Salat aus reifen Tomaten und die Pasta aus der großen Schüssel mit grünem Pesto – natürlich hergestellt mit eigenem Öl – schmecken köstlich. Unsere Teller verzieren wir eigenhändig mit dem frischen Olivenöl vom selben Tag. Ich schmecke seine Qualität und handwerkliche Herstellung. Seine Süße und Nussigkeit – ein harmonisches Pendant. Trotz seiner Milde besitzt es rustikale Noten und eine gewisse Schärfe, die auch gut zu weißem Fleisch wie Gefl ügel und Kaninchen passen würden. „Man schmeckt natürlich, ob ein Steak in gutem oder schlechtem Öl angebraten wird“, erklärt Remo mir in ausgelassener Runde. Es sei wie beim Wein. Er selbst habe drei bis vier verschiedene Öle zu Hause zu den unterschiedlichsten Speisen – von grün bis mild. „Gutes Öl bewahrt seine kostbaren Eigenschaften übrigens länger, wenn man es kühl und dunkel lagert, im Kühlschrank zum Beispiel“, gibt er noch mit auf den Weg. „Man darf nie vergessen, dass Hitze und Licht die größten Feinde des Olivenöls sind.“ Freunde des Öls hingegen gibt es viele. Und Essen und Trinken gehört hier ebenso dazu wie die Freundschaft. Kein Wunder, dass am selben Tisch schon Jamie Oliver mit Francos Familie Kaninchen zubereitet und verspeist hat – der hat sich auch für dieses besondere Öl entschieden. Als ich Franco die Oliven anreiche, offenbart er mir noch einmal seine ,Verrücktheit‘. „Ich mag keine Oliven!“, sagt er mit seinem mir nun so vertrauten Lächeln. In seiner Kindheit sei wohl etwas vorgefallen, an das er sich nicht mehr erinnere. Es macht ihn mir nur noch sympathischer, denn, nun kann ich es ja verraten, ich mag auch keine Oliven, aber gutes Olivenöl!

Und trotz eben dieser ,Verrücktheit‘ – oder vielleicht auch gerade deswegen – läuft es so gut für Franco. Und er plant noch weitere aberwitzige Geschichten mit seinen Oliven, wie zum Beispiel eine eigene Produktpalette nur mit der Taggiasca-Olive – hier sei nicht zu viel verraten, aber etwas davon gibt es demnächst auch bei Remo Viani im Göttinger Geschäft zu probieren. Vielleicht ein neuer Exportschlager?

Doch Geld spielt im Leben ohnehin keine Rolle für Franco. Für seine Familie und die nächste Generation hat er nur einen Wunsch: „Glück und Spaß und viele Freundschaften in der ganzen Welt.“ Und auch wir haben das Gefühl, hier mehr als nur das Wissen mitzunehmen, warum das ,Carte Noire‘ eines der besten Öle Italiens ist – neue Freunde und den Wunsch: Wir wollen wiederkommen!

Foto: Alciro Theodoro da Silva
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