Frauenpower im Forst

Friederike Elisabeth Marciniak gehört zu den wenigen Försterinnen. Um in diesem Beruf anzukommen, musste sie manchen Umweg nehmen. Heute ist sie  gemeinsam mit ihrem Mann für die Betreuung von über 4.000 Hektar Wald  verantwortlich und engagiert sich aktiv für die nächste Generation.

„Im Wald wird es jedes Jahr wieder Frühling. Es geht immer weiter.“

Üppig grüner Wald. Auf einer kleinen Lichtung äsen friedlich Rehe mit ihren Jungen. Ein Förster streift mit der Flinte über der Schulter durch sein Revier, an der Leine zerrt und bellt sein Dackel. Kaum ein Beruf scheint so romantisch verklärt wie der des Försters. Friederike Elisabeth Marciniak lacht bei dieser Vorstellung. „Früher mag es eine Zeit gegeben haben, in der es so idyllisch zugegangen ist“, sagt die junge Försterin. „Heute bedeutet Forstwirtschaft vor allem auch Büro­arbeit.“ Dennoch sei es ihr Traumberuf – und sie habe die Entscheidung, in Göttingen Forstwirtschaft zu studieren, nie bereut. Ihren Jagdschein hat Marciniak ebenfalls vor fünf Jahren gemacht, ohne dabei das Klischee bedienen zu wollen. „Ich habe allerdings keine Flinte, sondern eine Büchse“, sagt sie – kleine Feinheiten, die den Unterschied machen.
Zum Interviewtermin öffnet eine junge, hochschwangere Frau die Tür ihrer Wohnung in einem Dorf nahe des Seeburger Sees. Kein Forsthaus aus Holz inmitten eines Waldes – um auch mit diesem Klischee aufzuräumen. Friederike Elisabeth Marciniak lebt in einer Vier-Zimmer-Wohnung mit ihrem Mann und ihren Jagdhunden. Schnell kommen wir ins Gespräch. Ihr Mann Dominik hatte von der Aktion von faktor zum Weltfrauentag gehört, bei welchem starke Frauen in der Wirtschaft gesucht wurde. Er schrieb heimlich eine lange, sehr liebevolle Mail an die Redaktion, über seine Frau, die seit 2021 seine Geschäftspartnerin und Teilhaberin der Wald & Jagd Marciniak GbR ist. Er selbst ist ebenfalls Förster. Bereits 2019 gründeten sie gemeinsam das Unternehmen – damals noch als Einzelunternehmen, da seine Frau noch studierte „Wir sind zwei gleichberechtigte Gesellschafter, die zufällig auch verheiratet sind“, sagt Friederike Marciniak augenzwinkernd.

Die Bedeutung der Forstwirtschaft im Wandel der Zeit

Als ‚Familienunternehmen‘ betreut das Ehepaar die Waldflächen privater und kommunaler Waldeigentümer – das reicht von Gutachten bis zur Jagd. Forstwirtschaftliche Betreuung bedeutet jedoch auch vollständiges Management von der Planung der Pflanzungen über den Einschlag bis zum Verkauf des Holzes. Über 4.000 Hektar Wald sowohl in der Region rund um Northeim und den Harz als auch in Nordrhein-Westfalen liegen derzeit in ihren Händen. Forsteinrichtungen führen sie in derzeit vier Bundesländern durch. Nicht selten werden sie nach ihrer Expertise gefragt – auch in der Presse. Denn der Wald ist derzeit in aller Munde. Erst der Borkenkäfer, der die Fichtenbestände reduziert hat, und dann die andauernde Trockenheit, die ihr Übriges tat, um bei einer Wanderung im Harz einen sterbenden Wald sichtbar zu machen. „Im Wald wird es jedes Jahr wieder Frühling. Es geht immer weiter“, sagt die gebürtige Duis­burgerin voller Zuversicht. Natürlich entstehen durch die erzwungenen Ernten viele Freiflächen. Doch mit kreativen und innovativen Planungen steht der Wald vor einer ganz neuen Zukunft. Was viele Menschen jedoch nicht wissen. Mischwälder sind nicht der Ur­zustand unserer Waldflächen. Mischwälder brauchen Forstwirtschaft.
Warum sie sich mit ihrem Mann entschieden hat, als Unternehmen in die private Forstwirtschaft zu gehen und Waldbesitzer bei der Erhaltung ihrer Wälder zu unterstützen, hat mehrere Gründe. Einer davon ist die Chance, Generationenarbeit zu leisten und mitzugestalten. Der Wald der Zukunft kann in ihren Augen keine Monokultur sein – egal welcher Baumart. Stattdessen setzen sie auf Risikostreuung. Das bedeutet zwei bis drei Baumarten pro Hektar mit gestaffelten Altersstrukturen der Bäume. Noch nie gab es in der Fortwirtschaft so ­viele Möglichkeiten der Gestaltung, unter anderem dadurch, dass so viele Baumarten zur Verfügung stehen. Bis zu 50.000 Bäume pflanzen sie allein bei einem Waldbesitzer pro Herbstpflanzung. „Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, wäre es ja einfach“, sagt die Försterin, „wichtig ist aber, auch Nadelholz zu pflanzen – denn das brauchen wir ganz sicher in Zukunft.“
Und einfach, das weiß Marciniak, war ihr Weg nie. „Ich habe mich bis hierher ganz allein durchgeboxt“, erzählt sie von ihrem steinigen Werdegang. Nach ihrem Realschulabschluss erlangte sie das Fachabitur mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Soziales. Familiär in diesem Bereich vorgeprägt – Mutter und Tante waren als Kinderkrankenschwestern tätig – begann sie im Anschluss daran, an der Hochschule für Gesundheit in ­Bochum Ergotherapie zu studieren. Als Kind einer Arbeiterfamilie war sie die Erste, die ein Abitur ablegte und ein Studium begann. Nach zwei Semestern stand jedoch der Entschluss fest, sich noch zu verändern. „Meine Familie hätte es lieber gesehen, wenn ich nach dem abgebrochenen Studium eine handfeste Ausbildung gemacht hätte. Doch nach einem Praktikum im Forst wusste ich, dass ich noch einmal studieren werde – aber dieses Mal das Richtige“, so die 29-Jährige.

Nachhaltiges Management für zukunftsfähige Wälder

Woher die Faszination für den Wald und somit die Forstwirtschaft kommt, weiß sie nicht. Es gab nicht diesen einen, alles entscheidenden Moment oder eine Kindheit, die sie ausschließlich im Wald verbrachte. Letztlich ist es auch egal. Ihre Augen strahlen, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Und das, obwohl sie als Frau in einer Männerdomäne, wie sie selbst sagt, immer etwas mehr „ihren Mann als Frau stehen“ muss. Was ihr bisher gemeinsam mit ihrem Mann sehr gut gelungen ist. Das Unternehmen ist in den zwei Jahren als GbR so sehr gewachsen, dass sie mittlerweile drei Förster eingestellt haben – und die Wald & Jagd Marciniak GbR soll weiter wachsen.
„Fleißig sein, das ist wichtig“, sagt sie, „das ist es, was zählt.“ Daran wird sich auch nichts ändern, wenn ihre Tochter auf der Welt ist. Sehr wahrscheinlich wird sie als ‚Waldkind‘ aufwachsen. Ob Tragetuch und geländefähiger Buggy, das wird sich zeigen. So wie sie bisher ihren Weg gegangen ist, wird Friederike Marciniak ihn auch weiter gehen. „Ich bleibe auf jeden Fall nicht zu Hause“, sagt sie, während sie liebevoll die Hände auf ihren Bauch legt. „Wenn ich das gewollt hätte, wäre ich einen einfacheren Weg gegangen, als mich in der freien Wirtschaft selbstständig zu machen.“ Forstwirtschaft ist eine Aufgabe, die generationenübergreifend plant. Wer heute die jungen Bäume setzt, wird nicht den Einschlag planen. Und so wird auch die junge Familie den Wald der Zukunft für ihre Kinder und weitere Generationen planen und auf einen guten Weg bringen. Es braucht diesen jungen, innovativen Geist in der Forstwirtschaft, damit wir alle eines Tages wieder durch gesunde, grüne Wälder wandern. ƒ

Kontakt
Wald und Jagd Marciniak GbR
Hünstollenstraße 14a
37136 Waake
Tel. 05507 4850537
www.wald-jagd.de
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