200 Ansätze für mehr Klimaschutz in Göttingen

Die sieben Handlungsfelder des Klimaplans Göttingen

Bauen und sanieren

Arbeiten und Wirtschaft

Energieerzeugung

Mobilität

Nachhaltig leben

Kommunale und zivilgesellschaftliche Transformation vorantreiben

Anpassung an den Klimawandel

Die Stadt Göttingen will Ernst machen: Mit ihrem im Dezember gefassten Beschluss will sie bis zum Ende des Jahrzehnts das Ziel der Klimaneutralität erreichen. Grundlage hierfür ist der Klimaplan Göttingen 2030. In einem offenen Prozess hatte die Stadt im Jahr 2020 ihre Bürger dazu aufgerufen, Klima-Ideen einzureichen. Aus den 745, die dabei herausgekommen sind und die für den Klimaplan 2030 gesichtet wurden, wurden rund 200 Projekte und Maßnahmen entwickelt, die nun in verschiedenen Etappen umgesetzt werden sollen.

Die Schwerpunkte

Die Projekte sind bunt gemischt und auf sieben Handlungsfelder verteilt. Dabei ist ein Schwerpunkt klar zu erkennen. „Wir haben festgestellt, dass bei Gebäuden ein sehr hohes Potenzial für eine CO2-Minderung vorhanden ist – vorranging bei der Heizung, aber auch beim Stromverbrauch“, erzählt Dinah Epperlein, Leiterin des Referats für nachhaltige Stadtentwicklung in  Göttingen. „Deswegen sind diese Maßnahmen für uns am wichtigsten.“ Das heißt: Gebäudesanierung hat Top-Priorität. Zwar lässt sich auch im Neubaubereich mit dem Stand der Technik noch  einiges mehr herausholen, aber Neubau spielt in Göttingen mangels Platz kaum eine Rolle. Der Baubereich ist allerdings auch der Bereich, der einen langen Atem braucht – weil die  Vorlaufzeit länger ist und mit Blick auf die Gesamtstadt nicht alles auf einmal gemacht werden kann. Und noch etwas ist eine Herausforderung: Die Entscheidung zur Sanierung und  dementsprechend zu nicht unbeträchtlichen Investitionen ist Sache der Privatbesitzer – die Handlungsmöglichkeiten der Stadt sind begrenzt. Der Plan sieht deshalb vor, über ein  Quartierskonzept Wohngebiete zu identifizieren und diese unter verschiedenen Gesichtspunkten – energetische Sanierung, Lebensqualität, notwendige Anpassungen an den Klimawandel – zu  betrachten, um anschließend Angebote zu entwickeln, die Eigentümer zur Investition motivieren sollen. Im Blick hat die Stadt hier zunächst Wohngebiete, die vor 40 oder 50 Jahren  entstanden. Liegen Gewerbeflächen in dem jeweiligen Quartier, so werden dafür ebenfalls Angebote entwickelt.

Ein Fokus gezielt auf Industrie- und Gewerbegebiete wird anfangs jedoch noch nicht verfolgt. „Für Gewerbegebiete gibt es noch kein Förderangebot der KfW, zudem liegt das große  Einsparpotenzial zunächst in den Wohngebieten“, erklärt Epperlein. Dennoch laufen mit der GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen und der  Energieagentur vor Ort bereits Gespräche, um Beratungsangebote für Unternehmen zu entwickeln und diese über die bestehenden Netzwerke zu verbreiten. Adressiert werden sollen vor allem  kleine und mittlere Unternehmen. Man will keine Zeit verlieren – deswegen sollen bereits in diesem Jahr alle 14 beschlossenen Sofortmaßnahmen begonnen werden. Die Leitprojekte sollen in den kommenden fünf Jahren starten und umgesetzt werden. Priorität haben die Maßnahmen, die schnelle und große Einsparungen bringen oder eine hohe Multiplikatorwirkung entfalten und  zum Mit- bzw. Nachmachen anregen.

Der Klimaplan ist dabei keine starre Agenda, die wie eine Checkliste abgearbeitet wird. Im Gegenteil: Das Ziel stehe zwar fest, aber seine Maßnahmen seien dynamisch, so die Verantwortliche.  „Wir werden immer wieder schauen, ob es neue Ansätze gibt, die wir aufgreifen können“, sagt Dinah Epperlein. „Etwa, wenn sich die Rahmenbedingungen für Förderungen verändern – dann  lassen sich wieder neue Maßnahmen entwickeln. Das heißt, wir werden uns jedes Jahr aufs Neue mit der Politik über den weiteren Kurs abstimmen.“

Der Weg zum Erfolg

Ebenso intensiv werden alle Maßnahmen durch ein Monitoring des Erfolgs insgesamt sowie auf der jeweiligen Einzelprojektebene begleitet. „Wir messen uns an den selbst gesteckten Zielen“, sagt Epperlein. „Wie sich also die Energiebilanz der Stadt und die Höhe der Treibhausgasemissionen entwickelt haben.“ Für die Stadt sei das eine richtige Herausforderung. „Denn der Erfolg unserer Vorhaben hängt von Entscheidungen Einzelner zu Investitionen ab, die wiederum von den Rahmenbedingungen des Landes und des Bundes beeinflusst werden.“ Ein Negativbeispiel  zu Jahresbeginn war der plötzliche Stopp des Bundesprogramms für die Förderung effizienter Gebäude (BEG), weil die Mittel all zu schnell ausgeschöpft waren. „Dadurch ist bei privaten und  professionellen Investoren eine ganz große Unsicherheit entstanden“, erläutert Epperlein. „Das Programm hat viel Gutes bewirkt – aber die aktuelle Entwicklung zeigt, wie rasant sich solche  Rahmenbedingungen auch einmal negativ entwickeln können.“ Im Falle des BEG hat die Bundesregierung jedoch kurzfristig gegengesteuert und das Programm mit zusätzlichen Mitteln  ausgestattet. Das heißt, jenseits des eigenen Wirkungskreises der Stadt – was also kommunale Betriebe, Schulen, Materialbeschaffung, öffentlichen Nahverkehr betrifft – sind die Handlungsmöglichkeiten begrenzt, und es ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs und eine Zurückdrängung des privaten Verkehrs beispielsweise setzt  nicht nur die entsprechenden Angebote voraus, sondern schafft auch Konfliktkonstellationen, etwa wenn es um eine Verknappung von Parkplätzen in der Innenstadt geht. Das macht das  Erreichen der städtischen Klimaziele zu einer echten Herausforderung. „Ich will deswegen auch keine Euphorie verbreiten“, sagt Epperlein, „aber wir merken auch, dass sich gesellschaftlich in  den letzten Jahren sehr viel geändert hat. An vielen Stellen rennen wir inzwischen offene Türen ein.“

Für ein sehr fundamentales Problem, das mit der Energiewende verbunden ist, bietet aber auch der Klimaplan keine Lösungen. Zwar werden bei jeder Maßnahme auch soziale Auswirkungen  betrachtet, doch das Kostenproblem für sozial schwache Menschen löst sich dadurch nicht. Die Energiepreise für Privathaushalte in Deutschland sind die höchsten in der EU und liegen etwa 50  Prozent über dem EU-Durchschnitt. In den letzten zehn Jahren sind diese Stromkosten um rund 20 Prozent gestiegen. Das verteuert nicht nur die Stromrechnung, sondern etwa auch  Warenpreise. Gleichzeitig ist die deutsche Armutsquote bei rund 16 Prozent verfestigt. Zugegeben, die grundsätzlichen Lösungen dafür können nur in Berlin diskutiert werden, auswirken tun  sie sich dennoch vor Ort. Das ist kein Argument gegen Klimamaßnahmen, aber ein Argument dafür, die zunehmenden sozialen Verwerfungen rund um die Energiefrage nicht unter ,ferner  liefen‘ zu betrachten. ƒ

Projekte, die Klimaschutz in Unternehmen fördern sollen

Umweltpartnerschaft mit Unternehmen
Die Stadt Göttingen will eine Plattform ,Die Umweltpartnerschaft der Göttinger Unternehmen‘ aufbauen, auf der Unternehmen und ihre Klimaschutzprojekte hervorgehoben werden und so öffentliche Resonanz erzeugt werden soll.

Unterstützungsangebote klimaneutrale Unternehmen
Unternehmen sollen durch kompetente Beratung auf ihrem Weg zur betrieblichen Klimaneutralität unterstützt werden. Das umfasst eine fachliche Beratung für Klimamaßnahmen, ihre Umsetzung und finanzielle
Unterstützung für die Einbeziehung externer Dienstleister in diesen Prozess.

Ansiedlungsförderung klimafreundlicher Unternehmen
Es soll eine Strategie entwickelt werden, wie gezielt klimafreundliche Unternehmen für eine Ansiedlung am Standort Göttingen gewonnen werden können. Angedacht sind unter anderem subventionierte Grundstückspreise
oder besondere Förderprogramme für nachhaltige Maßnahmen.

Inkubator Energieeffizienz und Klimaschutz
Start-ups im Energiebereich, Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbereich sollen durch eine gezielte Gründerförderung unterstützt werden. Das kann unter anderem die Bereitstellung von Infrastruktur, Coaching oder Finanzierungshilfe sein.

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