Die Kammer der Wunder

Es ist ein Ort, prall gefüllt mit weltlichen Gegenständen und Geschichten, die nirgendwo sonst auf diese besondere Art und Weise zusammenpassen: die Wunderkammer in Hann. Münden. faktor ist eingetaucht in Dr. Wolfs Museum voller skurriler und gewöhnlicher Zusammenhänge.

Der knöcherne Schädel eines Rindes hängt an einem Faden von der Decke, Taschenuhren sind an der Wand aufgereiht. Eine alte Kommode sitzt still in der Ecke, Schrammen und Kanten bezeugen lange Reisen und spannende Inhalte. Kein Zentimeter des engen Hann. Mündener Altbaus ist ungenutzt. Jede Ecke, jeder Quadratmeter Wand und jede Fläche ist Ablage für ein Stück große und kleine Weltgeschichte. Skurriles liegt hier neben Gewöhnlichem, nie Gesehenes neben Alltäglichem. Erst in dieser Komplexität und Zusammenstellung entfaltet jeder kleine Gegenstand seine volle Wirkung.

Daniel R. Wolf bzw. Dr. Wolf, wie er sich nennt, ist promovierter Kunsthistoriker. In tausenden Museen war er, sah Kunst, die nur vom Wissen um ihre Bedeutung wirklich lebt. In einer Wunderkammer ist das anders. Jeder Gegenstand, so ordinär er sein mag, hat eine Reise durch Welt und Zeit hinter sich, bis er seinen Platz bei Dr. Wolf gefunden hat. Die zugehörigen Geschichten gibt dieser voller Leidenschaft weiter. „Wir haben ein Messer, das einem Schamanen gehört haben soll“, erzählt der beeindruckend aussehende Mann, der das Museum gemeinsam mit seiner Frau Sarah führt. Meistens finden sie die Gegenstände in Haushaltsauflösungen, auf Flohmärkten oder unter Sammlern. „In diesem Fall wissen wir das, weil die Besitzerin einen Zettel angeheftet hatte.“

Eröffnung im April 2020

Die Kammer der Wolfs war zunächst ein Sideboard, dann ein Schrank, schließlich eine Wand und später ein ganzes Zimmer in der Privatwohnung. „Da haben wir natürlich keine Besucher empfangen, aber über soziale Medien ein großes Publikum erreicht“, erzählt Sarah Wolf, selbst Künstlerin. Lebendig werden diese Sammlungen aber erst mit einer echten Begegnung, sodass im April 2020 die Wunderkammer in Hann. Mündens Innenstadt öffnete. „Ein großartiges Datum“, sagt Daniel R. Wolf. Denn so richtig öffnen durften und konnten sie nicht. Die Öffentlichkeit kam wegen der Coronapandemie zum Erliegen, die Eröffnung der Wunderkammer blieb eine stille.

Schon im Eingangsbereich wird dem Besucher klar, dass er hier in eine außergewöhnliche Welt eintaucht – ein wenig besitzt die Wunderkammer die Anmut eines mittelalterlichen Marktes, des Büros einer Wahrsagerin oder einer bunten Trödelsammlung. Wer will, entdeckt auf jedem Quadratzentimeter einen neuen Gegenstand, eine neue Geschichte und eine neue Fantasie. Wem das nicht auf Anhieb gelingt, der lässt sich von Dr. Wolf durch seine Wunderkammer führen und lauscht seinen Ausführungen.

„Ein bisschen kann man sich hier verlieren. Deshalb ist es wichtig, nicht alleine durchzugehen“.

Vieles dort ist, allein betrachtet, schaurig und gruselig. Jeder Gegenstand hatte einen Anfang und hat bald auch ein Ende – die Wunderkammer zeigt, was dazwischen passiert. Alles, was ausgestellt ist, wurde für diesen Ort ausgesucht und mit Absicht platziert. „Eigentlich könnte ich hier jeden Tag umräumen“, sagt Sarah Wolf schwärmerisch und gleichzeitig ein wenig wehmütig. Dieser Raum, dieses wachsende Gesamtkunstwerk, nimmt seine Energie auch aus der andauernden Veränderung.

„Es ist ein lebendiges Museum voller Geschichte und Geschichten“, erklärt Daniel R. Wolf. Damit will er sich auch von einer Kunst abgrenzen, die in seinen Augen zwar wichtig ist, aber nur dann wirklich greifbar wird, wenn man sich wissenschaftlich damit beschäftigt und das Spiel und den Hype mitmacht. „Klassische Museen haben auch einen klassischen Bildungsauftrag. Sie sollen objektive Fakten vermitteln“, sagt Wolf. Dabei entstand die Idee des Museums eigentlich in solchen Wunderkammern, in der scheinbar losen Zusammenstellung von Gegenständen aus aller Welt.

„Wir sammeln und archivieren Geschichten und hinterfragen diese gemeinsam mit unseren Gästen. Wir denken mit Dingen, könnte man auch sagen.“

Immer wieder ist Neues zu entdecken. Vor allem aber, dass die Welt voller Wunder ist. Wie dieser außergewöhnliche Ort in Hann. Münden. Auf jeden Fall eine Reise wert. ƒ

Fotos: Alciro Theodoro da Silva

Sie können es nicht abwarten? Dann tauchen Sie jetzt direkt ein in die Welt der Wunder und lassen sich in unserem faktordigital-Video von Dr. Wolf auf eine außergewöhnliche Reise durch seine Geschichte(n) mitnehmen.

 
YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Über Dr. Wolfs Wunderkammer

Grundsätzlich kann ein Besuch in der Wunderkammer immer von Donnerstag bis Sonntag gebucht werden. Auch spontane Führungen sind möglich – aber nur, wenn der Doktor im Hause ist und die Kapazitäten es zulassen. Ohne vorherige Buchung gibt es keine Termingarantie!www.dr-wolfs-wunderkammer.de

TOP

entdeckt, entwickelt & erzählt Erfolgsgeschichten