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Die unsichtbaren Helden der Lichttechnik: Auer Lighting liefert seit 75 Jahren Optiken für intelligente Beleuchtungssysteme. Die Glas-Profis aus Bad Gandersheim setzen damit weltweit Maßstäbe in der Scheinwerferindustrie: von der Autobranche bis nach Hollywood.

Uns machen zwei Dinge aus: Glasqualität und Presspräzision. – Dieter Simon

Zum Unternehmen

Die Auer Lighting GmbH mit Sitz in Bad Gandersheim wurde 1948 gegründet und hat heute rund 350 Mitarbeiter, die einen Jahresumsatz im hohen zweistelligen Millionenbereich erwirtschaften. Auer Lighting ist ein Tochterunternehmen der amerikanischen Gruppe Advanced ­Lighting Technologies (ADLT). Das Unternehmen hat ­einen großen internationalen Kundenstamm: Rund 80 Prozent des
Umsatzes werden im Auslandsgeschäft erwirtschaftet. Die Spezialgläser, die Auer Lighting produziert, werden in der Automobilindustrie, der Unterhaltungstechnik und der Optoelektronik eingesetzt.
www.auer-lighting.com

Auer Lighting fährt in vielen Autos mit, und wer den neuesten Blockbuster im Kino sieht, kommt ebenfalls in den Genuss der Lichttechnik der Glas- und Beschichtungsprofis aus Bad Gandersheim. Auch wenn der Name Auer Lighting dem Autokäufer oder Cineasten kein Begriff ist – in der Welt der großen Produzenten von Scheinwerfern sind ihre Spezialgläser und Reflektoren international eine feste Größe. Kein Holly­wood-Film, kaum ein Oberklassewagen, der nicht die Auer-Technik einsetzt, denn die hat sich als Maßstab für höchste Präzision und Verlässlichkeit bewährt.

Überwindung der Herausforderungen der Pandemie und Wachstumstrends

Das Unternehmen ist vor allem in drei Branchen erfolgreich unterwegs: Automobil, Unterhaltungstechnik und Optro­nik. Die Produkt­palette von Auer umfasst dabei optische Gläser, Spezialglas, Filter und Präzisionskomponenten für die verschiedensten Anwendungen. Aber auch besondere Nischen werden bedient: Zum ­Beispiel muss Sichtglas in Brennkesseln, etwa für die ­Alkoholherstellung, temperaturresistent, langlebig und lebensmittelgeeignet sein. Alle drei großen Geschäftsbereiche ­zeichneten etwa gleichstark für den Umsatz verantwortlich. Doch pandemiebedingt hat der Unterhaltungsbereich mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 80 Prozent massiv gelitten – kein Kino, keine Veranstaltungen und Bühnenshows, kein Equipmentbedarf. Doch mittlerweile geht es wieder deutlich aufwärts.
Der Automobilbereich hingegen wächst nun bereits seit mehreren Jahren sehr stark. „Unser Automobil­geschäft ist unabhängig von der Antriebsart“, erklärt Dieter Simon, einer der beiden Geschäftsführer von Auer. „Egal, ob Verbrenner oder E-Auto, eine energieeffiziente starke Frontbeleuchtung brauchen alle.“ In die Hände hat Auer auch gespielt, dass im Autobereich das passiert ist, was der Fernsehmarkt schon hinter sich hat: Die Bildschirmröhre ist verschwunden, die LED-Technologie hat sie ersetzt. Gerade bei den Frontleuchten kommt es auf höchstmögliche Fahrbahnausleuchtung ohne Blendung des Gegenverkehrs an. Dazu bedarf es außer einer intelligenten Lichtsteuerung auch hochleistungs­fähiger Optiken, um bei bestmöglicher Leuchtstärke ein Minimum an Energieaufwand einzusetzen. „Für intelligentes Licht am Fahrzeug führt kein Weg an Glas-­Optiken vorbei“, sagt Simon, der für den technologischen Bereich zuständig ist.

Technologische Spitzenlösungen in Präzisionsoptik und Beschichtungen

Die Fokussierung auf halbleiterbasierte Leuchtmittel wie LED und Laser ist verhältnismäßig neu. Auslöser war die Gesetzgebung in der EU, den USA und Asien, die ab den 2010er-Jahren effizientere Beleuchtung ­gefordert haben. Das hat innerhalb von nur wenigen Jahren dazu geführt, dass die guten alten Wolframdraht-­Glühlampen fast vollständig und selbst die Halogen-­Lampen weitgehend vom Markt verschwunden sind.
Etwa Mitte der 2010er-Jahre wurden in den Autoscheinwerfern sukzessive auch die kaltblau leuchtenden Xenon-Lichtquellen durch LEDs ersetzt und für maximale Reichweite mit Laser ergänzt. „Darin haben wir für uns ein Potenzial gesehen, weil diese neuen Systeme sehr kompakt gestaltet werden sollten, um mehr Designfreiheit zu haben“, erklärt der promovierte Maschinenbauer. „Gleichzeitig sollte mehr Lichtleistung für eine bessere Straßenausleuchtung erreicht werden.“ Seitdem liefert Auer an viele Hersteller von Frontscheinwerfern solche Lösungen und entwickelt sie kontinuierlich weiter.

Im Highend-Bereich werden etwa hochauflösende Lichtsysteme mit einer Auflösung von mehr als 10.000 Pixel eingesetzt. „Derartige Systeme verhalten sich fast schon wie Projektoren und benötigen eine größere Anzahl von Linsen zur Lichtsteuerung“, sagt Simon. „In diesen objektivähnlichen Systemen müssen fast zwangsläufig beschichtete Linsen eingesetzt werden.“ Ansonsten multiplizieren sich die Reflexionsverluste auf einen Lichtverlust von 25 bis zu 35 Prozent. Auer ist zudem das einzige Unternehmen, das mit seinem speziellen Aufdampfverfahren dafür keine Reinräume braucht. Das macht sich am Ende auch im Energieverbrauch bemerkbar: Ein großes optisches System, dessen Optik im Vergleich eine 30 Prozent geringere Lichtausbeute hat, benötigt nicht nur mehr Energie für vergleichbare Fahrbahnhelligkeit, es braucht auch mehr Kühlung – das macht das System am Ende größer und teurer.
Das starke Geschäft mit den Autoscheinwerfern war auch der Grund für die Investitionen von über zehn ­Millionen Euro, die in den letzten beiden Jahren in Präzisions­presstechnologie und die zugehörigen CNC-­Werkzeugmaschinen geflossen sind.
Geht man durch die moderne Fertigung der asphärischen Glaslinsen, braucht man selbst im Winter nur ein T-Shirt: Hier werden die Rohlinge auf 800 Grad erhitzt, geformt und bearbeitet und dann kontrolliert auf 80 Grad heruntergekühlt. Auf zwei Straßen läuft die robotergestützte Produktion kontinuierlich wie am Fließband, und doch ist das kein Massenprodukt, was hier ,vom Band‘ läuft, weil ausschließlich kundenspezifisch produziert wird.

Geschäftsführer Dieter Simon (l.) und Christoph Schüller

„Neben unserer tollen Mannschaft machen uns zwei Dinge aus: Glasqualität und Press­präzision“, sagt Dieter Simon und illustriert den Vergleich zur Konkurrenz mit einem Beispiel aus der Filmproduktion. Die dort eingesetzten Scheinwerfer nutzen immer noch ein inzwischen über 200 Jahre altes Prinzip von Augustin Jean Fresnel, das der Stufenlinse – einer gewölbten Linse, deren Oberfläche wellenförmig geformt ist. Damit lassen sich Schattenwürfe bestmöglich vermeiden. Die größten dieser Linsen haben einen Durchmesser von einem halben Meter und gehen nach Bolly- und Hollywood. „Wenn Sie eine solche Linse von uns und von einem chinesischen Konkurrenten auf ein weißes Blatt Papier legen, dann sieht das Papier unter unserer Linse weiß, unter der anderen Linse dagegen deutlich verfärbt aus“, erklärt Simon. „Wenn die einzelnen Stufen der Linse nicht scharf abgepresst werden, kommt es zu einer Schattengebung.“ Einschlüsse und Unreinheiten im Glas führen zu Flecken oder Punkten auf der Leinwand.

Auer Lighting hat den großen Vorteil, dass sie eine eigene Glasschmelze betreibt – eine stetige Weiterentwicklung aus der Zeit, als Auer Lighting noch zum Glasproduzenten Schott AG gehörte. Gleichzeitig muss heute jedes Glas, das in höherwertigen optischen Systemen eingesetzt wird, beschichtet werden. Auer hat dafür nicht nur unterschiedliche, hochkomplexe Beschichtungsanlagen, sondern auch aufwendig ausgestattete Messlaboratorien und unterschiedliche lange Lichttunnel. So kann die hauseigene Forschung und Entwicklung die Grenzen des technisch Machbaren immer weiter verschieben und in Zusammenarbeit mit den Kunden maßgeschneiderte Produkte entwickeln.
„Wir sind einer der wenigen Hersteller weltweit, die in der Lage sind, alles aus einer Hand anzubieten“, erklärt der zweite Geschäftsführer Christoph Schüller, der für den Finanzbereich von Auer verantwortlich ist. „Wir können innerhalb weniger Tage Prototypen von Glaslinsen durch Fräsen, Polieren und Beschichten herstellen. Hohe Stückzahlen in gleichbleibender Qualität ist für uns Prinzip und als Automobilzulieferer ein Muss.“
„Das hohe Niveau der Gandersheimer hat ein großes Netzwerk in die gesamte optische Industrie hinein entstehen lassen“, sagt Schüller selbstsicher. „Egal, wo Sie sind, in Japan, den USA oder Europa, wenn Sie eine optische Komponente aus Glas brauchen, wird unser Name fallen.“ Und gerade, weil Auer eben keine Massenprodukte von der Stange liefert, spricht man auf Augenhöhe mit den Kunden, denn die Kompetenz von Auer ist nicht einfach austauschbar. „Wir liefern nicht nur ein Produkt, sondern unsere Experten helfen konkret bei der Lösung von technischen Problemen“, erzählt der studierte Betriebswirt. „Das ist ein erheblicher Unterschied in der Arbeit.“

So entstehen auch immer wieder spannende Projekte in der Zusammenarbeit mit Star-Wars-Schöpfer George Lucas, der immer ein Vorreiter von modernstem Technikeinsatz in seinen Filmen war, hat einmal gesagt, dass nicht die Technik zuerst kommt und der Produzent Möglichkeiten für ihren Einsatz findet, sondern es genau umgekehrt sei: Der Filmemacher hat eine Vision und entwickelt dazu passend die Technik. Ähnlich lief es mit Auer Lighting und dem Film Avatar von James Cameron. „Für die 3D-Technik in Avatar wurde in den Kinoprojektoren eine ganz andere Lichtleistung notwendig“, erzählt ­Simon. „Das war unglaublich spannend, gemeinsam mit Projektorenherstellern daran zu arbeiten.“

Dieses Jahr feiert Auer Lighting das 75. Jahr seines Bestehens. Trotz hoher Energiekosten sehen die beiden Geschäftsführer sehr zuversichtlich in die Zukunft. Mittelfristig seien die Entwicklungen in den Märkten absehbar gut. „Die Kombination aus Werkstoff, Technologie und der Fähigkeit, dem Kunden ein maßgeschneidertes Produkt anzubieten, macht uns so erfolgreich“, sagt Schüller überzeugt.

Das Mantra des Unternehmens sei, dass die Qualität des Standortes aus der Kompetenz mit Präzisionspresstechnologie und Glas kommt, so Simon. Insbesondere Spezialglas sei extrem langlebig und leiste nach 50 Jahren im Einsatz immer noch dasselbe. „Das heißt, wir punkten mit Lebensdauer und Perspektive.“ ƒ

Fotos: Alciro Theodoro da Silva
Zu den Personen

Dieter Simon hat in München Maschinenbau studiert und dort promoviert. 1995 begann er bei der Schott AG, für die er 1998 in ein Joint Venture nach Malaysia ging, das er bis 2002 als Managing Director leitete. Nach seiner Rückkehr übernahm er die Leitung des weltweiten Beleuchtungs­geschäfts bei Schott, unter anderem gehörte Bad Gandersheim dazu. Nach der Übernahme von Auer Lighting durch Advanced Lighting Technologies wurde ihm gemeinsam mit Christoph Schüller die Geschäftsführung angeboten.

Christoph Schüller studierte Betriebswirtschaft und begann 1998 als Trainee bei der Schott AG. Im Rahmen des Trainee-Programms lernte er Dieter Simon bereits in ­Malaysia kennen, anschließend war er im Finanzbereich bei Schott beschäftigt. 2004 wechselte er konzernintern nach Bad Gandersheim. Als die Verkaufsverhandlungen von Auer abgeschlossen waren, übernahm er gemeinsam mit Dieter Simon die Geschäftsführung von Auer Lighting.
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