Mit Risiken und Nebenwirkungen

Der Apotheker Hermann Rohlfs übernahm vor über 25 Jahren die Rats-Apotheke in Uslar. Die allein war ihm aber schnell zu langweilig. Heute beschäftigt er mehr als 1.000 Menschen an Standorten bundesweit und schuf in Namibia mehrere Naturschutzgebiete. Mit faktor spricht der Unternehmer zum ersten Mal öffentlich über den Spaß am Streit mit großen Gegnern und der Sehnsucht nach einer heilenden Welt.

„Wenn ich merke, dass etwas gesagt wird, das aufgenommen wird, und es kommt darüber ein Projekt zustande – das macht mir Spaß. Auch wenn es mir nicht erspart geblieben ist, viel zu streiten:
Streit mag ich nicht.“

Wer einen Spaziergang durch die Innenstadt  Uslars macht, bekommt wunderschönes Fachwerk zu sehen. Das Alte Rathaus im Zentrum, ein Markt und eine
historische Rats-Apotheke. In ihren von grün gestrichenem Holz umrahmten Fenstern stehen alte Salbenflaschen und dunkle Flakons neben historischen Fotos. In der Offizin – dem Verkaufsraum – greifen die Mitarbeiter in dunkle Holzschubladen nach Waren und Medikamenten. Dieser noch heute erhaltene Charme war es, der Hermann Rohlfs nach dem Studium dazu gebracht hat, die Apotheke zu kaufen. Damals war er selbst erst 24 Jahre alt und neben der Auszubildenden der Jüngste im Team. Trotz seines jungen Alters hörte man ihm aber gern zu. „Du hast irgendwas zu erzählen, was der andere interessant findet oder nicht. Das macht man ja nicht am Alter fest“, sagt Rohlfs, Jahrgang 1963. Als junger Mann hatte er klare Vorstellungen vom Leben. „Heute sind Ärzte und Apotheker zum Verarmen verdammt, aber damals war das anders.“ Er wollte es ihnen gleichtun und entschied sich nach dem Abitur bewusst dazu, Apotheker zu werden. 

Dass er damals wie heute eine Menge zu erzählen hat, zeigt der Weg, den der Unternehmer seit dem gegangen ist. Auch wer beim Spaziergang durch die Innenstadt Uslars hin zur Rats-Apotheke aufgepasst hat, weiß trotzdem nicht, dass sich inzwischen hinter vielen Häusern mehrere Labore befinden. Schon kurz nach dem Kauf der Apotheke hat sich Rohlfs auf die Herstellung besonderer Medikamente fokussiert. „Nur Apotheker zu sein war mir schnell zu langweilig“, sagt er. Als in den 1990er Jahren deutsche Onkologen begannen, eigene Praxen zu eröffnen, war sein Moment gekommen. Denn sie brauchten Medikamente für die Chemotherapie, erzählt Rohlfs. Und dort setzte er an, stellte her, verarbeitete,
lieferte. 

Auch der Geist der Rats-Apotheke wirkte positiv auf seine Offenheit für Neues. Als eine der ersten Apotheken produzierte und verkaufte sie vor mehr als 100 Jahren schon in die ganze Welt. „Es ist die Aura da gewesen, das hat mich auch inspiriert.“ In Uslar beschäftigt Hermann Rohlfs inzwischen rund 250 Menschen in unterschiedlichen Fachbereichen. Noch einmal so viele Menschen arbeiten jeweils an Standorten in ganz Deutschland. Insgesamt beschäftigt Rohlfs rund 1.000 Menschen. Aber Uslar ist die Hauptstadt seines Unternehmens, Rohlfs erster Lehrling arbeitet noch
heute mit ihm dort.

Damit das so bleibt, investiert Hermann Rohlfs weiter in die Standortqualität. Vor allem, um Fachkräfte in das recht abgelegene Uslar zu ziehen. Den Mitarbeitern steht ein eigenes Bistro zur Verfügung. Mit dem Projekt ,Quartier 21‘ wird aus einem Altbau, dank
Niedrig-Energie-Sanierung, bezahlbarer Wohnraum für neue Mitarbeiter geschaffen. „Wenn du von irgendwo jemanden herholen willst, dann ist die erste Frage: Wo kann ich da wohnen?“, sagt Rohlfs und stellt damit seine eigene Lösung vor. Mit seinem Unternehmen ist er neben Bikeleasing und dem Autohaus Siebrecht größter Arbeitgeber vor Ort. Gemeinsamkeiten gibt es aber kaum, meint Rohlfs. „Wir kennen uns. Aber wir sind Botschafter der Betriebe, nicht Botschafter der Region.“

Rohlfs ist kein komplizierter Mann. Was er erzählt, hat er auch erlebt. „Ich habe nie ein Vorbild gehabt. Auch keinen väterlichen Helfer.“ Spätestens als seine Firmengruppe wuchs, wurde ihm klar, dass er nicht mehr am Tresen stehen und gleichzeitig den Markt erobern kann. Er fing an, Leitungspositionen zu besetzen und Aufgaben zu verteilen. Seit einigen Jahren hält sich Hermann Rohlfs im Hintergrund auf, managed und inspiriert, leitet an und entscheidet. Seine Aufgabe sei es, den Gesamtüberblick zu behalten. „Dirigent passt ganz gut“, sagt er. „Ich fasse selbst nichts mehr an, trotzdem bin ich immer der Sparringspartner.“ 

Diese Gespräche, dieser Austausch mit den Leitungspersonen in seinem Unternehmen, bereiten ihm Freude. Auch weil er Führungspersönlichkeiten nach einem klaren Kriterium auswählt. „Die allerwichtigste Eigenschaft eines Managers, mit dem ich zusammenarbeiten mag, ist die Kommunikationsfähigkeit und die Bereitschaft zu kommunizieren.“ Wer stattdessen die fachliche Qualifikation mitbringt, als Typ aber eher introvertiert ist, passt nicht ins Unternehmen. In leitender Position sei es wichtig, zu allen Seiten zu berichten: zu den Kollegen, zum Chef und zu den Kunden. „Die Bereitschaft, das ständig zu tun, zusammenzufassen, zu horchen und das dann auszutauschen und immer wieder zu reflektieren“, erklärt Rohlfs, was für ihn das Allerwichtigste ist. „Wenn ich merke, dass etwas gesagt wird, das aufgenommen wird, und es kommt darüber ein Projekt zustande, das macht mir Spaß.“ Dazu gehört auch, unterschiedliche Ansichten auszudiskutieren und im Zweifel auszustreiten. Aber: „Auch wenn es mir nicht erspart geblieben ist, viel zu streiten: Streit mag ich nicht.“

Der Kampf gegen Bayer und NovaRtis

Noch viel weniger aber mag er Ungerechtigkeit. Als Rohlfs recht früh die Labore erweitert, vergrößert sich auch sein Angebot. Unter anderem bereitet er für Ärzte Spritzen zur Behandlung des Auges vor. „Die Hersteller der Wirkstoffe wollten verbieten, dass wir diese Spritzen zubereiten. Sie sind gegen uns Apotheker zu Felde gezogen, Bayer und Novartis.“ Den Apothekern  wurde deutschlandweit das Geschäft durch ,die Großen‘ untersagt, auch die Aufsichtsbehörde schloss sich dem an. „Dann haben es sich alle Apotheker verbieten lassen. Ich nicht.“ 

Rohlfs sieht sich im Recht, argumentiert – und bekommt Recht. „Ich bin nach Hannover gefahren, habe mich mit meiner Aufsichtsbehörde auseinandergesetzt, und ging raus mit einem Zettel auf dem stand: Der Rats-Apotheke ist es nicht verboten.“ Noch am selben Tag liegt das Schreiben in jedem Faxgerät der ihm bekannten Augenärzte. Zu dem Zeitpunkt sind fast alle Wettbewerber vom Markt verschwunden, was ihm statt Applaus noch mehr Ärger einbringt. Bayer und Novartis klagen auf Schadenersatz in Millionenhöhe. „Das hat mich schlaflose Nächte gekostet. Ich habe gedacht: Mit wem hast du dich da angelegt?“ Das Landgericht in Hamburg gibt ihm zunächst kein Recht. Der Europäische Gerichtshof allerdings schon. „Seit dem trage ich den Button: Bayer-Bezwinger“, sagt Rohlfs. Dankbar ist ihm die Zunft dafür aber nicht: Apotheken sehen ihn als Konkurrenz und „auch die Behörden mögen mich nicht, weil ich oft anderer Meinung bin und das zu vertreten weiß“.

Eine Reise um das Geld

Die Anekdote und der Kampf um Gerechtigkeit erzählt auch viel über die Art und Weise, wie Hermann Rohlfs seinen Lebensweg beschreitet. „Ich will mein Schicksal aktiv gestalten. Ich komme in einen Raum oder eine Situation und überlege mir, wie wäre es denn schön für mich?“ Rohlfs will handeln, bewegen, verändern. Immer. „Auf jeden Fall finde ich mich eigentlich nie mit irgendeiner Situation ab. Ich schaffe Situationen.“ Er mag es, Grenzen auszuloten und bei Bedarf „auf legale und kämpferische Weise“ auch zu verschieben. Als Unternehmer hat er finanziell ausgesorgt. Beim anschließenden Wort „aber“ lehnt er sich nach vorn, „ich habe nach einer sinnvollen Art gesucht, Geld einzusetzen“. Sein Geld möchte er für Natur- und Artenschutz einsetzen. „Das ist etwas, das ich anstrebe und für das ich mein ganzes Streben einsetze“, sagt Rohlfs. „Ich möchte zum Erhalt unseres Lebensraumes mit meinem Schaffen beitragen.“ 

Die Sicht auf Namibia

Schon Ende der 1980er Jahre besuchte er zum ersten Mal Namibia und fühlte sich wohl. „Ich bin viel gereist und habe mir die Welt angeguckt.“ Zehn Jahre später traf er eine Entscheidung. „Dort möchte ich gerne irgendwas machen, was aber auch gar nichts mit dem zu tun hat, was ich derzeit mache.“ Er kaufte Land, eine Farm und baute die erste Lodge. Mit dem Ziel, anderen jene Sicht auf das Land zu ermöglichen, wie er sie hat. Er macht einen Flugschein. Nicht aus Leidenschaft fürs Fliegen, sondern um schnell von A nach B zu kommen. Mittlerweile ist Hermann Rohlfs, nach eigenen Angaben, zweitgrößter Lodgebetreiber in Namibia. Ein Film, der ihn beim Fliegen, in den Lodges und bei den Tieren zeigt und von Dennis Vogt (u. a. Projekt Antarktis) produziert wurde, wird als bester Tourismus-Film ausgezeichnet.
Parallel entwickelte er die Idee, Naturschutz zu betreiben. 

DIe Lust am Tun

Aus der „Lust am Tun“, wie Rohlfs es nennt, wurde ein Großprojekt. Denn die Einnahmen des Tourismus sollten den Naturschutz finanzieren. „Das ist jetzt mein Hauptengagement. Es ist wichtig, dass wir auf unsere Natur aufpassen.“ Uslar, Namibia, „warum steckt man in beidem drin?“, fragt sich Rohlfs selbst und schiebt die Antwort hinterher. „Entweder macht man es richtig oder gar nicht.“ Geld ist für den Unternehmer inzwischen Mittel zum Zweck. „Alles, was ich verdiene, wird entweder in den Laden in Uslar investiert, oder es wird für die Sachen in Afrika genommen.“ Im Heil der Natur sucht Rohlfs das Heil für sich selbst, das motiviert ihn, treibt ihn an. „Da habe ich meine Freude dran“, sagt er. „Das macht mich einfach glücklich.“

Fast die Hälfte des Jahres ist Rohlfs deshalb in Afrika. „Dem da entfliehen“, sagt er und zeigt aus dem Fenster auf den grauen Himmel über Uslar. Wenn er könnte, wäre er nur noch dort. Zugleich steckt er mit voller Leidenschaft in beiden Welten und hat sich dieses scheinbar ambivalente Leben so ausgesucht. Zur Zeit der Pandemie und des Lockdowns und als kein Flugzeug mehr in Richtung Europa flog, gab es auch einen seltenen Moment, als Hermann Rohlfs Uslar vermisste. Zu lange war er fort, zu lange in der Wüste, Stunden entfernt von der nächsten Stadt. 

Zuletzt verbrachte Rohlfs wieder mehr Zeit in Uslar. Gerade so viel, dass die Sehnsucht nach dem fernen Kontinent unerträglich wurde. Die Tage und Stunden bis zum Abflug zurück nach Namibia hat er gezählt und herbeigewünscht. Auch im Wissen, dass der Laden in Uslar läuft, kann er jetzt mit freiem Geist in Richtung Afrika aufbrechen. Dort, wo er helfen möchte, die Natur ins Gleichgewicht zu bringen. ƒ

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