faktor testet den ersten Hybrid-Ferrari

Der Unternehmer und überzeugte Fan erneuerbarer Energien Ingo Stephan testet den neuesten Hybrid-Ferrari.

Zur Person

Baujahr: 1968
Geburtsort: Freiburg
Ausbildung: Ausbildung zum Elektriker (Wolfsburg), dann Zivildienst in Göttingen, seit 2003 selbstständig
Aktuelle Stelle: Geschäftsführer bei 1Komma5° GmbH
Familienstand: verheiratet, zwei Kinder
Erstes Auto: Golf 2, amerikanische Ausführung
Aktuelles Auto: Audi E-Tron

 

Für Ferrari war es eine Premiere, als sie Anfang des Jahres einen Sechszylinder in eines ihrer Autos verpflanzt haben. Und während die eingefleischten Tifosi – also Ferrari-Fans – wahlweise einen Rosenkranz beten oder ihren Acht- bis Zwölfzylinder streicheln, haben die Auto- und Motorenbauer aus dem Süden Italiens direkt noch einen Elektromotor dazu gesteckt. Das Ergebnis heißt Ferrari 296 GTB, ist ein waschechter Hybrid – und ein echter Ferrari?

Diese Frage soll Ingo Stephan für faktor beantworten. Der Geschäftsführer von 1Komma5° Göttingen, einem Kompetenzzentrum für Gebäudetechnik auf der Göttinger Siekhöhe, setzt seit Jahren auf Strom und die Energiewende. Mit Erfolg. Wer sonst sollte also Ferraris ersten V6-Elektroflitzer testen?

Ingo Stephan ist von Nachhaltigkeit überzeugt

Bereits der Weg zum Autohaus in Hannover – die Moll Sportwagen Hannover GmbH, einer der wenigen Ferrari-Händler in Deutschland – läuft stilecht ab, denn wir reisen von Göttingen mit Stephans Elektro-Audi in die Landeshauptstadt. Bei einer kurzen Ladepause auf halber Strecke sprechen wir über Idealismus im Handwerk, den Wunsch, die Welt zu retten, und den Traum jedes Jungen, einmal Ferrari zu fahren. Alle diese Dinge, da ist sich Ingo Stephan sicher, werden uns irgendwann gelingen. Zumindest Letzteres – die Fahrt im Ferrari – ist nur noch ein paar Kilometer entfernt.

Fotovoltaik, Wärmepumpen, Elektromobilität. Stephan und die 1Komma5° GmbH reiten das Thema der Zeit. Die Auftragsbücher sind voll, das Unternehmen, ehemals Bode & Stephan, wächst. Anfang des Jahres kam der Namenswechsel, hinter dem so viel mehr steckt. „Wir sind jetzt Teil der Holding und damit sehr viel schlagkräftiger“, sagt der Gründer. Wir sind auf der A7 in Richtung Hannover, den E-Audi fährt Stephan jetzt seit rund drei Jahren. Aus Überzeugung. „Und weil ich weiß, dass Elektroautos die besseren Autos sind.“ Durch den Namenswechsel werde auch deutlich, wie viel Idealismus in allem steckt, was er, sein Geschäftspartner Alexander Pape und die rund 80 Mitarbeitenden so vorhaben. Es braucht die Energiewende, das haben die vergangenen Monate gezeigt. Von Göttingen aus bringt 1Komma5° diesen Change in die privaten Haushalte. „Wir arbeiten derzeit an 20 Objekten gleichzeitig“, sagt Stephan. Strom vom Dach, Wärme aus der Erde, Energie für das Auto. Was so einfach klingt, füllt bei vielen Handwerksbetrieben aktuell die Auftragsbücher über Monate und Jahre.

Der Tausch: E-Audi gegen Hybrid-Ferrari

Doch bei aller Sinnhaftigkeit, aller Vernunft und allen Wünschen für eine nachhaltige Zukunft: Mobilität ist auch Leidenschaft. Das wird spätestens klar, als der E-Audi das große Ferrari-Logo in Hannover passiert und eine Steckdose sucht. Unser Auto für den Tag, ein tiefschwarzer Ferrari 296 GTB, wartet bereits unter der hoch stehenden Sonne. Erstmals hat Ferrari hier einen Sechszylindermotor gebaut. Normalerweise setzen die Sportwagen auf acht Zylinder oder in großen GT-Modellen sogar auf zwölf Zylinder. Das ist nicht nur eine Entscheidung der Ingenieure, sondern auch eine Haltung, die sich bei den Fans bis ins Mark verankert hat. Mit dem Mini-Motor beginnen diese zu zweifeln, zu fragen: Ist das überhaupt noch ein Ferrari?

Die Antwort ist einfacher, als es sich der Purist vielleicht wünscht: ja, der Ferrari 296 GTB. Denn gemeinsam mit dem Elektromotor krallen sich 830 PS über die Hinterachse in den Asphalt. Aufgrund der speziellen Bauweise klingt der Sechszylinder auch größer, als er eigentlich ist. Fast doppelt so groß, wünschen sich zumindest die Ingenieure – und haben am Ende recht. Das macht unterm Strich mächtig Dampf, wie ein wilder Tiger beißt und brüllt es hinter dem Fahrersitz.

Mit Vorsicht und Respekt traut sich der rechte Fuß von Ingo Stephan heran, die Bestie zu zähmen. „Es braucht nur einen kleinen Tipper“, sagt der Unternehmer mit weit aufgerissenen Augen begeistert. Dann schaltet die Automatik wie bestellt um drei Gänge herunter, das ganze Auto meldet: Ich bin bereit. Lass uns loslegen. Und genau das passiert dann auch. Das blaue Autobahnschild salutiert und gibt die Spur frei. Der GTB ist ein kompakter und leichter Sportwagen, das Leergewicht von 1,4 Tonnen lässt die 830 PS schnell hinter sich. Auch ab 300 kennt der Ferrari nur eine Richtung. Nach 2,9 Sekunden war die 100 geknackt. „Mit Autofahren hat das wenig zu tun“, resümiert Stephan nach der ersten Stunde. „Das ist ein Biest.“ Aber ein wunderschönes. „Und sicher fühlt es sich auch an. Die Straßenlage ist brachial.“ Die Angst, einen Fehler zu machen, nimmt zumindest das Wissen um die dicke Bremsanlage,
mit Scheiben so groß wie bei anderen Autos die Räder. Fast 400.000 Euro kostet dieses hybride Abenteuer aus Maranello. Wartezeit: rund anderthalb Jahre. Mittlerweile parkt der Edelsportwagen vor der 1Komma5°-Firmenzentrale in Göttingen. Mitarbeiter kommen aus dem Gebäude, machen Fotos, freuen sich: „Endlich ist der neue Dienstwagen da.“ Ein Ferrari ist
kein Auto. Ein Ferrari ist eine Erscheinung, ein Ereignis. Ein Abenteuer.

Die Zukunft der Energie ist smart

Bevor wir wieder losgefahren sind, führt Ingo Stephan noch durch sein Büro. Oder besser: seinen Proberaum. Denn neben dem Schreibtisch steht ein komplettes Schlagzeug. „Ja, wir haben eine Band, und manchmal proben wir hier“, sagt Stephan eher zurückhaltend. „Letze Woche, da hatten wir aber einen Auftritt hier im Foyer, für Freunde und Kollegen.“ Seine Frau singt, Kumpels besetzen Bass und Gitarre. Gespielt wird, was gefällt und wem es gefällt. Dazu Bier, Brause und Fleisch vom Grill. Der GTB ist beinahe wie so ein Konzert. Ein bisschen drüber, unerwartet – aber mit Bier und Brause.

„Es braucht ein Umdenken“, sagt Stephan zurück am Steuer und meint die Haltung der Menschen zum Thema Energie. Strom kommt in Zukunft nicht einfach aus der Steckdose, ist nicht mehr binär: an, aus. Die Energieversorgung der Zukunft ist schlau, ist vernetzt und kommuniziert mit dem Verbraucher. „Das kann sie schon jetzt“, sagt der Göttinger Unternehmer. Intelligente Systeme erkennen Zeiten, in denen mehr Strom gebraucht als produziert wird – oder andersherum – und leitet zwischengespeicherte Energie wie in einem Netzwerk hin und her. Von Haus zu Haus, Stadt zu Stadt oder Land zu Land. „Nur so kann es funktionieren. Smart.“

Dann klappt es auch mit der Elektromobilität: schnelles Laden, intelligentes Reisen. Die erneute Pause auf der A7 bietet Entschleunigung und Zeit, um weiteren Gedanken nachzugehen. Zum Beispiel darüber, was ein Ferrari mit Elektromotor in den Köpfen und Herzen der Menschen macht, die ernsthaft an die Elektromobilität glauben. Und mit denen, die sie verspotten. „Ich denke schon, dass das auffällt. Aber mit gerade einmal 25 Kilometern elektrischer Reichweite muss man den Ferrari als Elektroauto nicht ernst nehmen“, sagt Ingo Stephan. Es zeige aber auch, dass selbst Sportwagenhersteller die Vorteile in der Elektromobilität erkennen. Auch, wenn diese andere Schwerpunkte setzen.

Es ist wahr, sagt der 54-Jährige, dass die ersten guten Elektroautos eher etwas für den erweiterten Geldbeutel sind. „Aber das war immer schon so mit neuer Technologie.“ Für die überzeugten E-Mobilität-Gegner ist diese Aussage aber wohl genauso polarisierend, wie sie für die eingefleischten Ferrari-Fans ernüchternd ist. „Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier“, sagt Stephan und zieht damit sein heutiges Fazit zurück in Hannover. Es brauche erst einen Kick wie 830 PS auf der Hinterachse oder die nächste Nebenkostenabrechnung, um wirklich inspiriert zu werden und etwas ändern zu wollen. Gut also, dass es dann in jedem Fall eine Lösung gibt: etwas Fotovoltaik aufs Dach oder einen Ferrari in der Garage. Zumindest Letzteres sei für Ingo Stephan aktuell allerdings keine Option. Doch wer weiß – vielleicht irgendwann einmal… Auch die Kollegen würden den neuen Dienstwagen sicher mehr als begrüßen. Bis dahin bleibt es aber das, was es sein soll: ein automobiler Traum. ƒ

Zum Auto

Modell: Ferrari 296 GTB
Motor: Hybrid, V6 Turbo, Elektromotor
Leistung: Verbrenner 663 PS, Elektromotor 167 PS, kombiniert 830 PS
Höchstgeschwindigkeit: >330 km/h
Beschleunigung: 3,3 sek. von 0 auf 100km/h *Verbrauch (kombiniert)
Kraftstoff: 7,4 l/100 km
Strom: 13,8 kWh/100 km
CO2-Emissionen (kombiniert): 169 g/km
Listenpreis: ab ca. 270.000 Euro

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