Die Spuren Robert Oppenheimers in Göttingen – damals und heute

Den wenigsten Göttingern wird vor dem jüngsten Kinofilm über Robert Oppenheimer bewusst gewesen sein, dass der weltweit bekannte Physiker in Göttingen promoviert hat. Doch obwohl Oppenheimers Zeit in Göttingen kurz war, hat sie sowohl bei ihm als auch in der Stadt einige Spuren hinterlassen. Und auch einige seiner Mitmenschen hat er nachhaltig beeindruckt.

„... und ich bin der Tod geworden, Zertrümmerer der Welten“

„Sie hinterlassen mir zu viele Hausaufgaben.“

Diese Aussage eines Professors seinem Studenten gegenüber wäre nicht nur heute sehr ungewöhnlich – sie war es auch damals in den 1920ern, besonders, wenn man bedenkt, dass diese Aussage von dem weltweit anerkannten Professor Max Born stammt, der 1954 sogar mit dem Physik-Nobelpreis geehrt wird. Wer war also dieser Student, der Max Born mit „Hausaufgaben“ zurückließ? Und welchen Einfluss hat er noch heute auf die Stadt Göttingen?

Julius Robert Oppenheimer wird am 22. April 1904 in den Vereinigten Staaten als Sohn einer aus Deutschland stammenden jüdischen Familie geboren und fällt schon als Jugendlicher durch seine Wissbegierde und rasche Auffassungsgabe auf. Was er jedoch an Intelligenz und Scharfsinn vorzuweisen hat, fehlt ihm an sozialen Kompetenzen. Er ist für sein Alter recht unreif und daher eine sehr lange Zeit auch sehr unsicher. 1922 beginnt er in Harvard sein Bachelorstudium in den Fächern Physik, Chemie und klassische Philologie, das er drei Jahre später mit summa cum laude abschließt. Man könnte meinen, dieser Erfolg würde den jungen Mann beflügeln, doch im Gegenteil. Er leidet zunehmend unter seinen sozialen und empathischen Defiziten, die in ihm sogar kurz darauf eine Depression auslösen. Auch seine Reise nach England, wo er sich der experimentellen Physik unter Niels Bohr in Cambridge zuwendet, kann ihn nicht aus seiner verzweifelten Lage befreien – vielmehr hat er zeitweise mit Selbstmordgedanken zu kämpfen.

Oppenheimers Zeit in Göttingen
In dieser schwierigen Zeit erreicht ihn eine Einladung des renommierten Professors der Universität Göttingen, Max Born. Der Inhaber des Lehrstuhls der Theore­tischen Physik wird durch Aufsätze von Oppenheimer auf diesen aufmerksam und ist erpicht darauf, den jungen Mann in Göttingen promovieren zu sehen. Da die Stadt zu der Zeit international den Ruf genießt, ,Pilgerstätte‘ für die theoretische Physik zu sein, überlegt ­Oppenheimer nicht lange und folgt der Einladung Max Borns, was unter anderem auch an dessen Forschungen selbst liegt.

Oppenheimer erreicht im Oktober 1926 Göttingen und ist von der Stadt und ihrer Universität, dem internationalen Zentrum der theoretischen Physik, begeistert. „Die Naturwissenschaften sind hier viel besser als in Cambridge und im Ganzen vermutlich besser als irgendwo sonst“, schreibt der junge Student, der zur Untermiete im Haus des Göttinger Arztes Günther Cario am heutigen Geismartor 4 wohnt, an einen Freund. 

,Oppie‘, wie Oppenheimer von seinen Kommilitonen genannt wird, beeindruckt auch in Göttingen durch
seine überdurchschnittliche Intelligenz und Auffassungsgabe. Auffallend ist aber auch, dass es ihm anders als vielen anderen Studenten nicht an finanziellen Mitteln mangelt. Seine Kommilitonin Charlotte Riefenstahl etwa bemerkt seine edle Schweinsledertasche und seine teuren Anzüge – außerdem beginnt er im Laufe seines Aufenthalts in Göttingen, exzessiv Tabak zu konsumieren. 

Oppenheimer ist sich auch nicht zu schade, seine Studienfreunde ab und an zum Abendessen einzuladen. Allerdings haben diese die Gespräche in gemischter Erinnerung. Einerseits sind viele von seinem Scharfsinn und seinem Charisma beeindruckt, wenn nicht sogar eingeschüchtert, andererseits neigt Oppenheimer oft dazu, seinem Gegenüber mitten im Satz das Wort abzuschneiden. Für ,Banalitäten‘ hat er keinen Sinn. Dabei geht er mit seinen Gesprächspartnern nicht immer besonders feinfühlig um. Ein Kommilitone erinnert sich beispielweise, wie er, seine Frau und ,Oppie‘ sich einmal zu einem Spaziergang verabredet hatten, seine Frau sich allerdings entschuldigen muss, da sie sich um das Neugeborene zu kümmern hat. Oppenheimer bezeichnet diese Muttersorge recht unsensibel und abschätzig als „Bauerpflichten“.

Born, der bei seinen Studenten als ein ungewöhnlich freundlicher und geduldiger Lehrer gilt, stellt sich als idealer Mentor für den recht sensiblen und sozial unbeholfenen, aber gleichzeitig genialen Oppenheimer heraus. Dieser stürzt sich begeistert in seine Forschungen, tritt vielen dabei jedoch auf die Füße. Er unterbricht nicht nur Kommilitonen, sondern auch Dozenten in ihren Vorträgen und geht bisweilen nicht selten sogar selbst an die Tafel, um den seiner Meinung nach besseren Lösungsweg zu präsentieren. Dies führt schnell zu Unmut unter den Studierenden, und es kommt sogar so weit, dass eine Gruppe von ihnen eine Petition mit der Ankündigung verfasst, sie würden das Seminar boykottieren, wenn die Unterbrechungen durch Oppenheimer nicht aufhörten. Die Wortführerin dieser Gruppe ist keine geringere als Maria Göppert, die spätere Nobelpreisträgerin für Physik von 1963. 

Born sieht sich mit dieser unangenehmen Situation konfrontiert, möchte es jedoch vermeiden, seinen Studenten direkt darauf anzusprechen. Stattdessen lässt er die Petition offen auf seinem Schreibtisch liegen. Dort sieht sie der junge Oppenheimer, als er eines Tages auf seinen Professor wartet, verliert Born gegenüber jedoch kein Wort darüber. Dieser erwähnt sie ebenfalls nicht. Ihm fällt nur auf, dass Oppenheimer an diesem Tage etwas blasser und weniger redselig wirkt als gewöhnlich – und tatsächlich hören die Unterbrechungen durch ihn von da an auf.

Nur wenige Monate später promoviert Oppenheimer. Seine Arbeit erhält wenig überraschend das Prädikat ,ausgezeichnet‘, angeregt durch seinen Doktorvater Max Born, der in der Promotionsakte schreibt: „Es handelt sich um eine wissenschaftliche Leistung von hohem Rang, die weit über den durchschnittlichen Dissertationen steht. Der einzige Mangel der Arbeit besteht darin, dass sie schwer lesbar ist.“ Seine mündliche Prüfung besteht Oppenheimer mit ,sehr gut‘, und einer seiner Prüfer, James Frank, der kurz zuvor den Nobelpreis erhalten hatte, kommentiert die Prüfung leicht ironisch: „Ich bin rechtzeitig herausgekommen. Er fing gerade an, mir Fragen zu stellen.“ So erhält der junge Wissenschaftler am 24. Mai 1927 die Doktorwürde, damals traditionell zum Doktor der Philosophie. 

Kurz darauf verlässt der frisch Promovierte, der in Göttingen – nicht zuletzt durch den intensiven intellektuellen ­Austausch mit seinen Kommilitonen und Professoren – neues Selbstbewusstsein gewinnen konnte, Deutschland. Nach weiteren kurzen Aufenthalten in der Schweiz kehrt er in die Vereinigten Staaten zurück. Dort zelebriert er einen extravaganten Lebensstil mit Sport­autos und übermäßigem Zigarettenkonsum und lädt seinen Kreis häufig zu Abenden mit Martinis ein.

Die ,Wunderwaffe‘
Währenddessen verändert sich die globale politische Situa­tion. 1933 kommen in Deutschland die National­sozia­listen an die Macht, und 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Auch wenn dieser zu Beginn noch wenig Einfluss auf die Vereinigten Staaten hat, beginnt der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, die Lage auf dem europäischen Kontinent immer kritischer zu betrachten. Schon 1939 drängten ihn viele amerikanische Physiker dazu, den Bau der Atombombe in Auftrag zu geben. So verfasst etwa der deutsch-ungarische Physiker Leó Szilárd ein entsprechendes Schreiben an den Präsidenten, und auch der kurz zuvor in die Staaten emigrierte Albert Einstein setzt seinen Namen und seine Empfehlung unter dieses Schreiben. Doch erst zwei Jahre später, 1941, lässt Roosevelt die Atomphysiker seines Landes für die Forschung an eben dieser ,Wunderwaffe‘ rekrutieren – welche Auswirkungen diese später haben sollte, wird wohl den wenigsten von Anfang an wirklich klar gewesen sein. 

Oppenheimer, der als wissenschaftlicher Leiter des Projekts ,Manhattan‘ arbeitet, ist sich sicher, dass nur die Atombombe Hitler aus Europa vertreiben könne. Allerdings bringt die Forschung und besonders das Anwerben weiterer Physiker einige Schwierigkeiten mit sich. Viele weigern sich – entweder gleich oder spätestens nach den ersten erfolgreichen Tests – an dem Projekt mitzuwirken. Auch die US-Army erschwert die Arbeiten, da sie Oppenheimer misstrauen und ihn nur sehr missbilligend in interne und geheime Forschungsarbeiten einweihen. Nicht zuletzt stellen Oppenheimers kommunistische Freunde ein Konfliktpotenzial dar, weshalb seine Loyalität des Öfteren infrage gestellt wird. Dennoch gelingt es den Beteiligten schließlich, den Bau der Atombombe allen Widrigkeiten zum Trotz vor den Deutschen fertigzustellen. 

Damit haben sie zwar in dieser Hinsicht gewonnen, doch schnell sollten sie – insbesondere Oppenheimer – erkennen, wie hoch der Preis dafür sein würde. Dessen Sekretärin stellt in den Tagen kurz vor Vollendung des Projekts fest: „Robert ist sehr still geworden in diesen zwei Wochen, nachdenklich. Sicher auch, weil er wusste, was geschehen würde, und weil er wusste, was das bedeutete.“ In eben dieser Zeit soll Oppenheimer gesagt haben: „Diese armen kleinen Menschen, diese armen kleinen Menschen.“ Und meinte damit die Japaner.

Am 6. August 1945 wirft der US-amerikanische Bomber ,Enola Gay‘ die erste Atombombe auf Hiroshima ab – ihr fallen direkt nach Abwurf schätzungsweise zwischen 70.000 und 80.000 Menschen zum Opfer. Drei Tage später folgt der Abwurf der zweiten Atombombe auf Nagasaki mit ebenfalls verheerenden Auswirkungen. Daraufhin kapituliert Japan am 14. August. Durch diese Bombenabwürfe wurden auf einen Schlag binnen weniger Tage zwei Städte zerstört. Und noch Monate und Jahre später sterben viele Menschen an den Folgen des atomaren Angriffs – bis heute ist die japanische Gesellschaft von dieser beängstigenden Form der Kriegsführung betroffen.

Zunächst feiert Oppenheimer den erfolgreichen Abwurf der Atombombe, an der er maßgeblich mitgearbeitet hatte. Doch sehr schnell kommen die Folgen seiner Erfindung ans Licht und das Ausmaß dieser ,Wunderwaffe‘ wird deutlich. „Das Ding musste gemacht werden, Haakon. Es hätte dem öffentlichen Nutzen dienen sollen, als die Menschen auf der ganzen Welt sich nach Frieden sehnten wie nie zuvor und dabei sowohl auf die Technik setzten, die sie als Lebensstil und Form des Denkens verstanden, wie auch auf den Gedanken, dass niemand eine Insel ist“, schreibt Oppenheimer wenige Tage nach dem Bombenabwurf an seinen Kollegen Haakon Chevalier. Erste Berichte über die Todesopfer, größtenteils Zivilisten, treffen ein und Oppenheimers anfängliche Begeisterung wandelt sich sehr schnell in Fassungslosigkeit, Skrupel und Schock über sein Werk. Er verfällt in eine tiefe Depression und tritt im Oktober desselben Jahres von seinen leitenden Funktionen zurück.

Schon kurz darauf beginnt er, sich öffentlich gegen den weiteren Einsatz einer Waffe dieser Art einzusetzen. Auch den Bau einer Wasserstoffbombe, die eine noch größere Wirkung haben sollte als die Atombombe, verurteilt er ausdrücklich. Die folgenden Jahre seines Lebens sind von politischen Auseinandersetzungen, öffentlichen Demütigungen und Denunziationen geprägt. Aufgrund seines Aktivismus gegen Nuklearwaffen wird er zudem der Spionage für die Sowjetunion beschuldigt und erst 1963 durch Kennedy rehabilitiert.

Oppenheimer, der zur Zeit seiner Arbeit an der Atombombe auch Nobelpreisträger geleitet hat, wartet Zeit seines Lebens vergebens auf diese Auszeichnung. Ob er diesen, für Wissenschaftler höchsten Preis verdient hätte, wird noch heute diskutiert. Die häufigste Begründung dafür, dass er nie nominiert wurde, sei sein schlechtes Timing, denn er lebte und forschte zur selben Zeit wie bemerkenswert viele andere Physiker – neben deren bahnbrechenden Forschungsergebnissen seien Oppenheimers Theorien nicht durchschlagend genug gewesen. Die zeitgenössische Messlatte scheint zu hoch gehangen zu haben. Heutige Forscher sehen dies allerdings etwas anders, viele sind der Meinung, Oppenheimer hätte den Nobelpreis für seine Arbeit verdient, da diese schließlich die Grundlage für heutige Erkenntnisse liefert. 

Am 18. Februar 1967 stirbt Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe, an Kehlkopfkrebs, vermutlich einer Folge seines übermäßigen Tabakkonsums, den er sich während seiner Studienzeit in Göttingen angeeignet hat.

Was bleibt von Robert Oppenheimer?

Das Leben Robert Oppenheimers und sein Wirken fasziniert unsere Gesellschaft nach wie vor. Sein Name ist nicht nur in den Naturwissenschaften bekannt – beispielsweise für die nach ihm und seinem Doktorvater benannte Born-Oppenheimer-Approximation – vielmehr wurde sein Leben auch schon vielfach auf die Kinoleinwand gebracht. Der neueste Film über ihn, ,Oppenheimer‘, ist ein internationaler Kassenschlager, und die enormen Besucherzahlen zeigen, dass die Faszination an ihm noch immer besteht – und dies keinesfalls nur in den akademischen Wissenschaften. Doch in erster Linie dient der Film der Unterhaltung, was nach den größtenteils positiven Kritiken dem Macher Christopher Nolan durchaus gelungen ist.

Für die Göttinger ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass dem Regisseur ein kleiner Fauxpas unterlaufen ist. Zu Beginn des Films werden verschiedene Stationen des jungen Oppenheimer in Europa – und vermeintlich auch die Stadt Göttingen – gezeigt. Vermutlich war nur wenigen Einheimischen bewusst, dass der Physiker für kurze Zeit auch in Göttingen studiert hat, weswegen die Erwähnung ihrer Stadt bei vielen im Kino eine freudige Über­raschung ausgelöst haben muss. Diese wich jedoch bei den dazu gezeigten Aufnahmen rasch der Verwirrung: Da stimmte etwas nicht. 

Weder der gezeigte Campus noch die umliegende Landschaft kam den Göttingern bekannt vor. Und tatsächlich wurden fälschlicherweise das Kloster Einsiedeln und die beiden Türme des Züricher Grossmünsters in der Schweiz, umgeben von schroffem Gebirge, gezeigt: Wer kennt sie nicht, die südniedersächsischen Alpen, die das hoch liegende Göttingen von seinen hessischen Nachbarn abgrenzt?! Nichtsdestotrotz wird es vielen Göttingern gefallen haben, dass ihre Stadt in einem weltweit äußerst erfolgreichen Blockbuster erwähnt wurde, wenn auch die Stadt es leider nicht als Bildaufnahme auf die Leinwand geschafft hat.

Spuren in Göttingen

Aufgrund seines vergleichsweise recht kurzen Aufenthaltes finden sich nur wenige Spuren des Physikers in Göttingen. Geehrt wird der ,Vater der Atombombe‘ jedoch mit einer Gedenktafel am Geismartor 4 – nahe des heutigen Hiroshimaplatzes –, wo er während seiner Studienzeit lebte. Doch entgegen mancher Vermutung: Eine direkte Verbindung zwischen Oppenheimer, seinem früheren Wohnort und der Umbenennung des nahe liegenden Platzes gibt es nicht. Zwar ging es bei der 1992 erfolgten Umbenennung tatsächlich um die Entmilitarisierung des Hiroshimaplatzes, der im Volksmund noch immer nach einer dort bis 1934 existierenden Kaserne ,Zweiundachtziger‘-Platz genannt wurde, doch obwohl hierbei direkt auf das Erbe der Atombombe Bezug genommen wird, ist die Nähe zu seinem früheren Göttinger Wohnhaus eher dem Zufall geschuldet. Zumal er seine Forschungsarbeit überwiegend am Institut für Theoretische Physik in der Bunsenstraße durchgeführt haben dürfte. 

Die Göttinger 18
Dennoch, Oppenheimer hinterließ in Göttingen indirekte Spuren: Sein Engagement gegen den Einsatz von weiteren Nuklearwaffen findet hier in den Nachkriegsjahren Nachahmer, wenn auch zeitlich etwas versetzt. Die Göttinger 18 beispielsweise, eine Gruppe von renommierten Wissenschaftlern, beginnt, sich in den späten 1950er-Jahren gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen einzusetzen. Zu den 18 Wissenschaftlern gehören unter anderem Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg, von denen sich in Göttingen ebenfalls Gedenk­tafeln finden lassen. So gut wie jeder dieser Beteiligten hatte einen persönlichen Bezug zu der Uni­versitätsstadt, entweder als Professor oder als ehemaliger Student. In ihrem Göttinger Manifest raten sie der Bundesregierung – vor dem Hintergrund der Folgen der beiden Bombenabwürfe über Japan – eindrücklich von der Ausstattung der BRD mit Atomwaffen ab. Sie alle sind sich ihrer Rolle als Wissenschaftler und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst. So nimmt Otto Hahn beispielsweise Stellung: „Diese Achtzehn haben, und zwar jeder für sich, im Bewusstsein ihrer besonderen Verantwortung aufgrund ihrer Sachkenntnis gehandelt.“ Das Einmischen dieser Wissenschaftler zeigt Erfolg. 

Oppenheimers Gedenktafel
In ganz Göttingen verteilt, finden sich seit fast 150 Jahren an verschiedenen Gebäuden Gedenktafeln zu den unterschiedlichsten Persönlichkeiten, die in Göttingen gelebt und gewirkt haben. Auch Robert Oppenheimer hat 2018 eine solche Tafel erhalten. Die Gedenktafel für ihn wurde jedoch diskutiert – sie wird es bis heute. An der grundlegenden Fragestellung hat sich indessen nichts geändert: Verdient der Mann, der nachweislich als wissenschaftlicher Leiter des ,Manhattan Projects‘ maßgeblich an der verehrenden Atombombe mitwirkte, die bis in die heutige Zeit ihre Opfer fordert, eine Ehrung?

Das vor einigen Jahren zur genauen Untersuchung des Falles Robert Oppenheimer beauftragte Gutachten kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Dem Antrag wurde letztlich stattgegeben und wie folgt von dem
Göttinger Historiker Dr. Peter Aufgebauer in drei Aspekten begründet:

− die Göttinger Physik und Oppenheimers wissenschaftliche Bedeutung

− die angewandte physikalische Forschung im Vorfeld der Atombombe

− die Haltung nach dem ersten Einsatz von Hiroshima und Nagasaki und

– Oppenheimer als ,Person der Zeitgeschichte‘

Das Fazit des Gutachtens hält fest: „Aus dem Vorstehenden ergibt sich eine Befürwortung der Gedenktafel für Julius Robert Oppenheimer. Die Beschäftigung mit seiner Biografie, seiner wissenschaftlichen Bedeutung, seiner Konsequenz und Haltung angesichts des Atombombenabwurfs und der Wasserstoffbomben­entwicklung führt zu einem differenzierten Verständnis des Zusammenhangs von Wissenschaft und Gesellschaft und der Verantwortung des Wissenschaftlers. Und, nicht zuletzt, wird dabei erneut die Weltgeltung der Göttinger Universität in den Naturwissenschaften der Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts sichtbar.“

Dieses Beispiel zeigt, dass Wissenschaft und Politik selten bis nie voneinander getrennt operieren können und sollten. Das Thema des Krieges und der Kriegs­führung wird immer noch öffentlich und hitzig diskutiert, besonders vor dem aktuellen Hintergrund des
Ukrainekriegs oder der Geschehnisse im Nahen Osten. Ihrer Verantwortung waren sich die Göttinger 18 bewusst, als sie die Göttinger Erklärung unterschrieben. 

Robert Oppenheimers Arbeit, die Entwicklung der Atombombe, welche letztendlich Hunderttausende das Leben gekostet hat, gilt hierfür als mahnendes Exempel. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch zukünftige Wissenschaftler ihrer Verantwortung bewusst sind – genauso, wie es die Göttinger 18 waren, als sie die Göttinger ­Erklärung unterschrieben. Diesem kann nicht genug ­Bedeutung beigemessen werden, besonders für die ­Universitätsstadt Göttingen, die ,Stadt, die Wissen schafft‘. ƒ

Fotos: Alciro Theodoro da Silva
OPPENHEIMER – der Film

Mit Filmen wie ,Inceptionʻ, ,Interstellarʻ und der ­,Batmanʻ-Reihe hat sich Regisseur Christopher Nolan weltweit und in Hollywood einen Namen gemacht.
Im Jahr 2023 brachte er mit der Lebensgeschichte von J. Robert Oppenheimer sein erstes Biopic auf die Kino­leinwand. ­Besetzt mit Schauspielstars wie Cilian Murphy, Robert Downey Jr. oder Matt Damon beschreibt das ­Drei-­Stunden-Epos das Leben und Wirken eines ­besonderen Mannes der Zeitgeschichte. „Ich habe mich schon immer für Oppenheimer als Charakter und als mehrdeutige ­Figur in der Geschichte interessiert. Er fasziniert mich seit vielen Jahren. Ich denke, dass es ein außergewöhnlicher Moment in der Geschichte ist“, sagte Regisseur Nolan in einem Interview zur Film­premiere. „Oppenheimer war in dem Moment mit dabei, als sich die Welt unwiderruflich veränderte.“ 

Kritiker bemängeln allerdings die fehlende Darstellung der Opfer der Nuklearwaffen. Bis Ende 2023 spielte der Film ,Oppen­heimer‘ weltweit rund 550 Millionen Dollar an den ­Kinokassen ein.

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