Brennen für den Erfolg

Onejoon blickt auf mehr als 125 Jahre bewegte Firmengeschichte zurück. Heute ist der Hersteller von Industrieöfen – nach Eigentümerwechsel und Insolvenz – wieder auf Betriebstemperatur: Die Bovender sind Technologieführer und die Auftragsbücher voll.

Zum Unternehmen

Onejoon ist ein koreanischer Industrieofenbauer, der 2020 die Ofenbau-Sparte der insolventen Eisenmann AG übernommen hat. In Deutschland ist Onejoon mit zwei Standorten in Bovenden und Böblingen und mit derzeit rund 240 Mitarbeitern vertreten. Der Auftragseingang lag 2021 bei etwa 100 Millionen Euro. Das Geschäft entwickelt sich derzeit sehr dynamisch mit entsprechenden Wachstumsraten bei Umsatz und Mitarbeitern. Aus dem Firmennamen ergibt sich die Bedeutung von ,one‘ wie ,Ass, Top und der Beste‘. ,Joon‘ bedeutet der ,höchste Berg‘ – der Wert, den das Unternehmen anstrebt. www.Onejoon.de

Im Testzentrum von Onejoon in Bovenden riecht es nach Metall, Öl – nach Werkstatt. Riesige Öfen sind in der hohen Seitenhalle aufgebaut, die bis zu 3.000 Grad Celsius erreichen und auf Techniken basieren, die mit unterschiedlichen Gasatmosphären gefahren werden können. Hier lassen Industriepartner und -kunden testen, mit welchem Ansatz sich bestmögliche Resultate in ihrem jeweiligen Produktionsprozess erreichen lassen. Das Testzentrum ist noch relativ neu, aber inzwischen voll ausgebucht. Es veranschaulicht gut die Welle des Erfolgs, auf der Onejoon derzeit surft. Zwei Standorte hat das Unternehmen in Deutschland – außer dem in Bovenden noch einen in Böblingen. Dort sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt, in Bovenden 140 – Tendenz stark wachsend. 2021 lag der Auftragseingang bei rund 100 Millionen Euro, 2022 werden es voraussichtlich bereits 300 sein.

Es gibt kaum eine Industrie, die ohne Öfen auskommt. Zum Beispiel bei der Produktion von Nassrasierern: Die in ihre Form gestanzten Klingen werden in Ofenanlagen gezielt erwärmt und gehärtet. Erst dann können sie scharf geschliffen werden. Für eine sanfte Rasur erhalten die Klingen in einer anderen Ofenanlage schließlich noch eine Teflon-Beschichtung. Ohne die Wärmebehandlungen in diesen Öfen wären die Klingen stumpf und würden wie eine spitze Harke auf die Haut wirken. Die Assoziation mit dem guten alten Backofen ist dabei nicht ganz falsch. Die Grundprinzipien der Erwärmung mittels Strahlung oder Umluft sind noch die gleichen wie früher. Die technische Entwicklung steckt im Detail – und auch in der Größe: Eine industrielle Ofenstraße kann durchaus 50 bis 100 Meter lang werden. Öfen für Rasierklingen sind ein kleiner Markt, aber einer, den die Firma bereits seit über 80 Jahren bedient. Denn das Unternehmen in Bovenden blickt auf eine mehr als 125-jährige Firmengeschichte zurück. 1888 gründeten die Brüder Adolf und Ernst Ruhstrat ein Elektrogeschäft; aus der Zusammenarbeit mit der Universität entstand letztlich auch der erste elektrisch beheizte Hochtemperaturofen. Die Produktion dieser Öfen wurde jedoch 1896 separat ausgegliedert, in die Elektromechanischen Werkstätten Gebr. Ruhstrat, den Vorläufer des heutigen Unternehmens. 2011 wurde Ruhstrat dann von der Eisenmann AG übernommen, der Traditionsname verschwand und wurde durch Eisenmann Thermal Solutions GmbH & Co. KG ersetzt.

Eisenmann war jedoch vorrangig ein Lackieranlagenhersteller mit Fokus auf die Autobranche, der Ofenbau war eine kleinere Geschäftseinheit. „Im Gegensatz dazu kommt unser Mutterkonzern Onejoon direkt aus dem Ofenbau“, sagt Geschäftsführer André Görnhardt, der bereits 1986 bei Eisenmann angefangen hatte und 2004 die Geschäftsleitung des Bereichs Ofenbau übernahm. „Unser Markt wandelt sich aber sehr schnell. Das machte die Weiterentwicklung nicht ganz einfach, insbesondere wenn es schnelle Entscheidungen brauchte.“

Insolvenz nach Wegbruch von Großauftrag

2019 rutschte die Eisenmann-Holding dann kurzerhand in eine Insolvenz, nachdem ein Großauftrag aus dem Automobilbereich weggebrochen war. Die Rettung kam aus Südkorea. Mit Onejoon, einem koreanischen Ofenbauer, bestand schon seit 2016 eine Kooperation. „Hintergrund war, dass wir in den Ofenbau für den Batteriemarkt einsteigen wollten, und Onejoon brachte die Kontakte zu großen koreanischen Firmen wie LG und Samsung mit. Onejoon wiederum war auf der Suche nach einem global aufgestellten Partner“, erzählt Görnhardt. Gemeinsam wurde zunächst ein Joint Venture für den chinesischen Markt gegründet. „Das Ziel war damals eigentlich, dass Eisenmann 50 Prozent von Onejoon übernimmt – doch da kam die Insolvenz dazwischen.“

Die Vorteile, die eine Kooperation beiden Unternehmen bringen würde, blieben jedoch bestehen. Also drehte Onejoon den Deal um und übernahm die Ofenbausparte von Eisenmann; die Koreaner konnten sich schließlich gegen 22 Mitbewerber durchsetzen. Onejoon ist damit heute ein global agierender Ofenbauer, der bei einer ganzen Reihe von Anwendungen weltweit in der Technologiespitze mitspielt. „Wir sind beispielsweise Marktführer bei Carbonfasern“, erklärt Görnhardt überzeugt. Der Bereich hat sich in den vergangenen Jahren als ein sehr starker Wachstumsmarkt erwiesen – die Luftfahrtindustrie kommt ohne nicht mehr aus, im Automobilbereich kommen Carbonfasern verstärkt zum Einsatz, und auch das Wachstum von Windenergieanlagen geht ohne diese Fasern nicht mehr, weil die Spannweiten von Rotoren inzwischen dem Flügel eines Airbus A 380 entsprechen. Carbonfasern haben etwa die siebenfache Festigkeit von Stahl. Doch damit sie entstehen können, braucht es konstante Temperaturen und eine gleichmäßige Strömungsgeschwindigkeit mit nur minimalen Schwankungen über eine lange Zeit.

Industrielle Produktion benötigt Öfen

Was für Görnhardt das Spannende am Ofenbau ist: Thermische Prozesse werden praktisch in fast allen industriellen Produktionsabläufen benötigt. „Am Ende geht es darum, aus Materialien immer mehr besondere Eigenschaften hervorzuholen. Ein Handy zum Beispiel leistet heute unglaublich viel mehr als vor 20 Jahren, ohne dass es größer geworden ist. Das geht nur, wenn man die Materialien weiterentwickelt.“ Im Handy stecken sehr viele elektrokeramische Bauteile, die das ermöglichen – und die immer thermisch behandelt werden müssen, um diese Eigenschaften zufzuweisen. „Deswegen entwickeln sich die thermischen Prozesse auch so schnell – mit den gehobenen Ansprüchen an die Materialien steigen meistens auch die Anforderungen an den thermischen Prozess.“

Außer dem Treiber Handymarkt machen sich auch die Themen Ressourceneffizienz, Energiewende und -einsparungen deutlich in steigender Nachfrage nach Öfen und neuen Anwendungen bemerkbar. „Fast alle Märkte, in denen wir uns gerade neu positionieren, werden durch Klimawandel, Energiekosten, Elektromobilität und CO2-Footprint und damit politische Richtungsentscheidungen getrieben“, sagt Görnhardt. Der Bereich, der sich bei Onejoon derzeit am stärksten entwickelt und einer der Haupttreiber des Unternehmenserfolgs ist, ist der Batteriemarkt: Er wächst derzeit jährlich um 20 bis 30 Prozent. Die Einstellung der Produktion von Verbrennungsmotoren, in Deutschland bis 2035 beschlossen, schafft eine enorme Nachfrage nach Batterien. Die wiederum brauchen Materialien für Kathoden und Anoden, zwischen denen der Strom fließt. „Die herzustellen ist ein anspruchsvoller thermischer Prozess. Da sind wir inzwischen einer der Marktführer.“ Es ist auch ein Bereich, in dem derzeit viel Materialforschung und Entwicklung stattfindet – das Anodenmaterial beeinflusst ganz  wesentlich die Hauptfaktoren Kapazität bzw. Reichweite, Ladezeit und Sicherheit der Batterie. Die Ausgangsmaterialien werden dann in mehreren Verfahrensschritten ,gebacken‘, um die nötigen Eigenschaften zu generieren. „Dafür braucht man Öfen, die mit verschiedenen Atmosphären betrieben werden und die wir liefern.“

Strategische Neuausrichtung

2015 wurde die Firma strategisch neu ausgerichtet und nicht nur als Lieferant, sondern als Partner der Kunden positioniert. „Ziel ist, die Kunden auf ihrem Weg vom Labor hin zu großen Produktionsanlagen zu begleiten, zu beraten und zu unterstützen und damit unsere Technik als Standard im Markt zu etablieren“, so Görnhardt. Deswegen wurde das Testcenter eingerichtet. Es ermöglicht Kunden, ein unter idealen Laborbedingungen entwickeltes Produkt unter industriellen Fertigungsbedingungen zu testen. „Wenn wir das gut machen, haben wir das Vertrauen des Kunden“, erklärt der Geschäftsführer. „Dann liefern wir normalerweise auch eine Pilotanlange, mit der man im kleinen Produktionsmaßstab ausprobiert und die Technik optimiert, und anhand der Ergebnisse wird dann die große Anlage gebaut.“

Den zweiten großen Wettbewerbsvorteil sieht Görnhardt im Ansatz von Onejoon, den Ofen optimal in den jeweiligen Produktionsprozess zu integrieren. „Deswegen sind wir schon lange bestrebt, Kunden nicht nur einen Ofen anzubieten, sondern eine komplette Anlage, das heißt die Automatisierung und Prozesstechnik.“ Im Batteriebereich bietet Onejoon daher bereits komplette Anlagen zur Herstellung von Anoden und Kathoden an, in deren Herz jedoch immer ein Ofen ist. „Unser Ziel ist es, die Technik am Markt mitzubestimmen“, betont André Görnhardt. Dank der engen Entwicklung bei und mit den Kunden, starker Forschungskooperationen mit Partnern und Hochschulen sowie eigener Entwicklungen im Haus hat sich Onejoon weltweit eine starke Position erarbeitet. Wuchs die Mitarbeiterzahl 2021 um 20 Prozent, sollen es dieses Jahr 25 bis 30 Prozent werden. „Wider Erwarten tun wir uns nicht so schwer, Leute zu rekrutieren. Ich denke, durch unsere Märkte sind wir eine sehr interessante Firma – wir besetzen die dringenden Themen unserer Zeit wie Elektromobilität, Klimaneutralität und wir sind technologisch führend.“ Öfen sind halt alles andere als altbacken. ƒ

Fotos: Alciro Theodoro da Silva
Zur Person
André Görnhardt, Jahrgang 1963, ist Geschäftsführer von Onejoon Deutschland und bereits seit langer Zeit im Unternehmen: 1986 machte er während des Studiums bei Eisenmann in den USA ein Praktikum, 1990 fing er dort auch beruflich an. Die Firma hatte einen kleinen amerikanischen Ofenbauer aufgekauft, dessen weltweiten Vertrieb Görnhardt mit aufbaute. 2006 übernahm er die Leitung des Geschäftsbereichs Ofenbau bei Eisenmann; 2011 kam nach der Ruhstrat-Übernahme auch deren Geschäftsführung hinzu.
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