Die Gipfelstürmerin

Ida-Sophie Hegemann ist nicht nur die erfolgreichste deutsche Trailrunnerin, vielmehr gehört sie zur absoluten Weltspitze. Trotzdem ist die Duderstädterin auf dem Boden geblieben und lädt ihre Akkus immer wieder in der Heimat auf.

„Ich ziehe da nicht eintönig meine Runden,
sondern erkunde dabei auch immer die Gegend. Und auf dem Gipfel angelangt, ist das Gefühl überragend – die ganze Welt wirkt so klein.“

Um ohne weitere Umschweife zum Punkt zu kommen: Ida-Sophie Hegemann ist eine begnadete Trailrunnerin – und zwar die erfolgreichste Deutschlands. In dieser Disziplin, in der sie über mitunter marathongleiche Distanzen steilste Berge hinaufläuft, zählt die 26-Jährige sogar zur absoluten Weltspitze. Und doch sei sie, nach eigener Aussage, eher flachländisch, „duderstädterisch“, unterwegs. Konkret meint die Spitzenathletin damit, dass sie Schwierigkeiten habe, die technisch anspruchsvollen Passagen bergab mutig und schnell zu bewältigen. „Das Urvertrauen in den Berg, über das Einheimische aus Gebirgsregionen verfügen, lässt sich nicht erlernen.“ Aber auch darüber hinaus geht das Duderstädterische – die tiefe Verwurzelung im Eichsfeld, die Heimatverbundenheit und Bodenständigkeit – als Metapher für ihren Lebensweg durch. Der in eben jenem Duderstadt beginnt. Anfangs im Ballett, beim Tennis, recht bald im klassischen Bahn und Straßenlauf. Hegemann fällt auf. Durch ihren grazilen Stil, vor allem aber ihr Talent, ihre schiere Klasse. Wettkämpfe in der Heimat dominiert die damals für die LG Göttingen startende Leichtathletin häufig spielerisch.

Der Wechsel an den Olympiastützpunkt nach Hannover mit angegliedertem Internat ist nur folgerichtig. Größere Erfolge stellen sich ein, aber auch noch größere Rückschläge. Hegemann erleidet eine Stressfraktur, wird vom Pfeifferschen Drüsenfieber heimgesucht. Mittlerweile kenne sie ihren Körper „unheimlich“ genau. „Ich merke fünf Tage im Voraus, wenn sich eine Verletzung oder Krankheit einstellt“, sagt sie. 

Zwischendurch, als sie mal für einige Monate fit ist, läuft sie ihren ersten Berglauf. 2017 war das. Primär, um sich nach längerer Pause nicht direkt wieder mit Straßenläuferinnen und besonders dem Druck, den eigenen Bestzeiten weit hinterherzulaufen, messen zu müssen. Als Gastläuferin absolviert Hegemann eine von acht Etappen der Transalpine, einem Wettkampf, der später zur Schaubühne ihrer Extraklasse werden soll. „Ich war fasziniert von der Idee.“ Und ein erster Sponsor ist fasziniert davon, wie die auf diesem Terrain eigentlich unerfahrene Sportlerin überzeugt. Künftig wird Hegemann von Unternehmen dafür bezahlt, bei prestigeträchtigen Rennen zu starten.

Der Wechsel von der Bahn auf den Berg wird vollzogen. „Ich musste es einfach machen – auch weil ich beim Straßenlauf an einem Punkt angelangt war, an dem ich wegen der vielen Verletzungen kein Potenzial mehr gesehen habe“ sagt Hegemann, die die neue Herausforderung zunächst semiprofessionell angeht, während sie parallel ihr Jurastudium in Hannover bis zur Zwischenprüfung absolviert. Inzwischen ist die drahtige Blondine auf Architektur umgestiegen. Der Fokus gebührt aber ganz eindeutig dem Leistungssport. Dafür zieht Hegemann, ein ausgesprochener Familienmensch, sogar ins österreichische Innsbruck, um optimale Trainingsbedingungen vorzufinden. Bis zu 30 Stunden in der Woche arbeitet sie an ihrer Qualität, auf drei Belastungswochen folgt eine Entlastungswoche. Wobei Entlastung in die Perspektive zu setzen ist. Während beispielsweise Marathonläufer mitunter nur bis zu drei Rennen im Jahr absolvieren, sind Trailrunner in der Hauptsaison beinahe wöchentlich aktiv. Solche Jobs sichern ein lukratives Einkommen. Hegemanns Hauptsponsor ist The North Face – auch ,Volkswagen R‘, Falke Sport, Vitamin Well und Suunto zählen zu den Unterstützern. Im Gegenzug läuft die Eichsfelderin mit Werbung der Marken, steht für Medientermine und Fotoshootings zur Verfügung. Bis zu 80.000 Euro allein als fixe Summe hat Hegemann somit in einem Jahr sicher, hinzu kommen Boni und Preisgelder bei den Rennen. Ihre Eltern, die bei vielen Wettkämpfen anwesend sind, haben ihr sowie den vier jüngeren Geschwistern schon früh beigebracht, wie wichtig es ist, auf eigenen Beinen zu stehen, ihr Auskommen zu sichern

All das: Schön, Gut, aber weit davon entfernt, ein Hauptantrieb für Hegemann zu sein, ihre Karriere voranzutreiben. „Die Herausforderung ist viel fordernder als auf der Straße, es gibt super steile Abschnitte, dann wieder flowige Passagen. Ich ziehe da nicht eintönig meine Runden, sondern erkunde dabei auch immer die Gegend. Und auf dem Gipfel angelangt, ist das Gefühl überragend – die ganze Welt wirkt so klein“, beschreibt sie ihre Motivation. Es ist viel mehr Laufen aus Lust als Laufen zum Lebensunterhalt. Wer diese intrinsische Liebe zum Sport verkörpert, bei dem stellen sich die Erfolge in der Regel ein. Und die Regel beim Trailrunning lautet: Hegemann gewinnt immer. Bei der Transalpine über die Alpen hat sie dreimal in Folge triumphiert, ist dabei seit 26 Etappen ungeschlagen. Ein Wert, der so unvorstellbar ist, dass er sich schlicht nicht einordnen lässt. Hinzu kommt, dass Hegemann nicht etwa in einer konkurrenzlosen Sportart antritt. Trailrunning boomt, selbst Profis müssen mittlerweile darauf hoffen, für die Teilnahme an Wettbewerben ausgelost zu werden, da die Anmeldezahlen derart in die Höhe geschossen sind. 

Was kommt da für eine wie Hegemann noch, der mit 26 alle Türen und Gipfel offenstehen? Olympia eher nicht, Trailrunning ist allein schon wegen der geografischen Notwendigkeiten kaum ins olympische Programm zu integrieren. Der Ultra-Trail du Mont-Blanc in Frankreich, legendär, mythisch. „Dort auf dem Podium zu landen, wäre ein Traum“, sagt sie.

Hegemann ist eben eine, die auch, ganz unduderstädterisch, aus der Reihe fallen kann. „Mit 30 möchte ich aber ein ganz normales Familienleben führen, dem Beruf nachgehen, der mich fasziniert und mir Freude bereitet.“ Dann soll der Sport natürlich noch immer eine, wenn auch sekundäre Rolle spielen. Aber erst dann. ƒ

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