Schwein gehabt

Benjamin Krieft ist neuer geschäftsführender Gesellschafter des größten Göttinger
Wurstherstellers: Börner-Eisenacher. Der 43-Jährige berichtet, wie er es als Außenstehender schaffte, den traditionsreichen Familienbetrieb zu übernehmen, und wie er mit seinen Plänen die Stellung unter den Top 3 der Biowurst-Produzenten in Deutschland ausbauen will.

„Ich glaube an diese Art der Tierhaltung. Der steigende Absatz zeigt, dass immer mehr Verbraucher das auch tun und bereit sind, dafür einen höheren Preis zu zahlen.“

Zum Unternehmen

Die Wurzeln des Traditionsunternehmens Börner-Eisena­cher gehen auf das Jahr 1884 und Christian Börner und August Eisenacher als Urväter zurück. Die von den beiden gegründeten Unternehmen wurden 1978 in der Börner-Eisenacher GmbH zusammengeführt. Von einem regional aktiven Fleischereibetrieb hat sich das Unternehmen zu einem der Top-3-Biowurst-Produzenten in Deutschland entwickelt. Für Handelsriesen wie Aldi Nord und Aldi Süd, Edeka oder Rewe stellen die Göttinger bereits Bio-Wurstprodukte her und entwickeln für sie die imageträchtigen Bio-Eigenmarken.
Aktuell arbeiten rund 160 Mitarbeitende, davon drei Auszubildende, auf dem über 10.000 Quadratmeter großen Betriebsgelände in Göttingen. Nach vier
Generationen in Familienhand wurde das Unternehmen zum 1. Januar 2023 vom bisherigen Geschäftsführer Vertrieb Benjamin Krieft übernommen.
www.boerner-eisenacher.de

Wer in Zeiten von steigenden Lebenshaltungskosten und einer zunehmenden Zahl von Konsumenten mit ­einem kritischerem Blick auf Fleischkonsum einen Fleischereibetrieb übernimmt, muss einen guten Plan haben. Der wird sicherlich noch wichtiger, wenn es um ein in der vierten Generation geführtes Familienunternehmen geht und man nicht Teil der Familie ist. Benjamin Krieft weiß, wie das ist: Seit Januar dieses Jahres ist er nicht mehr nur Geschäftsführer Vertrieb bei der Göttinger Börner-Eisenacher GmbH, sondern auch deren alleiniger Gesellschafter. Er folgt damit auf Frank-Walter Eisenacher, der sich zum Jahreswechsel nach 32 Jahren als geschäftsführender Gesellschafter in den Ruhestand verabschiedet hat.
Auf seinen Plan mit dem Traditionsunternehmen an­gesprochen, ­des­sen Wurzeln auf das Jahr 1884 zurückgehen, sagt der neue Chef: „Ich bin in der ange­nehmen ­Situation, dass ich in den vergangenen Jahren bereits ­gemeinsam mit Frank-Walter Eisenacher an der Idee für die ­Zukunft mitschreiben durfte.“ Darüber hinaus hätten sie vor dessen Ausscheiden schon einige Zeit ­zusammen an der schrittweisen Umsetzung dieser Idee gearbeitet. Als Krieft vor zehn Jahren als Vertriebsleiter in das Unternehmen kam, wurden etwa 75 Prozent der Produkte in konven­tioneller Spitzenqualität hergestellt. „Mittlerweile liegt ­unser Fokus klar auf der hochwertigen Bioqualität, in der wir heute etwa 70 Prozent unserer Produkte liefern“, ­er­klärt der 43-Jährige und zeigt damit einen fundamen­talen ­Wandel auf. Der Markt für Biowurst in Deutschland sei ­vergleichsweise klein und von Handelsmarken geprägt, also von Hausmarken der großen Lebensmittelhändler. Genau darauf ist Börner-Eisenacher spezialisiert. „Wir ­entwickeln diese eigenen, sehr imageträchtigen Bio-­Marken für den Handel, zum Teil mit regional angepassten ­Rezepturen.“

Börner-Eisenacher ist unter den Top 3 der Biowurst Produzenten

Das Team bei Börner-Eisenacher unterstütze seine Handelspartner auch mit Category Management: Auf der Basis von Marktforschungsdaten und mit Potenzialanalysen wird dabei das Sortiment verkaufsfördernd ausgebaut und die Ware in den Märkten bestmöglich präsentiert. Für Handelsriesen wie Aldi Nord und Aldi Süd, Edeka oder Rewe stellen die Göttinger bereits Bio-Wurstprodukte her – und haben es damit in die Top 3 der Biowurst-Produzenten in Deutschland geschafft. „Es besteht keine Not­wendigkeit, den Plan und den eingeschlagenen Weg zu ändern“, sagt Krieft deshalb. „Ich habe auch gar nicht das Bedürfnis, zum Start ein Zeichen zu setzen.“ An kleinen Stellschrauben werde er sicher drehen, wenn es im Lauf der Zeit nötig werde. „Jeder tickt ja anders und möchte eigene Ideen einbringen.“
Die dafür nötige Erfahrung hat er nicht erst bei Börner-­Eisenacher aufgebaut: Der in Harsewinkel im nordrhein-­westfälischen Kreis Gütersloh geborene Krieft hat fast seine gesamte berufliche Laufbahn in der Branche verbracht. Vielleicht sei sein Werdegang in gewisser Weise vorgezeichnet gewesen, denn sein Geburtsort läge schließlich in der Nähe von Versmold. „Die Stadt wird auch der ‚Fettfleck Ostwestfalens‘ oder ‚Wursthauptstadt‘ Deutschlands genannt“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Mit Reinert, Wiltmann und Nölke sind gleich drei der größten Wurst­hersteller des Landes dort ansässig. „Das sind in der Re­gion bekannte Unternehmen mit einem sehr guten Ruf“, erklärt Krieft. „Jeder weiß, dass es dort sichere Arbeits­plätze mit Zukunft gibt.“ Und so habe er dann auch vor dem Zivildienst, den er in einer Behindertenwerkstatt in Gütersloh geleistet hat, mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann den Einstieg in die regional stark vertretene Branche gefunden. Im Laufe der Jahre arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen als Fachberater und Gebietsvertriebsleiter, vor seinem Wechsel nach Göttingen zuletzt als Key-Account-Manager, um wichtige Großkunden zu betreuen.

Dieser Wechsel wurde damals klassisch von einer Headhunterin in die Wege geleitet, die den Kontakt für Frank-Walter Eisenacher herstellte. „Das war ab dem ersten Vorstellungsgespräch ein besonderes Verhältnis“, sagt Krieft rückblickend. „Wir haben von 17 bis weit nach 21 Uhr miteinander gesprochen und schnell ­gemerkt, dass wir einen ähnlichen Blick auf die Branche und ­zukünftige Entwicklungen hatten.“ Er habe zudem vom Start weg ein echtes Interesse an seiner Person wahr­genommen. Wieder zu Hause habe er die mögliche berufliche Veränderung direkt mit seiner Frau besprochen. „Sie hat gesagt: ‚Wenn du gehen willst, gehen wir mit.‘ “ ­Dieses ,wir‘ waren zum damaligen Zeitpunkt
seine Frau und zwei Kinder, die mit ihm zum Einstieg als Vertriebs­leiter bei Börner-Eisenacher im März 2013 nach Göttingen umzogen. Das dritte Kind kam ein paar Jahre später dann schon in der Stadt an der Leine zur Welt. „Meine Frau hat als Rheinländerin etwas mehr Anlaufzeit in Göttingen ­gebraucht als ich“, berichtet Benjamin Krieft mit einem leichten Grinsen im Gesicht von der Anfangszeit. „Wir sind aber im Laufe der Jahre alle hier angekommen und fühlen uns zu Hause.“

Begeistert von Göttingen und der Umgebung

Dafür habe auch insbesondere die Familie Eisenacher gesorgt, die bei vielen Dingen, wie zum Beispiel der Suche nach der ersten Wohnung und Kindergartenplätzen, geholfen habe. „Mich begeistert die Stadt. Göttingen hat eine gute Größe, gerade mit Kindern“, sagt Krieft. Es gäbe gute Schulen, eine wunderschöne, grüne Umgebung mit dem Harz und dem Weserbergland in der Nähe. „Und auf den Zietenterrassen, wo wir heute wohnen, haben wir das Stadtzentrum fußläufig erreichbar und den Sportplatz sowie den Wald direkt vor der Tür.“ Den nutzt der neue Börner-­Eisenacher-Chef zwei- bis ­dreimal in der Woche, um acht bis zehn Kilometer zu laufen. Immer wieder ist er auch mit seinem Gravel-Bike, einem geländegängigen Rennrad, in der Region unterwegs oder schnürt seine Fußballschuhe bei den ‚alten Herren‘ vom SC Hainberg. Sozial ist er als aktives Mitglied im Lions Club Carl-Friedrich Gauss engagiert.
Noch schneller als in der Stadt ist Krieft damals in seinem neuen Job angekommen: Nachdem die Pro­bezeit verkürzt worden war, erhielt er nach nur neun ­Monaten Prokura. Im Juli 2018 stieg er zum Geschäfts­führer Vertrieb auf und leitete seitdem an der Seite von Frank-Walter Eisenacher die Geschicke des Unternehmens. Seit dem 1. Januar ist er nun alleiniger Gesellschafter.
Auf die Frage, ob er es als Hypothek empfinde, kein Familienmitglied zu sein, antwortet er ohne zu zögern: „Nein, es ist eher ein Privileg, dass die Eisenachers sich entschlossen haben, mir dieses Angebot zu machen. Mir wird viel Wohlwollen entgegengebracht, die Unterstützung war und ist unheimlich groß.“ Er führe das auch darauf zurück, dass die ähnliche Sichtweise aus dem ­ersten Vorstellungsgespräch bis heute anhalte. „Das Hauptanliegen von Herrn Eisenacher war, den Standort und die ­Arbeitsplätze hier in Göttingen zu erhalten – und darin waren wir uns immer einig“, sagt Krieft voller Überzeugung. „Außerdem wird Börner-Eisenacher ein familiär geführtes Unternehmen bleiben.“
Wie das aussehen kann, erlebten sämtliche Mitarbeitenden am ersten Arbeitstag des Jahres 2023: Ihr neuer Chef stand morgens am Eingangstor und begrüßte alle persönlich mit einem selbst gebackenen Glücksschwein. „Zusammen mit meiner Frau habe ich die 160 Schweinchen am Tag davor gebacken“, berichtet Krieft von einer stundenlangen Aktion in der heimischen Küche. Das sei ihm sehr wichtig gewesen. „Weil es ein besonderes Gefühl war, dass die Menschen an diesem Tag das erste Mal in die Firma gekommen sind, um gewissermaßen für mich zu arbeiten.“
Wenige Wochen zuvor hatte er gemeinsam mit Frank-Walter Eisenacher bei einer Betriebsfeier alle über den bevorstehenden Eigentümerwechsel informiert. „Davor hatten wir die Führungskräfte eingeweiht, als das Management-Buyout, also die Übernahme des Unternehmens durch mich, in die finale Phase ging“, erklärt Krieft das Vorgehen.
Insgesamt hatten Frank-Walter Eisenacher und er mit den beteiligten Beratern zuvor rund 18 Monate an den Details des Eigentümerwechsels gearbeitet. „Es war erleichternd, danach so viele positive Rückmeldungen zu erhalten und zu sehen, dass alle mit im Boot sind.“

Sehr gute Zukunftsaussichten in der Bio-Branche

Für die Zukunft sieht er das Unternehmen gut aufgestellt: „Wir kommen ursprünglich von der Stracke, die viele Menschen kennen, sind aber mittlerweile ein Vollsortimenter geworden, der die gesamte Bandbreite der Bio-Wurstprodukte abdeckt“, erzählt Krieft.
Und der Ausbau des Sortiments geht ständig weiter. „Bio-Bacon bieten wir noch gar nicht lange an, er ist aber schon in den Top 3 unserer Artikel.“ Für das sich verändernde Sortiment investiert Börner-Eisenacher in den Ausbau der Produktions­anlagen am Standort Göttingen. Rund fünf Millionen Euro kostet die neue 600 Quadratmeter große Halle mit zwei ­Linien für die Verpackung von Bacon- und Schinkenwürfeln, die im zweiten Quartal dieses Jahres fertig werden wird. „Der Bio-Bacon ist übrigens mein Lieblingsprodukt. Unsere Stracke mit einem guten Brot und Gurken esse ich aber auch sehr gerne.“

Trotz aller Weiterentwicklung sei klar, dass der Fokus weiterhin auf Bio-Wurstprodukten liegen werde. Zwar habe Börner-Eisenacher sich auch mit vegetarischen Alternativen beschäftigt, dort seien allerdings bereits große Anbieter im Markt, mit denen die Göttinger nicht konkurrieren könnten. „Wir haben uns im Markt für Bio-Produkte fest etabliert, der nicht nur im Verkauf, sondern auch im Einkauf ein kleiner Markt ist“, erklärt Benjamin Krieft. Das Unternehmen habe sich unter anderem ein Netz aus eigenen Vertragslandwirten in Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen aufgebaut, die Bio-Schweine und Rinder in Ställen mit mehr Platz pro Tier als in konventionellen Ställen hielten und ausschließlich Futter aus ökologischem Landbau nutzen würden. „Ich glaube an diese Art der Tierhaltung“, sagt Krieft im Brustton der Überzeugung. „Der steigende Absatz zeigt, dass immer mehr Verbraucher das auch tun und bereit sind, dafür einen höheren Preis zu zahlen.“ Deshalb glaube er auch fest daran, dass er mit seinem Team die Erfolgs­geschichte von Börner-Eisenacher in Göttingen fortschreiben könne. ƒ

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Zur Person

Benjamin Krieft, 1980 im nordrhein-westfälischen Harsewinkel geboren, findet den Einstieg in die fleisch­verarbeitende Branche mit einer Ausbildung zum Industrie­kaufmann. Im Laufe der Jahre bleibt er der Branche treu und arbeitet bei verschiedenen Unternehmen als Fach­berater und Gebietsvertriebsleiter. 2009 lässt er sich in Köln zum zertifizierten Category Manager ausbilden.
Vor seinem Wechsel zu Börner-Eisenacher ist er zuletzt Key-Account-Manager in der Großkundenbetreuung. 2013 steigt er dann als Vertriebsleiter bei Göttingens größtem Wurstproduzenten ein und erhält nach nur neun Monaten Prokura. Vor fünf Jahren steigt er dann zum Geschäftsführer Vertrieb auf und macht zum 1. Januar 2023 den größten Schritt seiner bisherigen Laufbahn: Krieft wird alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der Börner-­Eisenacher GmbH. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und drei Kindern auf den Zietenterrassen.
TOP

entdeckt, entwickelt & erzählt Erfolgsgeschichten