Staat stranguliert sich selbst

Seit Jahrzehnten kein Wirtschaftstreffen, ohne dass nicht das Thema Bürokratiebelastung aufkommt. Ist das nur das Jammern von Unternehmern? Ist etwas grundsätzlich kaputt im Verwaltungsstaat? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? Die Spurensuche nach den Ursachen und Folgen von überbordender Bürokratie zeichnet jedenfalls ein fatales Bild.

» Telefonische Erreichbarkeit von Sachbearbeitern zu den ,Öffnungszeiten‘, die sowieso schon rar sind, praktisch nicht gegeben. «

Knapp drei Jahre Warten auf eine Baugenehmigung? Neun Monate Warten auf eine Arbeitsgenehmigung? Existenzielle Bedrohung durch Datenschutz? „Wir wollten ein Carport für einen Kran bauen, um Witterungsschäden zu vermeiden“, erzählt Silke Grewe von der Dachdeckerei Frank Grewe in Groß Schneen. Der Bauantrag beim Landkreis wurde im Februar 2022 gestellt. Zuletzt musste ein Brandschutzgutachten und dann ein neuer Lageplan nachgereicht werden, weil der Nachbar ein Grundstück zugekauft hatte; baulich hatte sich aber nichts verändert. Kosten: 250 Euro. Jetzt, drei Jahre später, darf immer noch nicht gebaut werden, weil die eingereichte Statik übersehen und entsprechend noch nicht geprüft wurde. „Unterlagen nachzureichen ist nicht das eigentliche Problem“, sagt Grewe, „sondern, dass die Anforderung weiterer Unterlagen immer nur auf unser Drängen hin passiert. Wir schicken etwas hin, wochenlang passiert nichts, dann fragen wir nach, und dann kommen neue Auflagen.“ 

Beispiel Arbeitsgenehmigungen. Benjamin Schulze hat bei der Südniedersachsenstiftung die Bereichsleitung Fachkräfte und Willkommenskultur inne. Das Welcome Center der Stiftung organisiert für Unternehmen den Zuzug von ausländischen Fachkräften. Die meisten Verfahren laufen unkompliziert, Probleme existieren, wenn, dann vor allem bei Nicht-EU-Bürgern. „Meine Kritik richtet sich weniger an die Auflagen an sich, sondern deren Auslegung und die Haltung eines Sachbearbeiters“, sagt Schulze. Wichtig sei ein gemeinsames Interesse, dass Fachkräfte in die Region kommen. „Wenn ich es mit einem positiv eingestellten Sachbearbeiter zu tun habe, muss ich weniger Unterlagen einreichen, und es geht schneller. Hat man es aber mit einem – ich überspitze – Regulatoren zu tun, dann fordert er noch dieses oder jenes Dokument an, man bekommt keinen Termin, keine Informationen, was an Unterlagen noch fehlt.“ Ein solches Verfahren kann daher in drei Monaten durch sein, es kann aber auch bis zu neun Monate dauern.  „Doch erschließt sich mir im Grundsatz nicht, warum es überhaupt einen Prüfauftrag der Behörden gibt und man das nicht dem Markt überlässt“, so Schulze. „Man kann davon ausgehen, dass der Unternehmer für sich überprüft hat, ob der Mitarbeiter auch die nötigen Qualifikationen hat.“

Solche Negativerfahrungen hat ein Technologie-Unternehmer gemacht, der anonym bleiben möchte. Auf dem regionalen Arbeitsmarkt waren keine IT-Azubis zu bekommen, aber es gab sehr gute Bewerbungen aus nordafrikanischen Staaten. Doch die Ausländerbehörde stellte sich quer, weil Auszubildende aus Drittstaaten nur dann genehmigt werden, wenn in Deutschland kein ausreichendes Azubi-Potenzial da ist. „Es hieß, es gäbe hier in der Region genügend Interessierte.“ Also wurde in Erwägung gezogen, in Stuttgart eine Briefkastenfirma aufzumachen und die Azubis darüber herzuholen, weil die dortigen Behörden deutlich flexibler waren. Bei der Festanstellung von Drittstaatlern dasselbe Problem: Eine Arbeitsgenehmigung werde nur erteilt, wenn diesen IT-Fachkräften mindestens 6.000 Euro bezahlt würden, so die Behörde. „Diese Gehälter sind absolut utopisch“, so der Unternehmer. „Aber das ist eine typische Erfahrung: Es gibt keine Flexibilität, bundesweite Vorgaben regionsspezifisch anzupassen.“

Sebastian Stahl, Geschäftsführer dreier Unternehmen, darunter ein Malerbetrieb und ein europaweiter Onlinehandel für Luxusfarben und -tapeten, erlebt den ,Bürokratiewahnsinn‘ regelmäßig. Eines der großen Probleme ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). „Etwa einmal im Monat muss ich meine ganzen Datenschutzhinweise umschreiben, weil neue Richtlinien kommen. Auch, wenn ich ein neues Tool einbinde, muss ich das machen.“ Oder der extern eingekaufte Datenschutzbeauftragte meldet sich mit einem Schreiben zum Bikeleasing, weil sich der Datenschutz mal wieder geändert hat. „Mit dem Ergebnis, dass ich dann die 20 Mitarbeiter zusammentrommeln muss, die das nutzen, um deren Überlassungsverträge zu ändern.“ 

DSGVO klingt erstmal gut, mehr Rechte und Sicherheit für den Kunden. Aber die Risiken einer DSGVO-Verletzung sind inzwischen auch ein echtes Innovationshemmnis. „Viele meiner IT-Lösungen bieten tolle KI-Tools an“, beschreibt Stahl. „Vor 15 Jahren hätte ich die einfach mal ausprobiert, aber inzwischen ist mir das Risiko zu groß, etwas falsch zu machen.“ Da zeigen sich dann auch Widersprüche, denn einerseits werden große KI-Offensiven in der Politik angekündigt, in der Praxis werden Unternehmen aber abgeschreckt und müssen auch noch KI-Schulungen und -Dokumentationen vorweisen. Sebastian Stahl hat viele solcher Geschichten auf Lager. Vom Hinweisgeberschutzportal, das einen hohen Aufwand verlangt, bis hin zum Landesamt für Statistik, das ihm permanent im Nacken sitzt. „Alle drei Monate darf ich auf mehreren Seiten darlegen, wie viel zum Beispiel das Tapezieren eines Quadratmeters Raufasertapete kostet und wenn ich die Preise erhöht habe, muss ich begründen, wieso. Wenn ich das nicht mache, läuft schnell ein Bußgeldverfahren an.“ Manche Regelungen seien durchaus sinnig, aber viele echte Wachstumsverhinderer. „Ich höre nur noch Frust ringsum. Das ist eine Form von staatlicher Übergriffigkeit. Menschen machen sich selbständig, gerade weil sie unabhängig sein wollen und nicht ein Untertan der Behörden. Es ist einfach unmöglich, alles 100 Prozent richtig zu machen.“

Dass diese Erfahrungen und der Ärger nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind, kann Christian Frölich, Obermeister der Kreishandwerkerschaft Göttingen und CDU-Landtagsabgeordneter, bestätigen. „Dokumentationspflichten treiben uns alle um. Das Landesamt für Statistik sagt dazu: Das sei alles schon mehrfach überprüft worden und der Ist-Zustand sei das Mindestmaß.“ Im unternehmerischen Alltag führt die Flut an Vorschriften dazu, dass „bestimmte Auflagen ausgeblendet werden und das Risiko in Kauf genommen wird, mal ein Problem mit der Aufsichtsbehörde zu bekommen, weil sonst der Betriebsablauf nicht mehr sinnvoll zu gestalten ist“. Die IHK Hannover hat deswegen einen Bürokratieguide und einen Bürokratiemelder online gestellt.

Das erlebt auch Gemeinde-Bürgermeister Andreas Friedrichs aus Friedland. „Dass ein Bauantrag wie bei Grewe länger als zwei Jahre dauert, ist schon öfter vorgekommen. Die Konsequenz davon? Manche sagen sich, dass sie dann einfach ohne Genehmigung bauen und eine eventuelle Strafe in Kauf nehmen.“ Denn am Ende hängt an solchen Investitionsentscheidungen mitunter eine Menge Geld.

Die grundlegenden Ursachen für diese an sich paradoxe Situation, dass Unternehmer durch Regeln zunehmend in die Regelverletzung getrieben werden und Aufwände immer weiter steigen, sind vielfältig. 

Da ist die reine Zahl der Gesetze. Die Kommunen müssen sie meist umsetzen, doch die Urheber sitzen auf Landesebene und deutlich mehr noch auf Bundes- oder europäischer Ebene. Dort entsteht ein kontinuierlicher Strom der Vorgaben, der nach unten durchgereicht wird. Weiters werden bestehende Regeln zunehmend komplexer – Paradebeispiel ist das Baurecht. Das zieht Verfahren in die Länge und schafft ein Kompetenzproblem in den Verwaltungen. 

Das wiederum verlangt nach mehr Fortbildung. „Aber“, sagt Michael Koop, Präsident des Niedersächsischen Studieninstituts für kommunale Verwaltung (NSI) in Hannover, „das passiert nach Kassenlage und Zeitbudget.“ Das NSI wird hauptsächlich von den niedersächsischen Kommunen getragen und bietet Verwaltungsstudiengänge sowie Fortbildungen für den öffentlichen Dienst an. „Bis Mitte 2024 waren beispielsweise unsere Digitalisierungsseminare voll.“ Doch dann hat der Bund die Terminvorgaben gestrichen, bis wann die Kommunen welche Schritte umgesetzt haben sollen. „Daraufhin sind diese Fortbildungsseminare fast kollabiert. Ich verstehe das auch. Die Verwaltungen haben noch tausend andere Aufgaben. Wenn dann aus der Digitalisierung ein optionales Programm wird, machen sie erstmal das, was absolut nötig ist.“ Dabei betrachtet Michael Koop Digitalisierung als einen der wesentlichsten Bausteine, um dem Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst zu begegnen. 

Und der Fachkräftemangel wächst. „Seit 2021 beobachten wir, dass das Angebot an Stellen und die Zahl der Besetzungen deutlich auseinandergehen“, so Koop. Insbesondere in spezialisierten Bereichen wie Medizin, Bauamt oder Kitas gelingt es kaum noch, überhaupt Stellen zu besetzen und das, obwohl es in Summe in den Jahren zwischen 2012 und 2022 schon einen deutlichen Personalaufwuchs von zwölf Prozent im öffentlichen Dienst gab. Verschiedene Studien weisen deutschlandweit ein Personaldefizit von rund 500.000 Stellen aus – und die großen Pensionierungswellen kommen erst noch. Die wesentliche Ursache für das Defizit sieht Michael Koop darin, dass Kommunen eben immer mehr und immer komplexere Aufgaben bekommen. 

„Eine Erklärung dafür ist, dass es auf Landes- und Bundesebene zu viel Ministerialbürokratie gibt“, so Koop. „Die haben viel zu viel Zeit, komplexe Regeln zu erlassen.“ Laut Institut der deutschen Wirtschaft ist dies auch einer der Verwaltungsbereiche, in dem es einen überproportionalen Personalzuwachs gibt (Bund +32 Prozent, Länder +21 Prozent, Kommunen +27 Prozent); Mitte 2024 gab es 4.663 Bundesgesetze und -verordnungen mit etwa 97.000 zu befolgenden Einzelnormen – eine Zunahme um 21 Prozent im Vergleich zu 2010. Ein Beispiel ist die Wohngeldreform von 2023. „Diese hat massiv die Berechtigtenzahl und gleichzeitig die Komplexität des Vergabeverfahrens erhöht. Die Stadt Hannover hat berichtet, dass sie allein dafür von einen Tag auf den nächsten 30 zusätzliche Sachbearbeiter braucht“, so Koop. Und das ist nur ein Beispiel von sehr vielen. 

Ein Grundsatzproblem ist, dass die Verursacher der Komplexität bei EU, Bund und Land die Folgen ihres Handelns nicht zu spüren bekommen, aber immer mehr Regelungsbedarf sehen, auch, um politisch schön klingende Ziele zu verwirklichen. Die realistische Machbarkeit scheint dafür kein Kriterium zu sein, ganz zu schweigen von einer Notwendigkeitsbetrachtung. Auch eine selbst auferlegte Grenze, wie stark eigentlich in den privaten oder unternehmerischen Bereich des Bürgers hineinregiert werden darf, scheint es nicht zu geben – sondern stattdessen eine Art Allregelungsanspruch. 

Dann kommt erschwerend noch ein deutsches Juristenphänomen hinzu: der Hang zur Einzelfallgerechtigkeit und das Bedürfnis nach rechtlicher Absicherung. Gesetze und Verwaltungsvorschriften werden auch deswegen so komplex, um möglichst jede Eventualität abzudecken und ja niemanden zu benachteiligen. Dieses Bedürfnis nach Einzelfallgerechtigkeit und Absicherung ist tief in der Mentalität der Bürokratie verankert, wird aber mittlerweile als das große Hindernis schlechthin betrachtet.

Dieses Sicherheitsdenken setzt sich auf kommunaler Ebene im Handeln der Sachbearbeiter fort. „Weil sie Klagen fürchten, sind unsere Verwaltungsbeamten nicht mehr in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen, jeder will sich vorher fünfmal absichern und verschiebt im Zweifel einen Vorgang lieber in die nächste Abteilung, statt etwas zu genehmigen“, sagt Birgitt Witter-Wirsam, Unternehmerin aus Rosdorf und acht Jahre Vizepräsidentin der IHK Hannover. Und sie ist damit bei weitem nicht allein. In anderen Ländern, Beispiel USA, seien Verwaltungen deutlich lockerer, und trotzdem funktioniere es. „Ich verstehe und kenne das Klagerisiko aus eigener Erfahrung“, sagt Bürgermeister Andreas Friedrichs, „aber man braucht ein dickeres Fell“. Man mpsse nicht immer alle Eventualitäten abklopfen und mit einem Restrisiko leben. „Davor darf man keine Angst haben.“ Doch dieses Sicherheitsdenken kommt nicht von ungefähr. Eine Studie hat sich die Unterschiede zwischen Studenten in den Verwaltungswissenschaften sowie jenen in der BWL und Rechtswissenschaft angeschaut. „Eines der Ergebnisse war, dass die Menschen in den Verwaltungswissenschaften deutlich sicherheitsorientierter und risikoaverser sind“, so Michael Koop. Der öffentliche Dienst zieht entsprechend gerade Leute an, die mit der Unsicherheit der Regelungslücke nicht gut umgehen können.

Dazu passt dann auch die Erfahrung, dass es oftmals Glückssache ist, ob man an einen ‚guten‘ Sachbearbeiter gerät oder eben nicht. Eine faktor-Umfrage unter Unternehmern zeigt das sehr deutlich: In einer Frage geben rund 70 Prozent an, langsame Sachbearbeiter oder eine fehlende Serviceorientierung erlebt zu haben, während in einer anderen Frage 75 Prozent schon positive Erfahrungen mit serviceorientierten Mitarbeitern gemacht haben. Offenkundig nutzen Verwaltungsmitarbeiter ihren Ermessensspielraum sehr unterschiedlich – mit den entsprechenden Auswirkungen für den Bürger. Ist für Bauanträge im Landkreis einer Gemeinde ein Verzögerer zugeordnet, hat die Gemeinde halt Pech gehabt. 

Unternehmer erleben im direkten Gespräch oft eine große Offenheit der politischen Verwaltungsspitzen für ihre Anliegen und das Haken im System, ändern tut sich dennoch wenig. „Es gibt ja nicht die Beziehung Bürgermeister – Sachbearbeiter, sondern je nach Größe der Verwaltung mehrere Hierarchiestufen dazwischen“, so Michael Koop. „Da reicht einer, der sagt: Das haben wir noch nie gemacht.“ Und weiter: „Sie haben als Führungskraft in der öffentlichen Verwaltung praktisch kein Zuckerbrot und überhaupt keine Peitsche. Deswegen haben selbst Leute, die sehen, was schiefläuft, kaum eine Chance, etwas zu ändern, wenn sich ein Mitarbeiter querstellt.“ 

Auch tarifrechtlich mögliche Anreizsysteme wie eine leistungsorientierte Bezahlung funktionieren in der Praxis kaum. „Wir haben das selbst einmal ausprobiert und dann wieder aufgegeben“, sagt Torsten Wehrmann, Personalleiter und Arbeitsrechtler am NSI. „Kein Vorgesetzter hat die eigenen Mitarbeiter in die schlechteste Kategorie eingestuft, und eigentlich waren fast alle die Überguten. Leistungsbasierte Ungleichbehandlung hat viel Potenzial, Unfrieden zu stiften ohne einen sichtbaren positiven Effekt.“ Allerdings: In der freien Wirtschaft geht es so.

Was also tun?

Seit etwa Mitte der 1970er Jahre steht das Thema Bürokratieabbau auf der politischen Agenda. Es gibt einzelne gute Ansätze – so hat der Landkreis Göttingen beispielsweise mit einer Task Force ,Bauen im Dialog‘ mit Bauherren, Architekten und Verwaltung eine gefühlt deutliche Verbesserung der Abläufe und Verfahren erreicht. Aber es gibt auch immer wieder widersinnige Entscheidungen – in Niedersachsen wurde die digitale Bauakte eingeführt, die kiloschweren Bauanträge können inzwischen digital eingereicht werden; die Umsetzung der dahinterliegenden IT wurde aber in die Verantwortung der Kommunen gegeben, statt landesweit ein einheitliches System für alle aufzusetzen. 

Aber am Grundproblem hat sich nichts geändert, und so verschlimmert sich die Situation Jahr für Jahr weiter: Gesetze und Auflagen werden mehr und mehr; sie kommen von Gruppen, die mit den Auswirkungen nicht konfrontiert sind; die Komplexität ist so stark gestiegen, dass sie inzwischen die Kompetenz und Fähigkeit in der Umsetzung übersteigt, sie also nicht mehr praxistauglich sind. Dies, weil das Fachpersonal fehlt, und es perspektivisch auch nicht mehr wird. Den Kommunen fehlen viele Mittel, doch auch mit Geld lässt sich diese Entwicklung nur bedingt bekämpfen. Digitalisierung kann Prozesse erleichtern, aber sie verhindert auch nicht die Über-Regelung. Weiterhin wächst der Ressourcenaufwand auch auf der Seite der Unternehmen immer weiter. Diese Entwicklung stranguliert nach und nach die wesentlichen Grundlagen des Staates: sein Wirtschaftssystem und seine Verwaltung. Der Aufwand für die Bewältigung von Vorschriften wächst, die Spielräume für Eigenverantwortung und damit Innovationen werden immer kleiner, die Rechtsrisiken steigen. Der dahinterliegende deutsche Mindset, alles regeln zu müssen und Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, ist wie ein Schwarzes Loch: Er hat einen zügellosen Appetit und kennt kein Ende.

Es ist inzwischen so weit gekommen, dass auch Fachverbände, die in den politischen Diskussionsprozess zu Gesetzen eingebunden werden, deren Komplexität nicht mehr durchschauen und so der Bezug zur Realität derjenigen, die die Gesetze im Alltag spüren, fehlt. 

Lokal herrscht auch ein Klima der Kritikunwilligkeit. Hinter vorgehaltener Hand gibt es Unmengen Ärger und echte Probleme, aber öffentlich äußern oder sich politisch engagieren wollen sich nur wenige Unternehmer. Zu groß sei die Sorge, sich Schwierigkeiten für das eigene Unternehmen einzuhandeln. Die vergangenen Jahre haben dabei auch gezeigt, dass, wer grundsätzlich politische Ziele kritisiert, wie Migration, Klimapolitik, Außenpolitik, schnell in die rechte Ecke gestellt wird. Umfragen zur Meinungsfreiheit in Deutschland bestätigen diesen besorgniserregenden Trend der abnehmenden Diskursfreiheit.

„Meine Erwartungen und Hoffnungen sind nicht positiv“, sagt Michael Koop. „Die einzige Chance, da herauszukommen, ist eine fundamentale Umgestaltung von Kommunalverwaltung und sehr viel mehr organisierte Zusammenarbeit.“ Muss es aber nicht weit über Organisationsfragen hinausgehen? Muss man nicht grundsätzlich über die Grenzen des Staates und mehr Eigenverantwortung reden? Platt gefragt: Was geht es eigentlich den Staat an, wie ich auf meinem eigenen Grundstück baue?

Die vergangenen 50 Jahre ,Reformbemühungen‘ haben nicht gewirkt, sondern höchstens das Schlimmste verhindert, und es ist nicht ersichtlich, wieso sich daran etwas ändern sollte, denn die strukturellen Ursachen, vor allem auch der Mindset in den Verwaltungen und Ministerialbürokratien, sind unverändert und schwer änderbar. Die Feststellung scheint zulässig zu sein, dass das System aus sich selbst heraus nicht reformfähig ist – man kann die Reform schlicht nicht Beamten überlassen. Die tun sich schwer damit, out-of-the-box zu denken. Ein Wegweiser zur Problemlösung ist das, was Elon Musk mit dem Department of Government Efficiency (DOGE) in den USA derzeit tut: ein grundsätzliches, radikales Ausmisten des Systems und gnadenlose Überprüfung von Effizienz, Notwendigkeit und ideologischer Überflüssigkeit. Das kann und muss auch mal wehtun. ƒ

Illustration Maxim Seehagen
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