Pedale für alle
Wie zwei junge Unternehmer aus Göttingen mit ,Paceheads‘ die Menschen leichter aufs Fahrrad bringen.
» Weil gute Fahrräder und Trainingsgeräte teuer sind, hatten wir uns überlegt, dass es eine gute Möglichkeit wäre, das Equipment an die Kunden zeitlich begrenzt zu vermieten. «
Zum Unternehmen
Franz Bayer und Fabian Helbing haben die Firma Paceheads GmbH im Jahr 2019 gegründet. Ziel des Unternehmens ist die Vermietung von Fahrrädern und entsprechendem hochwertigen Equipment im Abonnement. Paceheads, das Standorte in Hamburg und Göttingen hat, beschäftigt derzeit rund zwei Dutzend Mitarbeiter. Die Kunden kommen nach Angaben der Geschäftsleitung vorwiegend aus Deutschland und Österreich, zum Teil aber auch aus anderen europäischen Ländern. Der Firmenumsatz betrug im Jahr 2024 rund 3,5 Millionen Euro. Zum Angebot gehören neben Rennrädern und Indoor-Trainingsgeräten auch sogenannte Gravel Bikes, also geländegängige Allround-Räder, zudem gibt es und diverses Zubehör, etwa Fahrradcomputer oder Sportuhren.
Den Grundstein für die Paceheads GmbH hat wohl der Vater von Franz Bayer gelegt – indirekt, vor vielen Jahren und ganz sicher ohne Absicht. Und das kam so: Der aus dem nordhessischen Lohfelden bei Kassel stammende Franz (heute 31) war in seiner Jugend ursprünglich Hobbyläufer. Er hatte zwar keinen Trainer, aber viel Ehrgeiz. Schon bald traute er sich einen Marathon zu. Und sein Vater spornte ihn an, indem er Franz ein Rennrad für den Fall versprach, dass der damals 17-Jährige die 42,195 Kilometer lange Marathon-Strecke in weniger als vier Stunden zurücklegt. „Das war kein Problem“, erinnert sich Bayer. Und als das Rennrad dann da und ausgiebig getestet war, tauchte schnell der Gedanke auf, als dritte Disziplin das Schwimmen hinzuzunehmen. Das Ziel: Triathlon. Schon bald nahm Franz an Wettbewerben teil, unter anderem am legendären Triathlon in Roth bei Nürnberg. Nicht nur dort war seine Lieblingsdisziplin das Radfahren.
„Ich hatte mit Radfahren dagegen als Jugendlicher nichts am Hut“, erinnert sich Bayers Freund und Geschäftspartner Fabian Helbing. „Ich hatte eigentlich nur Fußball im Kopf“, sagt der 33-Jährige, der aus Bockelnhagen im nordthüringischen Eichsfeldkreis stammt. Noch heute sehe er sich – als Fan des Hamburger SV – sehr gerne Fußballspiele an. Sein Herz hänge allerdings längst auch am Radsport. „Und das liegt an Franz.“
Denn bei einem Urlaub mit weiteren Kumpels auf Mallorca habe er von Bayer gelernt, welchen Spaß das Radfahren bringen kann. „Das war im Jahr 2016“, erinnert sich Helbing. Seither lasse auch ihn das Fahrradfahren nicht mehr los.
Gemeinsam überlegten die beiden Freunde dann immer wieder, ob und wie sie ihre sportliche Leidenschaft mit Beruflichem verbinden könnten. Im Jahr 2019 war es schließlich so weit: Bayer und Helbing gründeten Paceheads. Das Ziel: Radsport-Equipment vermarkten – und zwar anders als andere. „Weil gute Fahrräder und Trainingsgeräte teuer sind, hatten wir uns überlegt, dass es eine gute Möglichkeit wäre, das Equipment an die Kunden zeitlich begrenzt zu vermieten“, erinnert sich Helbing.
Ursprung des Start-ups war der Keller im Haus der Oma eines Freundes in Göttingen. Dieser Freund wurde dann auch zum ersten Mitarbeiter von Paceheads. Zu dritt begann das junge Team zunächst mit dem Vermieten sogenannter Indoor-Smarttrainer. „Das war zu Anfang erst einmal eine kleine geschäftliche Nische“, erinnert sich Bayer.
Als dann Fahrräder und weitere Angebote hinzukamen, wurde es wegen des rasch zunehmenden Geschäftserfolgs im Göttinger Keller bald zu eng. In Hamburg – wo Helbing wohnt – hat Paceheads zwar weiterhin seinen offiziellen Geschäftssitz und eine Niederlassung, die Musik spielt inzwischen aber vor allem in Göttingen. Dort sieht das junge Unternehmen einen guten Markt für sein Angebot. Vor allem aber: In der südniedersächsischen Universitätsstadt fand Paceheads eine rund 1.000 Quadratmeter große Halle.
Dort befinden sich heute das Lager und der Versand, wo die Räder für Kunden in ganz Deutschland und Österreich verpackt und verschickt werden: „Über 90 Prozent des Geschäfts laufen inzwischen über das Internet“, erzählt Bayer.
Und weil Paceheads das Equipment nach der Ausleihe wieder instand setzt und weitervermietet, „haben wir auch eine eigene Werkstatt aufgebaut“, sagt Helbing. Was beiden Paceheads-Chefs wichtig ist: Weil alle Produkte auf diese Weise immer weiter genutzt werden, sei bei ihrem Geschäftsmodell „die Nachhaltigkeit gegeben“.
Kunden von Paceheads sind zu einem Teil Studierende und andere junge Menschen. „Viele haben noch ein kleines Budget, wollen Radsport aber doch sehr gerne mit professionellen Geräten betreiben“, sagt Bayer. Nicht nur die Fahrräder, auch andere Ausstattung und Trainingsgeräte, die von den Sportlern genutzt werden, kosteten „schnell mal einen vierstelligen Eurobetrag“, sagt Helbing. „Das kann sich nicht jeder leisten.“ Die Möglichkeit, die Ausrüstung leihweise zu bekommen, habe die Hürde zur Nutzung hochwertigen Equipments für viele Kunden niedriger gemacht.
Neben jungen Menschen und „Berufstätigen aus der mittleren Altersgruppe“ gebe es unter den Kunden zunehmend auch jung gebliebene Senioren. „Viele wollen sportlich noch einmal angreifen“, sagt Helbing. „Bei uns sind alle selbst begeisterte Fahrradfahrer“, ergänzt Bayer. „Alle kennen sich bestens aus und wissen, wie viel Freude es macht, auf dem Rad unterwegs zu sein.“
Der bisherige Erfolg ihres Geschäftsmodells hat die beiden Gründer selbst ein wenig überrascht. „Aber wir haben festgestellt, dass die meisten Kunden, die einmal auf das Rad gestiegen sind und das Gefühl erleben, wie schön das ist, gerne weiterfahren möchten“, sagt Helbing. Und wer einmal Feuer gefangen habe, möchte dann auch gerne mit hochwertigem Material unterwegs sein. „Denn damit kann man noch mehr Spaß haben.“ Das Ausleih-Modell von Paceheads trage dazu bei, dass alle Radsportfans genau das Material bekommen können, das sie am liebsten haben möchten.
Die Kosten für Einsteiger seien dabei „überschaubar“, sagt Bayer. Wer ein Rad für ein Jahr miete, zahle dafür monatlich 60 bis 70 Euro. „Das ist nicht mehr als für ein Fitness-Studio.“
Für auswärtige Kunden sei es im Übrigen kein Problem, den Paceheads-Service zu nutzen, erläutert Helbing. „Wir verschicken die Fahrräder weitestgehend vormontiert.“ Den Rest könnten die Kunden problemlos selbst erledigen. Denn es gebe exakte Aufbaupläne, wahlweise auch eine Video-Unterstützung. „Ein paar Handgriffe und das Rad ist aufgebaut“, verspricht Franz Bayer.
Wenn es doch einmal Probleme gebe sollte: „Wir haben einen persönlichen Support am Telefon“, sagt Helbing. „Bei uns gibt es keine Band-Ansagen. Es geht immer jemand ans Telefon, der sich auskennt.“ So ließen sich in aller Regel eventuelle Probleme lösen.
Die Firmengründer selbst haben zwar nicht mehr so viel Zeit für das sportliche Hobby wie früher, aber beide sind weiterhin leidenschaftliche Radfahrer. Dasselbe gelte auch für alle Mitarbeiter, sagt Helbing: „Wir wissen, welche Kraft der Sport nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft gibt. Deswegen legen wir großen Wert darauf, dass alle genügend Zeit dafür haben, selbst Fahrrad zu fahren.“
Nicht zuletzt deshalb bietet Paceheads regelmäßig sogenannte Community-Ausfahrten an. „In Göttingen gibt es die im Sommer an jedem Mittwochabend“, sagt Bayer. „Dabei fahren wir dann gemeinsam mit allen Interessierten unter Anleitung zwei Stunden Rennrad.“ Daneben veranstaltet Paceheads auch Workshops für Menschen, die lernen wollen, ihre Fahrräder selbst zu warten und zu reparieren. „Das wird gut angenommen“, sagt Bayer. „Die Kurse sind fast immer ausgebucht.“
Für die Zukunft haben sich die beiden Gründer weiteres Wachstum ihrer Firma und eine Ausweitung des Angebots vorgenommen. So wollen sie in Göttingen künftig auch Einzelpersonen und Gruppen die Möglichkeit geben, sich Fahrräder spontan für Tagesausflüge zu mieten. Nicht nur die Umgebung der Stadt, auch Göttingen selbst sei dabei für Radler wegen der vielen Radwege ein gutes Pflaster. Gleichwohl können Göttingen nach Auffassung von Bayer und Helbing ein paar weitere Fahrradstraßen nicht schaden. Den beiden Firmengründern jedenfalls käme das auf dem Weg zu ihrem großen Ziel, „möglichst viele Menschen aufs Fahrrad zu bringen“, gelegen. ƒ