Ich ärgere mich ungern – ich mach einfach!
Martina Städtler-Schumann führt das Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat und das seinen Namen trägt: die Prof. Schumann GmbH. Über bald 30 Jahre hat sie das IT-Unternehmen zu einem internationalen Player mit über 200 Mitarbeitern entwickelt. Das Porträt einer Unternehmerin, die den Blick immer nach vorn richtet.
Zum Unternehmen
Die Prof. Schumann GmbH mit Hauptsitz in Göttingen sowie Standorten in Leipzig und London ist ein inhabergeführtes Softwareunternehmen, das seit 1997 auf Lösungen für das Kreditrisikomanagement spezialisiert ist. Die Software wird in Unternehmen aus Industrie, Großhandel, Leasing, Factoring sowie bei Kredit- und Kautionsversicherungen eingesetzt. Rund 230 Mitarbeitende arbeiten an IT-Lösungen, die die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen
ermöglichen.
Das Thema IT wurde Martina Städtler-Schumann gewissermaßen in die Wiege gelegt: Ihr Vater gründete 1961 in Nürnberg ein Beratungs- und Softwareunternehmen für die Logistikbranche – zu einer Zeit, in der Informationstechnologie noch in den Kinderschuhen steckte. Diese frühe Nähe zur technischen Pionierarbeit prägte ihren Weg nachhaltig. Sie machte eine Ausbildung zur Diplom-Kauffrau mit technischer Ausrichtung und promovierte anschließend in Wirtschaftsinformatik an der Universität Nürnberg. Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann, Matthias Schumann, kennen. Nach ihrer Promotion im Jahr 1985 stieg Martina Städtler-Schumann ins elterliche Unternehmen ein. Sie übernahm rasch Verantwortung – zunächst in Vertrieb und Marketing, später in der Projektleitung und als Bereichsleiterin. „Ich bin mit starken Frauen aufgewachsen“, erzählt sie. „Meine Mutter und beide Großmütter waren berufstätig und standen fest im Leben. Für mich war es immer selbstverständlich, dass Frauen gestalten, führen und ihren eigenen Weg gehen.“
Nach zwei Jahren Elternzeit war der Weg zurück ins Familienunternehmen jedoch versperrt: In der Zwischenzeit hatte ihr Bruder die Firma übernommen. Zudem war sie mit ihrer jungen Familie von Nürnberg nach Göttingen gezogen, wo ihr Mann seinen Lehrstuhl für Anwendungssysteme und E-Business angetreten hatte. „Da stand ich nun – glücklich verheiratet, mit kleinem Sohn, aber ohne Job in einer neuen Stadt“, erinnert sich Martina Städtler-Schumann.
Eine neue Perspektive eröffnete sich schließlich durch die Forschung ihres Mannes. An der Universität Göttingen leitete er ein Praxisprojekt zu KI-Expertensystemen in der Kreditversicherung – mit beachtlichem Erfolg. „Die Lösung funktionierte hervorragend“, erzählt Martina Städtler-Schumann. „Aber über die Universität durften weder Schnittstellen programmiert noch Weiterentwicklungen oder Wartung angeboten werden.“ Für sie war klar: Genau hier liegt unternehmerisches Potenzial. Sie ergriff die Chance – und gründete gemeinsam mit ihrem Mann im Jahr 1997 in Göttingen die Prof. Schumann GmbH, spezialisiert auf IT-Lösungen im Kreditrisikomanagement. „Ich wollte gestalten, nicht stillstehen.“
Die Weichen wurden mutig gestellt: Ein Büro wurde mit Dreijahresvertrag angemietet, moderne Büromöbel angeschafft und erste Mitarbeiter eingestellt. „Das war ein ordentliches Risiko“, sagt sie rückblickend. „Ich habe die Verträge aufgesetzt, die AGBs formuliert, Prospekte geschrieben, das Marketing aufgebaut.“ Während ihr Mann die ersten Kundengespräche führte, kümmerte sie sich um die gesamte Außendarstellung. „Ich wusste aus meiner Berufserfahrung: Wir brauchen mehrere Standbeine, wenn wir nachhaltig wachsen wollen.“ Dieser unternehmerische Weitblick sollte sich bald auszahlen. Das junge Unternehmen entwickelte sich stabil, wuchs kontinuierlich und zählte nach wenigen Jahren rund 20 Mitarbeiter.
Doch dann kam, fünf Jahre nach der Gründung, ein harter Einschnitt: Die Versicherung, mit der alles begonnen hatte, stellte ihre Sparte für Kreditversicherung ein. „Über Nacht verloren wir ein Drittel unseres Umsatzes“, erinnert sich Städtler-Schumann. „Wären wir nicht finanziell solide aufgestellt gewesen und hätten nicht alle im Team zusammengehalten, hätte das das Aus bedeuten können.“ Es war ein Moment, der die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens auf die Probe stellte – und in dem sich letztlich bestätigte, dass Vertrauen, Weitsicht und der Zusammenhalt der Mitarbeiter tragende Säulen des Erfolgs sind. Es sind Werte und Überzeugungen, die Martina Städtler-Schumann vor allem durch ihren Vater mit auf den Weg bekommen hat – und die bis heute ihr unternehmerisches Handeln prägen. „Wenn wir über Werte sprechen, dann denke ich zuerst an ihn“, sagt sie. „Er hat mir Zuversicht und Gottvertrauen vermittelt – besonders in schwierigen Zeiten – sowie den festen Glauben an Fleiß, Verlässlichkeit und Verantwortung. Er war ein Chef, der kompetent und empathisch agiert hat, der Vertrauen in die Mitarbeiter hatte – unglaublich modern.“
Heute ist Martina Städtler-Schumann besonders stolz auf etwas, das sich nicht in Zahlen messen lässt: das außergewöhnliche Engagement ihrer Mitarbeiter. Loyalität, Identifikation und Eigenverantwortung sind im Unternehmen keine Floskeln, sondern gelebter Alltag. „Als Chefin muss man vorangehen – mit einer Vision, einer klaren Zielsetzung und einem positiven Beispiel. Und ohne Vertrauen geht gar nichts.“ Für sie gehört beides untrennbar zusammen: „Verantwortung beginnt mit Vertrauen.“ Wer mitdenkt und mitträgt, braucht auch die Freiheit, selbst Entscheidungen zu treffen. „Unsere Mitarbeitenden sind hoch kompetent und wissen genau, was unsere Kunden brauchen. Darauf vertrauen wir – und darauf bauen wir unsere Entscheidungen auf.“
Doch Vertrauen zu geben, bedeutet auch, loslassen zu können. Delegieren sei ein zentrales Führungsinstrument – und zugleich eine persönliche Herausforderung gewesen. „Was glauben Sie, wie oft ich ungeduldig war, wenn ich Aufgaben abgegeben habe“, sagt sie. „Warum macht er das nicht so? Warum macht sie das nicht jetzt? Warum fragt er mich? Warum fragt sie mich nicht? All das musste ich lernen auszuhalten.“ Heute ist sie überzeugt: Die stärksten Beziehungen entstehen nicht durch Harmonie, sondern durch echtes Miteinander – auch, wenn es mal kracht. „Gerade in den Situationen, in denen intensiv über den richtigen Weg gestritten wurde, ist tiefes gegenseitiges Vertrauen gewachsen. Und das trägt – bis heute.“
Insbesondere in herausfordernden Zeiten wie der Finanzkrise 2008 und der Corona-Pandemie zeigte sich, wie belastbar dieses Führungsverständnis und der Zusammenhalt im Team wirklich waren. „Beide Krisen haben uns eher gestärkt als geschwächt“, sagt Martina Städtler-Schumann. „Wir haben uns nie verzettelt, sondern konsequent auf unsere Kunden und unser Kerngeschäft fokussiert.“
Heute agiert das Unternehmen im Zentrum der Kreditrisikobranche und bedient drei Marktsegmente: Kredit- und Kautionsversicherer, Finanzdienstleister sowie Industrie- und Handelsunternehmen. „Alle drei Bereiche verbindet die Risikobewertung von Kunden – wenn auch auf unterschiedliche Weise“, erklärt Martina Städtler-Schumann. Diese konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden hat das Unternehmen auf Wachstumskurs gebracht. Als es 1997 losging, startete Martina Städtler-Schumann mit drei Mitarbeitern. Heute zählt das Unternehmen gut 200 Beschäftigte – darunter für die IT-Branche überdurchschnittlich viele Frauen. Außer dem Hauptsitz in Göttingen unterhält das Unternehmen Niederlassungen in Leipzig und London – letztere als Treffpunkt für internationale Kunden und Partner.
Das Unternehmen soll auch in Zukunft ein Familienunternehmen bleiben. Drei Geschäftsführer bilden
bereits das stabile Führungsfundament unter der Frau an der Spitze. Ein Verkauf stand dabei nie zur Diskussion – trotz zahlreicher Angebote. „Es gab unzählige Übernahme- oder Beteiligungsangebote“, sagt Martina Städtler-Schumann. Noch immer treffen wöchentlich drei bis vier neue Anfragen ein. „Aber inzwischen lösche ich sie einfach ungelesen. Ich antworte nicht einmal mehr. Unsere Mitarbeiter liegen mir zu sehr am Herzen. Wir wissen selbst am besten, wo wir investieren wollen.“ Und an Ideen mangelt es nicht: Im spezialisierten Marktsegment des Kreditrisikomanagements sowie im Bereich der Kredit- und Kautionsversicherungen ist das Unternehmen heute Marktführer. Auch zukunftsweisende Technologien wie Künstliche Intelligenz hat das Unternehmen fest im Blick. „Unser Geschäft ist extrem dynamisch – entscheidend ist, die KI sinnvoll und praxisnah in die Prozesse unserer Kunden zu integrieren“, betont Städtler-Schumann.
Wie sie selbst sagt: Kaum etwas bringt sie aus der Ruhe – hart zu arbeiten liegt ihr. Und genau das hat
sie getan, unbeirrt und mit klarem Fokus, ungeachtet etwaiger Hindernisse, auch wenn ihr klar ist, dass Erfolg niemals eine Einzelleistung ist. Hindernissen begegnet sie mit Pragmatismus und Tatkraft: „Wenn ein Problem auftaucht, schaue ich nach vorn. Dann muss ich eben drübersteigen. Ich verschwende keine Energie auf Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich ärgere mich ungern – ich mache einfach.“ ƒ