Vom Praktikanten zum Chef: Marc Diederich ist neuer Geschäftsführer der WRG Wirtschaftsförderung Region Göttingen

Die dunkle Jahreszeit ist angebrochen, die Temperaturen liegen im kühlen Bereich. Frisch weht der Wind durch die gekippten Fenster in den Konferenzraum der WRG Wirtschaftsförderung Region Göttingen, wo uns der neue Geschäftsführer Marc Diederich, seit wenigen Wochen im Amt, mit einem Ellenbogengruß empfängt. Das krawattenlose Outfit des 37-Jährigen ist genauso locker wie seine Stimmung. Wir platzieren uns am großen Tisch, der Abstand ist groß, die Atmosphäre warm, die Luft zugig.

Herr Diederich, mögen Sie frischen Wind?

Unbedingt! Ich bin schon sehr, sehr gern draußen. Ich bin einfach kein Typ, der ins Fitness-Studio geht – wenn ich Sport mache, brauche ich Wind um die Nase. Ich wandere und laufe gern. Und wenn ich auf dem Fußballplatz stehe, dann bin ich ebenso an der frischen Luft.

Sie sind also der sportliche Typ?

[lacht herzhaft] Letzte Woche war ich ganz mutig und bin nach acht Jahren Fußballpause zum Training ge­gangen – das hat dann aber zumindest für mich nicht allzu lange gedauert. Beim nächsten Mal halte ich dann hoffentlich etwas länger durch. Zumindest habe ich durchaus vor – sofern es Zeit und Corona zulassen – wieder etwas regelmäßiger dem runden Leder hinterherzujagen, als das in den letzten Jahren der Fall war. Durch meine vorherige Arbeit bei der IHK in Hildesheim war ich froh, wenn ich überhaupt mal bei der Family war. Da konnte ich nicht sagen: ,Ich geh‘ am Freitagabend auf den Bolzplatz – und Sonntag spiele ich dann übrigens auch noch.‘

Klingt, als wären Sie ein Familienmensch?

In jedem Fall! Wir wohnen mit einigen Verwandten zusammen auf einem Hof. Ich mag das, wenn wir abends alle zusammensitzen und den Grill anschmeißen, da fühle ich mich heimisch. Als gebürtiger Seulinger bin ich wohl ein typischer Eichsfelder [lacht].

Würden Sie sich selbst als heimatverbunden beschreiben? Fast zehn Jahre sind Sie – seit 2012 als Leiter – zur IHK-­Geschäftsstelle nach Hildesheim gependelt. Haben Sie Ihre Heimat jemals aus den Augen gelassen?

Eigentlich nie. Ich muss schon zugeben, dass ich immer mal geschaut hatte, was die Region so zu bieten hat, und als ich die Stellenausschreibung der WRG zum Geschäftsführer sah, dachte ich sofort: ,Mensch, das könnte ja ganz interessant sein.‘

Wirtschaftsförderung – das klingt auf Anhieb nicht nach ­einem klassischen Kindheitstraum, oder?

Für mich schon! Tatsächlich fand ich es schon als Schüler spannend zu lernen, wie geografische Gegebenheiten eine Region prägen. Beispielsweise ist die Region um Holzminden für seine Glashütten berühmt, man kann fast von einem Glas-Cluster sprechen. Und warum gibt es das? Weil da Sand, viel Wasser und genügend Bäume waren. Das sind Dinge, die mich immer fasziniert haben: Wie entwickeln sich aufgrund der Ressourcen, die ich vor Ort habe, Gesellschaften und die Wirtschaft?

Jetzt haben Sie es geschafft: Sie sind hier neu im Amt, aber eigentlich ja ein Altbekannter der WRG …

Stimmt, im Zuge meines Bachelor-Studiengangs der Geografie und Wirtschaft in Hildesheim habe ich bereits vor 13 Jahren ein Praktikum bei der WRG absolviert – und das war tatsächlich wegweisend für mich. Denn bei einem Gespräch in dieser Zeit mit Hochschulprofessor Ulrich Harteisen von der HAWK in Göttingen erfuhr ich von seinem neuen Studiengang Wirtschaftsförderung und Regionalmanagement und fragte neugierig, was man dazu mitbringen müsse: einen abgeschlossenen Bachelor und Interesse. Tja, da saß ich kurze Zeit später in seiner Vorlesung. Und ich muss wirklich sagen, mir hat das Studium megaviel Spaß gemacht.

Auch Ihre weiteren beruflichen Stationen als Projektmanager bei der SüdniedersachsenStiftung und zuletzt bei der IHK scheinen allesamt ganz passend in der Vita. Welche Erfahrungen haben Sie daraus mitgenommen?

Die positive Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung in Hinblick auf Projekte, die man gemeinsam definiert und erarbeitet hat, um in der Folge die Ergebnisse gewinnbringend für die Region umzusetzen. In allen facettenreichen Handlungsfeldern der Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung – bei der IHK oder der SüdniedersachsenStiftung – habe ich eigentlich die Erfahrung gemacht, dass die Projekte immer dann besonders gut funktionieren, wenn alle betroffenen Akteure auf Augenhöhe einbezogen wurden, sich auf eine gemeinsame Linie verständigt hatten und gemeinschaftlich an einem Strang gezogen haben.

Jetzt also nach 13 Jahren wieder die WRG. Können Sie sich noch an die brennenden Themen von damals erinnern?

Klar, das VerpackungsCluster wurde gegründet und der Breitbandausbau wurde aktuell. [lacht] Ja, ja, der Breitbandausbau brennt noch immer unter den Nägeln – und diesen monieren die Unternehmen immer als zu langsam. Heute erlebe ich aber hautnah, wo die Verzögerungsfaktoren liegen, habe aber auch Gestaltungsmöglichkeiten. Zum Beispiel kann ich mit der Deutschen Bahn darüber reden, dass die Genehmigungsverfahren zügiger bearbeitet werden. Während wir bei der IHK also berechtigte Forderungen formuliert haben, kann ich auf Seiten der WRG direkter etwas bewegen und die Kernprobleme angehen.

Aktuell gibt es ja leider ein akutes.

Corona überstrahlt natürlich vieles. Positiv ist allerdings, dass sich die Region vergleichsweise sehr gut entwickelt hat und wir mit Unternehmen der Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik Zukunftsbranchen vor Ort haben, die nicht die starken strukturellen Änderungen zusätzlich zur Corona-Krise spüren. Das sieht in Hildesheim ganz anders aus.

Was beschäftigt Sie aktuell beim Onboarding sonst noch besonders?

Ich führe viele Gespräche und verschaffe mir einen Überblick über die Themen, die wir teilweise federführend, teilweise als Partner bespielen. Dabei überlege ich mit meiner Mannschaft, wie wir die zunehmende Komplexität sinnvoll strukturieren können. Also, welche regionalen Partner gibt es und wo ist unsere Nische?

Und wenn Sie in die Zukunft schauen: Welches Thema wird die Wirtschaft dann beschäftigen?

Definitiv wird die Nachhaltigkeit eine viel stärkere Rolle spielen. Auch die Megatrends Digitalisierung, Demografie und Globalisierung werden uns weiter begleiten und unsere Arbeit beeinflussen. Hier wollen wir mit der WRG Impulsgeber und Moderator für die Wirtschaft sein. Und das stärker flächendeckend in der Region.

Klingt so, als wären Sie ein analytischer Mensch.

Ich bin tatsächlich kein Bauchmensch, der Dinge einfach durchboxt. Ich bin schon jemand, der sich gern an Fakten orientiert, und zugegebenermaßen auch jemand, der bei der Aussage ,das haben wir schon immer so gemacht‘ auf die Palme gehen kann. Ich hole Meinungen ein und wechsle die Perspektive, damit ich dann eine möglichst begründete, nachvollziehbare Entscheidung treffen kann.

Würden Sie sagen, Sie bringen frischen Wind in die WRG?

[Schmunzelt] Das ist ja der Vorteil des Neuen, dass man unbelastet Umstrukturierungen andenken kann. Wir werden aber sicher Gutes beibehalten, aber uns auch Neuem öffnen.

Und wenn wir unsere Nase mal kurz in Ihr Privatleben ­stecken …

… dann verrate ich Ihnen, dass unser Sohn nächstes Jahr ein Geschwisterchen bekommt. Das wird in jedem Fall noch einmal frischen Wind bringen.

Herr Diederich, vielen Dank für das Gespräch!

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