Förster vermisst den Wald
Waldholz-Gründer Sebastian Seidel kann heute mit seinem Start-up ,44moles‘ durch KI Wälder so genau vermessen, dass Investoren damit morgen das Klima retten wollen.
ZUR PERSON
Sebastian Seidel, geboren 1982 im Rheinland, ist Forstwirtschaftler und Unternehmer mit einer Leidenschaft für nachhaltige Waldnutzung. Nach seinem Studium der Forstwirtschaft in Göttingen und dem Staatsexamen in Baden-Württemberg arbeitete er bis 2008 in einer Stiftung, bevor er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Zunächst gründete er das Forstbüro Seidel, bevor er 2012 die Waldholz GmbH ins Leben rief, die sich auf nachhaltige Forstwirtschaft und Holzproduktion spezialisiert hat. Im Jahr 2022 gründete er als Investor die Start-ups ,44moles‘ und ,Climate Forest‘, die sich auf Klimaschutzprojekte und nachhaltige Waldwirtschaft konzentrieren. Privat ist Sebastian Seidel Familienvater von zwei Kindern, hat zwei Hunde und ist glücklich verheiratet.
WAS SIND CARBON CREDITS?
Kohlenstoffzertifikate sind handelbare Zertifikate, die es Unternehmen, Regierungen oder Einzelpersonen ermöglichen, ihre CO₂-Emissionen
zu kompensieren. Ein Carbon Credit entspricht einer Tonne CO₂, die entweder nicht in die Atmosphäre gelangt oder durch umweltfreundliche Maßnahmen wie Aufforstung oder erneuerbare Energien wieder aus der Atmosphäre entfernt wurde.
Sebastian Seidel möchte die traditionelle Forstwirtschaft mit modernen Technologien und Klimaschutzinitiativen verknüpfen. Mit seiner Leidenschaft für die Natur und einem klaren Fokus auf nachhaltige Waldbewirtschaftung hat er es sich zur Aufgabe gemacht, den Wald nicht nur als Quelle für Holz zu nutzen, sondern auch als bedeutendes Instrument im Kampf gegen den Klimawandel.
Seidel ist ein Mann zweier Welten. In beiden steht das Thema Holz im Mittelpunkt. In der einen besteht sein großer Schreibtisch im Göttinger Büro aus einem ehemaligen Baum, in der anderen verbringt er viel Zeit dort, wo der Rohstoff wächst: im Wald. Doch im Jahr 2024 ist er fast ausschließlich im Büro. „Als Förster hat man eine enge Verbindung zum Wald und ist gerne draußen“, sagt Seidel. „Aber wenn man sich entscheidet, etwas Eigenes aufzubauen, ist man sich oft nicht bewusst, wie sehr sich der Beruf verändert.“ Früher verbrachte er als Förster widerwillig zwei Tage im Büro, heute sitzt er fast nur noch am Schreibtisch. Seit 2008 arbeitet er selbstständig und betreut mit seiner Firma ,Waldholz‘ seit 2012 Waldbesitzer.
Über die Waldbewirtschaftung lernte er die ersten Investoren kennen. „Das sind meist Unternehmer, oft mit erwachsenen Kindern, die neben Immobilien auch etwas suchen, das der Umwelt zugutekommt“, beschreibt Seidel seinen Kundenstamm. „Es ist ein bisschen auch eine Liebhaberei.“ Neben der Stabilität der Investition schätzen viele auch die Nutzbarkeit der Fläche. „In Süddeutschland wird Wald auch als ‚kleine Sparkasse‘ wahrgenommen“, sagt Seidel. Bisher liefert hauptsächlich das Holz auf der Waldfläche Rendite.
,44moles‘ misst den Wald
Dabei kann jeder Hektar Wald noch viel mehr leisten. Das wurde Seidel klar, nachdem er 2023 in Kanada war. Dort werden riesige Flächen für den Holzhandel abgeholzt, was Seidel als wenig nachhaltig empfindet. „Wenn wir nichts ändern, kann man nicht immer die Verantwortung auf andere schieben“, dachte er nach seiner Rückkehr – und gründete ,44moles‘. Etwa 30 Mitarbeitende aus 15 Nationen arbeiten hier an der ,Carbon-Inventur‘.
Dabei wird Waldbesitzern geholfen, durch den Verkauf von ,Carbon Credits‘ Geld zu verdienen, indem sie den CO²-Speicher ihrer Wälder nachweisen. Das große Problem: Wie misst man den CO²-Speicher eines Baums? Bisher geschieht dies manuell – ein langsamer und mühsamer Prozess. Doch Seidel und sein Team hatten eine Idee ,44moles‘ setzt statt auf einer Kluppe und eines
Höhenmessers auf tragbare, mobile LiDAR-Scanner, die den Wald abscannen, während man den Messbereich abläuft. Bisher erfolgte das mit analogen Handgeräten, „wir scannen digital und haben dann einen digitalen Zwilling vom Waldbestand“, sagt Seidel. „Dies gibt uns völlig neue Daten über den Wald.“ er Name ,44moles‘ beziehtsich auf die Menge an CO², die aus den Bäumen abgeleitet wird.
Seidel und sein Team sehen sich nicht als politisch motiviert, sondern als technikaffin. „Wir sind Techies, nicht politisch“, sagt Seidel. Die Mission von ,44moles‘ ist, die besten Köpfe aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen und eine Plattform zur digitalen Walderfassung aufzubauen. „Vielleicht sind wir nicht schneller als die traditionelle Methode, aber wir sind jetzt schon deutlich genauer“, sagt er.
Ein Beispiel für Seidels Projekte ist der ,Pension Forest‘. Diese Wälder werden speziell zum Zweck des Klimaschutzes angelegt oder erhalten. Sie binden CO² und tragen so langfristig zur Bekämpfung des Klimawandels bei. Der Begriff ,Pension‘ deutet auf eine langfristige Investition hin, da der Wald über Jahre hinweg Kohlenstoff speichert. Im Zusammenhang mit ,Carbon Credits‘ spielen Pension Forests eine wichtige Rolle, da sie als Kohlenstoffsenken fungieren. Die gespeicherte CO²-Menge kann in Form von Carbon Credits zertifiziert und verkauft werden.
Noch nicht wettbewerbsfähig
Trotz vielversprechender Entwicklungen steht Seidel vor Herausforderungen. Der Preis für CO²-Zertifikate muss konkurrenzfähig zur traditionellen Waldwirtschaft werden, damit sich Klimaschutz langfristig lohnt. „Für die meisten lohnt sich Klimaschutz noch nicht“, gibt Seidel zu. Auch fehlen der Waldholz GmbH noch starke Finanzierungspartner, besonders in Deutschland und im übrigen Europa. Ein weiteres Hindernis ist die menschliche Natur: „Am Ende fällt es uns allen schwer auf Luxus zu verzichten. Das will keiner wirklich“, sagt Seidel. Dennoch sieht er in der jungen Generation einen starken Antrieb, die Welt zu verändern. Viele seiner Mitarbeiter sind nicht primär am Geld interessiert, sondern am Schutz der Natur. „Unser Team klebt sich nicht auf die Straße, sondern will durch Unternehmertum die Welt verbessern.“
Seidel wuchs in einer Familie ohne forstwirtschaftlichen Hintergrund auf. Sein Vater war Postbeamter, und ursprünglich wollte Seidel nach einem Praktikum im Zoo mit Tieren arbeiten. Doch aufgrund seiner guten schulischen Leistungen entschied er sich für das Studium der Forstwirtschaft in Göttingen. 2008 gründete er das ,Forstbüro Seidel‘, und 2012 folgte die Gründung der Waldholz GmbH. Heute verwaltet Seidel mit seinen Investoren etwa 35.000 Hektar Wald in mehreren Ländern.
Künstliche Intelligenz in der
Waldwirtschaft
Mit einem einfachen digitalen Abbild ist der Wald jedoch noch nicht vollständig erfasst. Seidels Bruder, ein Geograf, inspirierte ihn zur Nutzung eines Scanners, der sonst zur Vermessung von Höhlen verwendet wird. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) werden die gesammelten Daten dann verarbeitet. „Unser Gehirn kann das sehr gut, die KI nicht. Wir müssen sie dafür also erst trainieren“, erklärt Seidel. Die Messungen erreichen mittlerweile eine Genauigkeit von 90 Prozent. „KI hilft uns, aber das menschliche Gehirn bleibt unersetzlich“, sagt er.
Greenwashing und Zukunft
Ein häufiges Thema ist der Vorwurf des Greenwashing. „Es ist eigentlich klar definiert, wann etwas keine erkennbaren Wirkungen hat“, sagt Seidel. Dennoch sieht er die langfristige Perspektive seiner Waldprojekte als zentral. Für die Zukunft der Waldwirtschaft sieht Seidel Potenzial. Holz sei nach wie vor „viel zu günstig“, doch er ist überzeugt, dass sich nachhaltige Waldnutzung langfristig durchsetzen wird – auch wenn es anfänglich Verluste geben könnte. Seidels Vision: den Wald nicht nur als Rohstoffquelle, sondern als Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel zu nutzen. „Wir sind bisher zu langsam. Wir müssen etwas machen.“ Bei diesem ,Machen‘ haben er und sein Team viel gelernt. Zunächst hätte Seidel eigentlich erwartet, in den knapp zwei Jahren seit der Gründung von ,44.moles‘ schon weiter zu sein, doch: „Dinge brauchen Zeit, die Menschen Geduld.“ Sagt er. ƒ
ES GIBT ZWEI HAUPTARTEN VON CARBON CREDITS
Regulierter Markt (Compliance-Markt): Unternehmen und Länder, die unter ein Emissionshandelssystem (z. B. das EU-Emissionshandelssystem) fallen, müssen ihre CO₂-Emissionen begrenzen. Carbon Credits können verwendet werden, um ihre festgelegten Emissionsziele zu erreichen.
Freiwilliger Markt: Privatpersonen oder Unternehmen, die nicht gesetzlich verpflichtet sind, ihre Emissionen zu reduzieren, können freiwillig Carbon Credits kaufen, um ihre Klimabilanz zu verbessern. Die Idee hinter Carbon Credits ist es, Anreize für den Klimaschutz zu schaffen, indem sie den Handel mit Emissionsreduktionen ermöglichen und gleichzeitig Unternehmen die Flexibilität geben, ihre Emissionen auf wirtschaftlichste
Weise zu senken.
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