Das schnellste Mofa Northeims
Breites Kreuz, Hände wie Schraubstöcke, Bart, tiefe Stimme:
Matthias Bettels könnte ohne Weiteres in einer TV-Serie den Chef einer Schrauber-Werkstatt spielen. Kein Wunder. Er ist auch im richtigen Leben Inhaber einer besonderen Werkstatt. Mit seiner Firma Bettels Performance in Northeim baut der 41-Jährige Rallye-Fahrzeuge nach
historischem Vorbild komplett neu. Autos, wie sie zum Beispiel der legendäre Weltmeister Walter Röhrl gefahren hat.
Zum Unternehmen
Das Unternehmen, das von Matthias Bettels vor gut fünf Jahren gegründet wurde, entwickelt, konstruiert, produziert und vertreibt Automobile für den Renn- und Rallye-Sport. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die nach historischen Vorbildern konstruiert und gebaut werden. Die Firma Bettels betreibt in Northeim zudem eine Werkstatt zur Instandsetzung und Reparatur von Autos sämtlicher Fabrikate.
Bettels Performance GmbH
Berliner Allee 1
37154 Northeim
0171 8080 9917
info@bettels-performance.de
www.bettels-performance.de
» Es fühlt sich an, als würden wir eine Maschine mit vielen kleinen Stellschrauben bauen. «
Seine Liebe zu Motorfahrzeugen hat Matthias Bettels schon in jungen Jahren entdeckt. „Ich habe als 14-Jähriger angefangen an Motoren herumzuschrauben.“ Erst an Mofas, dann an Mopeds und später an Autos. „Die Schrauberei hat mir super viel Spaß gemacht.“ Noch heute tritt ein Leuchten in Bettels Augen, wenn er davon erzählt. „Ich habe mal eines der schnellsten Mofas in Northeim gebaut.“
Angesichts seiner Vorliebe für motorisierte Fahrzeuge lag es auf der Hand, nach der Schule eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zu absolvieren. Ihm sei damals aber schnell bewusst geworden, „dass ich nicht bis zu meinem Lebensende Ölwechsel und Inspektionen machen möchte“, sagt Bettels. Er habe deshalb nach einem Weg gesucht, „in der Kfz-Branche etwas zu machen, was wirklich Spaß macht“.
Die Folge: Bettels arbeitete jahrelang nebenberuflich als Mechaniker an den unterschiedlichsten Rennstrecken deutschlandweit. „Ich habe auch bei diversen Unternehmen am Bau von Rennfahrzeugen mitwirken dürfen – teilweise bereits eigenverantwortlich.“
Vor rund fünf Jahren fasste er den Entschluss, sich mit dem Nachbau historischer Rallye-Fahrzeuge selbstständig zu machen, erinnert sich Bettels. Dabei ist es bis heute geblieben – mit Erfolg. In der im März dieses Jahres neu bezogenen Produktionshalle an der Berliner Allee in Northeim bauen Bettels und sein Team momentan unter anderem einen Audi S1 Rallye Quattro, wie ihn einst der legendäre Rallye-Welt- und -Europameister Walter Röhrl in den 1970er- und 1980er-Jahren gefahren hat. „Das Auto ist das wohl bekannteste und beliebteste der historischen Rallye-Szene“, erzählt Bettels.
Für sein Unternehmen sei dieser Audi ein wichtiges Produkt. „Davon verkaufen wir inzwischen jedes Jahr mindestens ein Exemplar.“ Das klinge zunächst nach wenig. Aber bei einem Preis von mehreren Hunderttausend Euro sei dieser Audi für ihn wirtschaftlich bedeutend. „Denn es ist ein Auto, das wir von Anfang bis Ende komplett selbst bauen.“
Basis für ein solches individuelles Auto sind ältere Audis, die er „überall in Europa“ aufkauft und fachgerecht ausschlachtet. Einzelne Komponenten werden dann – soweit möglich – beim Neubau der Rallye-Fahrzeuge wiederverwendet. Alle übrigen Teile produzieren die Northeimer Spezialisten selbst. Das reicht von der Sicherheitszelle bis hin zu den mehr als 700 PS starken Motoren. „Eine echte Eigenentwicklung“, sagt Bettels. Dabei schwingt in der Stimme des sonst so ruhigen Mechanikers Stolz mit.
„Wir geben nur ab, was wir an den Fahrzeugen aus Bequemlichkeit nicht selbst machen wollen, wie Schleifen, Lackieren oder Polieren“, so Bettels. Auch unabhängig davon sei der individuelle Bau eines Ralley-Fahrzeugs zeitintensiv: „Pro Auto brauchen wir bis zu 4.000 Arbeitsstunden.“
In Auftrag gegeben werden die Nachbauten der historischen Rallye-Autos zumeist von Männern „im reiferen Alter“, berichtet Bettels. Viele von ihnen hätten vor Jahrzehnten als Kinder oder Jugendliche mit großen Augen an Rallye-Strecken gestanden und diese Fahrzeuge in Aktion gesehen. Jetzt – im höheren Alter – wollten sie sich „einen Lebenstraum erfüllen und selbst ein solches Fahrzeug besitzen und fahren“.
Ohne gut gefülltes Bankkonto kann ein derartiger Traum allerdings nicht wahr werden. „Schon gar nicht, wenn jemand ein Original-Fahrzeug haben möchte“, sagt Bettels. „Die wenigen Wagen, die gelegentlich auf den Markt kommen, kosten zumeist mehr als eine Million Euro.“ Im Vergleich dazu seien die Northeimer Nachbauten fast günstig. Die individuell konstruierten
und gebauten Fahrzeuge kosteten allerdings zum Teil ebenfalls mehr als 500.000 Euro.
Sein Unternehmen habe laut Bettels bisher ein halbes Dutzend verschiedene Audi-Typen gebaut. Viel Werbung habe er dafür im Übrigen nicht machen müssen. Denn die Kunden kämen zumeist aufgrund von Empfehlungen und seinem guten Ruf in der Branche auf ihn zu. Anders als die Originalfahrzeuge aus dem vergangenen Jahrhundert statten Bettels und sein Team die Nachbauten mit ,High-End-Technik‘ aus. „Denn Replika werden gebaut, um sie tatsächlich in Rennen einzusetzen.“ Die Kunden des Autobauers haben in den vergangenen Jahren nicht nur mit Nachbauten des Audi S1 Rallye, sondern auch mit Replika des BMW M1 Procar vordere Plätze bei Oldtimer-Grand-Prix-Rennen auf dem Nürburgring, in Zandvort oder in Spa belegt. Bettels selbst, der sich als Hobby-Rennfahrer sieht, landete beim Event ,Quattro Legende‘ im österreichischen St. Gilgen mit einem Audi ganz vorn. Rennen für historische Rallye-Fahrzeuge gebe es mittlerweile in vielen Ländern Europas, sagt Bettels. Er und sein Team betreuen dort eine Reihe von Kunden und deren Fahrzeuge.
Dieser Teil des Jobs, vor allem aber die Konstruktion und der individuelle Bau der Fahrzeuge, machen „sehr viel Spaß“, sagt auch Moritz Burkhard. Der studierte Maschinenbauer fungiert bei Bettels als ,Design and CAD Engineer‘. Die weitestgehend selbstständige Arbeit in einem kleinen und hoch qualifizierten Team sei für ihn deutlich reizvoller als bei einem großen Autobauer. „Dort ist man nur ein kleines Rädchen im Getriebe,“ sagt der 29-Jährige Burckhard. Neben ihm arbeiten bei Bettels inzwischen drei Kfz-Technikermeister mit viel Berufserfahrung sowie drei Gesellen.
Als zweites wirtschaftliches Standbein hat Bettels vor einiger Zeit unweit seiner ,Fahrzeug-Schmiede‘ eine Kundenwerkstatt eröffnet. „Dort machen wir kleinere Reparaturen und den ganz normalen Kfz-Service für diverse Fabrikate, und zwar nicht nur für Oldtimer, sondern auch für moderne Autos.“
Grundsätzlich möchte Bettels weiter wachsen. Auch dazu dient die Kundendienstwerkstatt. „Da kann ich neue Gesellen und deren Arbeitsweise mit Blick auf ihre mögliche Eignung für den individuellen Fahrzeugbau kennenlernen.“ Denn: „Ich kann nicht einfach irgendeinen Kfz-Mechaniker nehmen, wenn er später mal ein Rennauto bauen soll.“ Wer allerdings lernen wolle und Talent und Ehrgeiz habe, sei bei ihm richtig, sagt Bettels, der sich das Autobauen als Selfmade-Mann selbst beigebracht hat. Der Reiz seiner Arbeit sei es im Übrigen nicht, ein teures Auto zu bauen, „sondern ein technisch geiles“.
Auch deshalb ist Bettels sich sicher, immer genügend Fachkräfte zu finden. Denn: „Was wir hier machen, ist auch für Leute, die das Handwerk gelernt haben, etwas Besonderes.“ Und Bettels weiß aus Erfahrung: „Viele, die Kfz-Mechaniker lernen, wollen nicht ewig nur warten und reparieren, sondern am liebsten einmal selbst ein Auto bauen.“ Und damit dürfte er nicht ganz falsch liegen. „Wir haben zum 1. März drei Mechaniker und einen Werkstattleiter dazu bekommen. Das muss man in der Branche heutzutage erst einmal schaffen.“
Ihm sei es wichtig, „den Laden weiter zu vergrößern und gute Leute zu beschäftigen“, sagt Bettels. „Das
entlastet mich und schafft Raum für mehr Kreativität.“ Er suche nämlich ständig nach neuen Lösungen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. „Stillstand führt früher oder später zum Ende.“
Er sehe sich und seine Firma allerdings auf einem guten Weg, meint Bettels. „Wir entwickeln uns derzeit schnell und massiv weiter.“ So habe er inzwischen auch Kunden-Anfragen zum Bau historischer Fahrzeuge von anderen Herstellern als Audi. „Wir bekommen Anfragen zum Nachbau von Fahrzeugen, die es auf dem Markt sonst nicht mehr gibt.“
Unabhängig vom Oldtimer-Nachbau habe er ein weiteres großes Ziel, sagt der Northeimer Unternehmer: „Eines Tages möchte ich ein ganz eigenes Auto bauen: Ein technisch hochwertiges Supersport-Hypercar.“ Es sei zwar „schon an sich ein richtiges Brett, in einer kleinen Firma allein mit Eigenkapital historische Fahrzeuge zu bauen“, sagt Bettels. Aber dennoch: „Wenn wir in den kommenden Jahren noch etwas mehr Geld verdient haben, gehen wir aus der Kopiergeschichte in die richtige Konstruktionsphase rein.“
Bettels sieht sich auf dem richtigen Weg: „Der Umsatz wächst kontinuierlich und liegt inzwischen im siebenstelligen Bereich. Und wir sind ausgebucht für länger als ein Jahr.“
Trotz aller Auftragsarbeit und großen Zukunftspläne nimmt der verheiratete Familienvater sich – wann immer es geht – Zeit für seine Kinder im Alter von sieben und knapp zwei Jahren. Für den Größeren habe er erst jüngst ein kleines Elektroauto gebaut, erzählt Bettels. Ganz so schnell wie seine Rallye-Fahrzeuge sei das allerdings nicht. „Ich habe es gedrosselt auf 20 Stundenkilometer.“ ƒ